Haus Hönow, Otto-Erich-Straße 20. Foto: Privat 2016

Der bis auf ein liegendes Schlitzfenster zur Otto-Erich-Straße in Wannsee hermetisch geschlossene Kubus  fällt radikal aus seiner Umgebung heraus. In den Hang gegraben, fügen sich Sockelgeschoss und ein nach Südosten frei auskragender, weiß gestrichener Backsteinriegel zu einer seltenen Stereometrie zusammen. Das Einfamilienhaus erscheint in dem transparenten, nur von modulierten Rasenflächen und alten Kieferbeständen minimalistisch gezeichneten Garten wie eine Skulptur.

Es ist das Haus, das Günter Hönow für sich und seine Familie auf einem rückwärtigen Grundstück der Eltern in der Chausseestraße errichtete. Um bessere Belichtungsverhältnisse und geschützte Gartenausblicke von der hausbreiten Loggia zu schaffen, verschwenkte er die Gebäudeachse leicht aus der Flucht nach Süden. Hönow (1923-2001) zählte zu den talentiertesten Architekten der Nachkriegsmoderne. Gleichwie beschrieb ihn Christian Welzbacher in seinem Nachruf in der FAZ noch als Vertreter einer „Lost Generation“ der Architekturgeschichte neben Ludwig Leo, Georg Heinrichs, Hans Christian Müller, Daniel Gogel oder Winnetou Kampmann.

Dem ist heute nach Aufarbeitung dieser Epoche wahrhaftig nicht mehr so. Das Haus Hönow zählt zu den außergewöhnlichsten Künstlerhäusern und ist das Hauptwerk eines Berliner Architekten, der von Otto Bartning im Rahmen des Nachwuchswettbewerbes zur Interbau 1957 entdeckt wurde und in diesem Zusammenhang mit 33 Jahren in der Händelallee sein erstes Bungalow-Wohnhaus errichten durfte.

Die mit Versorgungstechnik, Garage, Keller, Hobbyraum und Diele organisierte Erschließungsebene, die im Duktus des Sichtbetons linear mit der straßenseitigen Einfriedung verschmilzt, lässt die Wohnebene elegant über dem Terrain schweben. Das Treppenhaus und die zwei Innenhöfe schirmen die funktional getrennten Schlafbereiche der Kinder und Eltern von den fließenden Wohn-, Koch- und Essbereichen neben der zum Garten hin gelagerten Frühstücksloggia ab. Hönow spricht Höfe und Loggia als „offene Wohnräume“ an. Der Grundriss entspricht einer Adaption des am Bauhaus entwickelten Zweizellenhaustyps von Marcel Breuer, den dieser H-förmig ähnlich schwebend über ein Sockelgeschoss legte.

Haus Hönow, Foto: Denkmalschutzbehörde 2014

In Lichterfelde und Wannsee entwirft Hönow 1962-65 verschiedene Einfamilienhäuser, allein in der Glienicker Straße in Wannsee die Nummern 9-11, 12 und 19 A (DdM Mai 2016). In sein eigenes Familiendomizil in der Otto-Erich-Straße lässt er nun alle Erfahrungen einfließen. Die Höfe sind geschützte Außenräume und lassen das Tageslicht durch Schiebetüren in die Innenbereiche fluten. Das Kinderzimmer zur Straße hinter dem liegenden Schlitz wird später zu Hönows Arbeitsstudio. Geräte verschwinden in einem für die Loggia entworfenen Kubus. Und das Mobiliar der Wohnräume designt der Architekt gleich selbst dazu und kombiniert es mit prominenten Sammlerstücken der Klassischen Moderne.

Die Detailqualität basiert auf Hönows konsequenter Materialästhetik, die sich im Inneren wie im Äußeren in Holz, Sichtbeton und Ziegelmauerwerk ausdrückt und rührt nicht zuletzt von der handwerklichen Ausbildung als Feinmechaniker her, die er vor seinem Architekturstudium an der Hochschule der Künste in Berlin absolviert hatte. Von 1971-86 ist er dort selbst Inhaber einer Professur für Entwerfen, Gebäude- und Innenraumplanung. Hönow wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1978 mit dem in der Schweiz verliehenen „Habtitation Space International Award“.

Bis vor circa zehn Jahren wohnte in dem Haus in der Otto-Erich-Straße Hönows Witwe. Dann war es lange Zeit unbewohnt und litt unter ausbleibender Bauunterhaltung. 2015 gelangte es in den Besitz einer architektur-affinen Familie und wurde von dieser beispielhaft restauriert.

Text/Redaktion: Dr. Jörg Rüter
Denkmalschutzbehörde