Die Schüler streikten für mehr Investitionen in die Bildung. Fotos: Gogol

„Hier wird protestiert, weil keiner investiert“ – mit solchen und ähnlichen Slogans zogen mehrere hundert Schüler am Mittwoch vom Rathaus Zehlendorf zum Rathaus Steglitz. Mit ihrem „Schülerstreik“ wollten sie auf die maroden Schulen im Bezirk aufmerksam machen.

Geschätzte 409 Millionen Euro – so hoch ist der Sanierungsstau in Steglitz-Zehlendorf. Wie sich der auswirkt, beschrieben die Schüler, die sich an dem Streik beteiligten. „Unsere Schule muss dringend saniert werden. In den Toiletten, in den Klassenzimmern – da ist viel Bedarf. Es wurde schon oft gesagt, dass was gemacht wird, aber bis heute ist nichts passiert“, berichten die zwölfjährige Clara und die 14-jährige Marie von der Montessorie-Gemeinschaftsschule. Von Platten mit krebserregenden Stoffen, die in ihrem Schulhaus verbaut sind, erzählen Nadja, Michele und Monique vom Lilienthal-Gymnasium. Doch das ist noch längst nicht alles, von dem die 15- und 16-jährigen Mädchen berichten. Die Umkleidekabinen in der Turnhalle sind nicht benutzbar, weil im Wasser Legionellen nachgewiesen wurden, der Haupteingang ist gesperrt, weil dort die Gefahr besteht, dass Elemente hinunter fallen.

„Die Schulen fallen auseinander. Die Begründungen sind nicht transparent und zufriedenstellend“, erklärte Benjamin Lohse. Er unterstützte als Vater den Schulstreik, obwohl er zu den Glücklichen gehört, deren Kind in eine frisch sanierte Schule geht. Doch die Rothenburg-Schule liegt gleich neben dem Fichtenberg-Gymnasium – quasi dem Sinnbild für den Sanierungsstau im Bezirk. „Die Schule fällt auseinander“, so Lohse.

Unterstützung gab es auch vom Kinder- und Jugendbüro sowie vom Bezirkselternausschuss, die dem Bezirksschülerausschuss  bei der Organisation der Demonstration halfen beziehungsweise in den verschiedenen Gremien für die Aktion warben. „Die Bezirke schauen heute auf Steglitz-Zehlendorf“, war die BEA-Vorsitzende Birgit Unteutsch überzeugt. Sie fand, dass es auch landesweit eine solche Demonstration geben müsste.

Das sah auch Roman Danilov, der als Vorsitzender des Landesschülerverbandes Berlin bei dem Streik präsent war, so. „Ich finde es super, dass hier ein Zeichen gesetzt wird. Es ist aber auch schade, dass es so weit kommen musste“. Die Politiker müssten endlich zur Einsicht kommen, der Rest – also mehr Geld und mehr Personal – komme dann von ganz allein. „Wir sind eine Bildungsnation, wir müssen in unsere Zukunft investieren“, forderte Danilov.

„Wir kommen hier heute alle aus verschiedenen Schulen, die aber mindestens ein gemeinsames Problem haben: Sie sind alt und sanierungsbedürftig“, sagte Jan vom Bezirksschülerausschuss. „Es ist wichtig, dass wir heute hier stehen und uns wehren“, betonte er. Der Senat wolle nicht in eine bessere Bildung investieren, das könnten die Schüler nicht auf sich sitzen lassen. Und wenn man auch nichts für sich selbst erreiche, so wolle man doch wenigstens, dass die nächsten Schülergenerationen bessere Lernbedingungen vorfinden.

Viele leere Stühle

Auf dem Podium war ein Platz leer geblieben, aus der Senatsverwaltung hatte niemand Zeit für die Diskussionsrunde. Foto: Gogol

Nicht ganz so viel Interesse wie der Streik fand am Vorabend der Demonstration ein Diskussionsabend zum gleichen Thema, organisiert von der Linken. Die Diskutanten auf dem Podium schauten auf zahlreiche leere Stühle im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf. Doch auch ein Platz auf dem Podium war leer geblieben. Dort hatte eigentlich ein Vertreter des Senats sitzen sollen, doch sowohl Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen als auch der zuständige Staatssekretär für Finanzen, Klaus Feiler, hatten aus terminlichen Gründen abgesagt. Dasselbe galt für den Staatssekretär für Bildung, Mark Rackles. Vertreter von der Fachebene wurden nicht geschickt, weil es sich bei der Diskussion um eine politische Veranstaltung handele, berichtete Franziska Brychcy, Bezirksvorsitzende der Linken Steglitz-Zehlendorf.

Einig war man sich auf dem Podium, auf dem die Vorsitzende des Bezirkselternausschusses, Birgit Unteutsch, der Bezirksschülersprecher Juri Strauß, Bezirksstadtrat Michael Karnetzki und Manuela Schmidt, Sprecherin der Linksfraktion für Haushalt und Bezirke im Berliner Abgeordnetenhaus, saßen, dass die Zuwendungen für Schulsanierungen im Rahmen des „Sonderprogramms Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ (SIWA) zwar nötig , doch nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ seien. Vielmehr brauche es eine kontinuierliche, ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung der Bezirke, um die notwendigen Arbeiten erledigen zu können, so Karnetzki und Schmidt. Schon seit Jahren habe man kein eigenes planendes Personal mehr, so dass Aufträge vergeben und europaweit ausgeschrieben werden müssen, erläuterte Karnetzki. Zwar würden den Bezirken durch SIWA auch neue Stellen zur Verfügung gestellt, doch verglichen mit den mehr als 1.000 benötigten Mitarbeitern berlinweit seien die bewilligten 301 nur „Brosamen“, so Schmidt, die sich fragte, wo da der Aufschrei der Bezirke bliebe?

Das Thema Personal griff Moderatorin Sylvia Vogt sofort auf und sprach den Bezirksstadtrat auf die unbesetzten Stellen im Hochbauservice an. Der verwies auf das komplizierte Auswahlverfahren aber auch darauf, dass eine Anstellung beim Bezirksamt für Bauingenieure nicht gerade interessant sei und dementsprechend sich nicht genügend geeignete Kandidaten beworben hätten. Deshalb musste eine Ausschreibung wiederholt werden. Anderseits habe es auch tolle Bewerber gegeben, denen dann aber die formale Qualifikation fehlte.

Sanierungsstau, fehlendes Personal, keine Architekten – viele Bezirksämter hätten die gleichen Probleme. Deshalb schlug Unteutsch die Gründung von Regional-BIMs vor. Die BIM, Berliner Immobilienmanagement GmbH, verwaltet die Immobilien für das Land Berlin. Regional-BIMs könnten dies für mehrere Bezirke übernehmen, was zu einer Entlastung in den Bezirksämtern führen würde, so Unteutsch. Karnetzki hielt dagegen, dass es für solche Verwaltungseinheit kein zusätzliches Personal geben würde.

Mitleid und Verärgerung herrsche bei ihm über das „kommunale Elend“, sagt ein Zuhörer. Er hatte die „rigorosen Sparpolitik“ und den „Steuersenkungswettlauf“ als „Ursache der Misere“ ausgemacht, die nun von den Bezirkspolitikern ausgebadet werden müsse.

Volker Dorn, Elternvertreter an der Rothenburgschule, forderte die Verantwortliche auf nach Strategien zu suchen, um eine Sanierung zu ermöglichen und dabei möglicherweise auch auf private Partner zu setzen.

Das Fazit des Abends: Für die Sanierung braucht es mehr Geld, mehr Investitionen und mehr Personal.