Die Torballmannschaft trainiert jeden Montag in der Zeune-Schule. Fotos: Gogol

Von fast Null auf 100 in nur zweieinhalb Jahren. Die Torballmannschaft des Berliner Blinden- und Sehbehindertensportverein e.V. (BBSV) hat etwas erreicht, wovon viele Mannschaften wohl nur träumen können. 2010 neugegründet, konnte sich das Team für die diesjährige Deutsche Meisterschaft qualifizieren.

Es ist Montagabend in der Johann-August-Zeune-Schule in Steglitz. Die Schüler haben das Gelände schon längst verlassen, doch in der Sporthalle brennt noch Licht. Große Tore hängen von den Decken, dazwischen sind knapp über dem Boden des Spielfeldes drei Seile gespannt, an denen Glöckchen befestigt sind. Dort trainieren jeden Montag um 17 Uhr die neun Mitglieder der Berliner Torballmannschaft. Derzeit noch ein wenig intensiver, schließlich will das Team sich bei der Deutschen Meisterschaft am 16. März in Steinbach (Baden-Baden) von seiner besten Seite zeigen.

„Es war überraschend, dass wir uns so deutlich qualifiziert haben“, freut sich der Vereinsvorsitzende Thorsten Wolf. Den dritten Platz holten die Berliner bei der Nordrunde am 26. Januar in Magdeburg. Mit nur wenig Abstand zu den Plätzen eins und zwei. „Wir haben rundherum gut ausgesehen, das ist eine großartige Bilanz“, freut sich Wolf. Und so will das Team mit „breiter Brust“ auch bei der Deutschen Meisterschaft antreten. „Es wäre eine Sensation, wenn wir in die Endrunde kommen“, so Wolf. „Als Außenseiter aber ist alles möglich“, ergänzt Mannschaftskapitän Jörg Bechtold.

Aufs Gehör angewiesen

Torball ist deutschlandweit die bekannteste Mannschaftssportart für Blinde und Sehbehinderte. Allerdings können auch normal Sehende mitspielen, die dann allerdings eine Augenbinde tragen müssen. Vor den beiden Toren positionieren sich jeweils drei Spieler pro Mannschaft. Gespielt wird mit einem mit Glöckchen gefüllten Ball, der unter den gespannten Seilen hindurch geworfen werden muss. Ziel ist es, das Tor des Gegners zu treffen. Dabei sind die Spieler ganz auf ihr Gehör angewiesen, lauschen genau, wo der Ball langrollt, um ihn blitzschnell mit dem ganzen Körper abzuwehren – und ihrerseits dann einen Angriff auf das gegnerische Tor zu starten. Während des Wettkampfes muss in der Halle absolute Stille herrschen, damit die Spieler den Ball erhören können. Gespielt wird zweimal fünf Minuten.

Um sich optimal auf die Meisterschaft vorzubereiten, haben die Berliner zusätzliche Trainingswochenenden eingeschoben, sowie ein gemeinsames Training mit den Konkurrenten aus Borgsdorf anberaumt. Es gebe nur wenige Mannschaften deutschlandweit, man kenne sich untereinander, die Taktiken, die Reaktionen bestimmter Spieler in verschiedenen Situationen. Und da sehen die Newcomer ihre große Chance bei der Meisterschaft. Sie sind noch nicht so leicht zu durchschauen. „Die anderen Mannschaften sind siegesverwöhnt. Berlin hat noch Biss“, sagt Wolf. „Wir sind die jungen Wilden“, ergänzt Bechtold. Man gehe noch mit einem Stück Unbekümmertheit ins Spiel.

Die Erfahrung der anderen Mannschaften komme vor allem beim schnellen Spiel zum tragen, deshalb müssten die Berliner das Spiel ruhig halten, es langsam angehen und kontrollierter spielen, dann stünden die Chancen gar nicht schlecht, weiß Wolf, der selbst jahrelang erfolgreich Torball gespielt hat.

Neustart

2009 gab es einen Umbruch in der Berliner Torballmannschaft des BBSV. Spieler verließen aus familiären, gesundheitlichen oder beruflichen Gründen das Team. Neue Spieler mussten her. Ganz bei Null mussten die Berliner aber nicht anfangen, so kamen erfahrene Spieler aus anderen Vereinen zum BBSV.

Die Truppe versteht sich gut, so Jörg Bechtold. Das sei grundlegend, denn von den sechs Spielern stehen bei einem Spiel immer nur drei auf dem Platz. Es sei wichtig, dass auch die Spieler auf der Bank das Gefühl haben, wichtig für das Team zu sein. Es muss eine Mannschaftsgefühl geben, so Wolf. Das sei das A und O, um während des Spiels den Kopf frei zu haben, betont der Vereinsvorsitzende.

Auch spielerisch muss sich das Team verstehen. Das klappt nach zweieinhalb Jahren schon recht gut. Es gebe aber andere Teams, die spielen seit 20 Jahren zusammen – da läuft es noch besser. Da verstehe man sich ohne Worte, so Wolf.

Auch wenn Torball in Deutschland unter Blinden und Sehbehinderten noch immer sehr beliebt ist, gebe es derzeit einen Hype um den Blindenfußball, hinzu komme, dass das paralympische Goalball einen größeren Bekanntheitsgrad auch unter Sehenden hat. Zusammen mit Showdown – einer Art Blinden-Tischtennis – ziehen sie die großen Fördergelder an Land. Andere Sportarten fielen da manchmal hinten runter, bedauert Wolf. Ähnlich sieht es aus, wenn man Sponsoren sucht. Das habe sich auch gezeigt , als der BBSV ein großes Torballturnier anlässlich des 85-jährigen Bestehens des Vereins in diesem Jahr am 19. Oktober in der Max-Schmeling-Halle organisierte. Nur durch persönliche Kontakte sei es schließlich gelungen, einige wenige Geldgeber zu gewinnen – weitere wären sehr hilfreich, erzählt Wolf.

Wer sich für Torball interessiert, muss aber nicht bis zum Oktober warten. Für den 13. Mai hat der BBSV in der Zeune-Schule ein offenes Training anberaumt. Von 17 bis 20 Uhr können sich Interessierte ein Bild von dem Sport machen. Vor allem Sehende sind herzlich willkommen, denn die fehlen bisher noch in dem Team.

www.bbsv-online.org

 

(go)