Hoch her ging es im Strafraum von Victoria Seelow. Hier klärt Schlussmann Geisler vor Zehlendorfs Ademi. Foto: Kerstin Kellner

Am Ende waren beide Trainer mit dem Punktgewinn zufrieden – und doch schwang bei beiden ein „Aber“ mit in ihren Aussagen. Zehlendorfs Alexander Arsovic war froh, dass sein Team nach einem 0:2-Rückstand im Heimspiel gegen den SV Victoria Seelow noch ein 2:2 erreicht hatte. Seelows Sebastian Jankowski dagegen hätte vor dem Spiel „sofort unterschrieben, wenn mir bei Hertha 03 ein Punkt angeboten worden wäre.“ Doch die Zehlendorfer wollten eigentlich ihre Siegesserie fortsetzen, während die Gäste bei einer 2:0-Führung natürlich den beiden verlorenen Punkten nachtrauerten. Soweit zum „Aber“.

Vieles sprach in der Tat vor dem Spiel für die gastgebenden Zehlendorfer. Sie hatten fünf Begegnungen in Folge gewonnen, Victoria Seelow reiste als 15. der Tabelle an. Und so entwickelte sich eine erste Halbzeit, in der die Berliner weitestgehend das Spiel kontrollierten und sich durch Timur Gayret (5.) und Faton Ademi (13.) auch erste Chancen herausspielten. Was fehlte, war „etwas Glück und die letzte Konsequenz vor dem Tor“, wie ihr Stürmer Marc Zellner hinterher richtig erkannte. Im Gefühl der Überlegenheit schien sich eine gewisse Nonchalance beim Ausnutzen der Tormöglichkeiten eingeschlichen zu haben – „irgendeiner wird schon reingehen“.

Dem fehlenden Glück kann man dann jene 120 Sekunden vor dem Seitenwechsel zuschreiben, die die Partie entscheidend beeinflussten. Nach dem 2:1-Erfolg in Malchow sprachen wir schon von einer Waffe, die die Zehlendorfer in dieser Saison für sich entdeckt haben: Standardsituationen. Darius Niroumand schlug in der 43. Minute eine perfekte Ecke auf den Kopf von Faton Ademi. Der Mittelstürmer der „kleinen Hertha“ stieg hoch und köpfte vor dem zu spät kommenden Schlussmann Maurice Geisler zum 1:0 ins Netz. Doch Schiedsrichter Matthias Bastian aus Rostock wollte eine Behinderung des Seelower Torhüters gesehen haben. Eine Sichtweise, die nicht einmal die Gäste teilen mochten. Im Gegenzug bekamen die Zehlendorfer den Ball nicht aus der Gefahrenzone, Robert Budzalek als Nutznießer brachte sein Team aus Nahdistanz in Führung (0:1) und stellte damit den Spielverlauf auf den Kopf.

Nach dem Wechsel schnürten die Gastgeber die Seelower komplett in deren Hälfte ein. Und erneut fiel wie aus dem Nichts ein Gegentreffer. Pawel Piotr Noga fasste sich aus halblinker Position ein Herz, zog aus großer Entfernung ab und beförderte die Kugel zum 0:2 in den hinteren Zehlendorfer Winkel (53.). Zehlendorfs Schlussmann Philip Sprint („Ich weiß nicht, ob der nochmal so einen Ball so trifft“) war machtlos.

Dann reagierte Hertha-03-Trainer Arsovic so, wie es die wenigsten der Zuschauer erwartet hätten. Er wechselte bei einem 0:2-Rückstand seine beiden Stürmer Ademi und Sebastian Huke aus und brachte in der 62. Minute zwei etatmäßig defensive Kräfte: Burak Mentes und Aron Rüb. Resultat: Mentes entfachte über die rechte Seite neuen Schwung, Rüb sorgte hinten links für Stabilität, „Funkturm“ Lenny Stein rückte dafür in die Mittelstürmerposition und die Zehlendorfer erhöhten noch einmal die Schlagzahl. Die Wechsel zeigten Wirkung.

Knapp 60 Sekunden später schlug Panagiotis Vassiliadis einen feinen Ball auf Timur Gayret. Was zunächst nach einer einfachen Kopfballvorlage aussah, entwickelte sich für den jungen Gayret zu einer schwierigen Angelegenheit, da sich das Leder schneller als erwartet senkte. Doch artistisch lenkte er den Ball zum 1:2-Anschluss ins Netz (62.). Beflügelt durch den Treffer warfen die Zehlendorfer alles nach vorn. „Fußballerisch war es dann sehr zerfahren, weil uns auch die Zeit davonlief“, sagte Zellner später. Immer wieder segelten weite Bälle in den Seelower Strafraum, um in den großgewachsenen Robert Schröder oder Stein Abnehmer zu finden. Eine Kombination dieser beiden führte dann zum Ausgleich. Schröder setzte Stein in Szene, der nur durch ein Foul frei vor dem Tor gestoppt werden konnte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Warwel („Angesichts des 0:2-Rückstandes müssen wir mit dem Unentschieden zufrieden sein“) zum 2:2 (83.). Eine letzte Möglichkeit durch Zellner (Fernschuss) lenkte Geisler um den Pfosten (89.).

Sicherlich mag im Moment die Enttäuschung bei den Berlinern überwiegen. „Das Unentschieden ist zu wenig, wir wollten eigentlich unsere Serie ausbauen“, sagte ein nachdenklicher Philip Sprint weit nach Spielende. Doch auch Marc Zellner lag nicht falsch mit seiner Aussage: „Wir haben erneut Moral bewiesen.“ Es war nicht das erste Mal in den letzten Wochen, dass die Zehlendorfer nach einem Rückstand in eine Partie zurückgefunden haben. Gelingt es ihnen, die Konzentration und die Einstellung über 90 Minuten hochzuhalten, spricht nichts gegen den Start einer neuen Serie. Die Worte ihres Kapitäns Robert Schröder unterstützen dies: „Rufen wir zu 100 Prozent unsere Qualitäten ab, sind wir nur schwer zu schlagen.“

(ok)