Ein Einwohnerantrag der Initiative „MieterInnen Südwest“ zur Einrichtung von Milieuschutzgebieten in Steglitz-Zehlendorf wurde auf der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung hitzig diskutiert. Foto: Baumann

Emotional und laut ging es bei der letzten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf am vergangenen Mittwoch zu. Grund für die erhitzten Gemüter war der Einwohnerantrag zum Milieuschutz. Am Ende wurde dieser zwar mit Mehrheit beschlossen, doch eine Frage blieb offen – wer bezahlt?

Die Mitglieder der Initiative „MieterInnen Südwest“ wünschen sich seit Langem die Einrichtung von Milieuschutzgebieten im Bezirk. Dafür engagieren sie sich nun auch aktiv in der Bezirkspolitik: Am 15. November brachten sie einen Einwohnerantrag in die BVV ein. Zuvor wurden 1.600 Unterschriften gesammelt, die diesen begründen sollen. Im Antrag fordern die Mieter das Bezirksamt auf, für die Wohnquartiere an der Argentinischen Allee und der Onkel-Tom-Straße, in Südende und rund um Lankwitz Kirche „schnellstmöglich“ und als „Pilotprojekt“ vertiefende Untersuchungen zur Ausweisung als Milieuschutzgebiete vorzunehmen. Der Senat sollte das Projekt finanziell unterstützen.

Nach dem Einreichen wurde der Antrag in den Stadtplanungsausschuss überwiesen. Dort änderte man mit den Stimmen von CDU, Grünen und AfD den Wortlaut und zwar so, dass der Bezirk sich zwar für die vertiefenden Untersuchungen ausspricht, aber nur, wenn eine dritte Partei, also der Senat, die Initiative selbst oder gegebenenfalls eine Privatperson, sämtliche damit verbundenen Kosten trägt. Diese belaufen sich nicht etwa „nur“ auf die Durchführung der Untersuchung selbst, die nach Einschätzung von Barbara von Boroviczény, einer der Initiatoren des Einwohnerantrages, zwischen 60.000 und 80.000 Euro kosten würde, sondern im Falle eines positiven Ergebnisses auch auf alle Folgekosten. Das wären zum Beispiel Personal- und Materialienkosten. Mit anderen Worten, der Bezirk stellt weder Mitarbeiter oder Räume, noch Drucker oder Papier zur Verfügung, sofern die Kosten dafür nicht vom Senat oder „Dritten“ übernommen werden.

In der letzten BVV-Sitzung am 17. Januar sollte nun über den „angepassten“ Antrag abgestimmt werden. Doch bevor es zu der Abstimmung kam, entbrannte eine heftige Debatte unter den Bezirksverordneten. Über zwei Stunden lang lieferten sie sich einen verbalen Schlagabtausch.

Die Änderungen führen den Antrag „ad absurdum“

„Es fällt mir schwer zu glauben, dass die Änderungen nicht dafür gedacht sind, den Antrag „ad absurdum“ zu führen, ärgerte sich Jan Kellermann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Die CDU argumentiere, dass der Bezirk an steigenden Mieten nicht Schuld sei, so Kellermann, doch das könne er nicht gelten lassen. „Das ist dann so, als wenn ich mir beim Friseur die Haare schneiden lassen wollen würde, aber nur, wenn ein Dritter dafür bezahlt, denn ich kann ja schließlich nichts dafür, dass die Haare wachsen.“ Auch sein Parteikollege, der SPD-Fraktionsvorsitzende, Volker Semler ist über die Änderungen verärgert: „Das Abschieben der Kosten an andere Stellen ist nur der Versuch, den Antrag indirekt zu versenken. Es wäre ehrlicher gewesen, wenn CDU und Grüne ihre Ablehnung gegenüber dem Milieuschutz mit einer Ablehnung des Antrags zum Ausdruck gebracht hätten. Das Vorgehen grenzt an Irreführung und wird dem Anliegen des Einwohnerantrags nicht gerecht.“ Dennoch hat die SPD am Ende für den Antrag gestimmt. „Wir wollen den Antrag weiter bringen. Und vielleicht gibt der Senat Geld dazu“, so Semler.

Diese Hoffnung teilen die Linken nicht: „Diese Forderungen sind absurd und werden von Senatsseite sicherlich nicht akzeptiert. Durch den Änderungsantrag wird das Projekt Milieuschutz totgemacht“, regte sich der Vorsitzende der Linksfraktion, Gerald Bader, auf. „Deswegen werden wir diesen ‚Sabotageantrag’ ablehnen“. Besonders unverständlich sei für ihn die Haltung der Grünen. Sie seien auf die unsoziale und ignorante Linie der CDU-Fraktion eingeschwenkt, so Bader. „Damit lassen sie entgegen ihren öffentlichen Verlautbarungen die Mieter in Steglitz-Zehlendorf im Regen stehen.“

„Hier muss vom Ende her gedacht werden“

Die Grünen ihrerseits beharrten darauf, dass sie generell für den Milieuschutz seien, der Bezirk dafür jedoch kein Geld habe. Vor allem nicht für die damit verbundenen Folgekosten. „Als Mitglied im Ausschuss für Haushalt betrachte ich den Antrag auch durch eine finanztechnische Brille“, erklärte Susanne Mertens von den Grünen ihre Position. „Hier muss vom Ende her gedacht werden“, so Mertens. „Angenommen das Ergebnis der Untersuchung fällt positiv aus und es sollen Milieuschutzgebiete ausgewiesen werden. Und dann haben wir im bezirklichen Haushalt ein Problem.“ Man dürfe die dann anfallenden Folgekosten nicht unterschätzen. Dazu zählten zum Beispiel Erarbeitung von Genehmigungskriterien, Überprüfung von Bauanträgen zu Nutzungsänderung oder Modernisierung und so weiter. „Und wenn die Eigentümer klagen? Spätestens dann wären die Kosten für den Bezirk nicht mehr tragbar“, steigerte sich die Grünen-Politikerin immer mehr in das Thema. Man müsse erst Vorsorge für Kosten treffen, und das sei nur mit der Unterstützung des Senats möglich.

Doch um Sonderposten beantragen zu können, müsse man eine Grundlage haben, merkte Rolf Breidenbach von der FDP-Fraktion an. Die Ergebnisse der Untersuchung könnten als solche dienen. Er sei außerdem überrascht gewesen, dass die CDU und die Grünen sich so entschieden gegen die Anhörung der Experten zum Thema Milieuschutz wehrten. In ihrem Antrag hatten die Einwohner die Bezirkspolitiker gebeten, vor der Beratung einen unabhängigen Experten mit ausreichender Erfahrung zum Thema Milieuschutz anzuhören. Dieser Bitte wurde jedoch nicht stattgegeben.

FDP und CDU sehen keine Veranlassung für weitere Untersuchungen

Was die Änderungen im Antrag angeht, so sei auch ein Einwohnerantrag, wie jeder andere Antrag zu behandeln. Man müsse also akzeptieren, dass dieser durch die Ausschüsse der BVV geändert werden könne, erklärte Breidenbach. „Im Moment sehe ich keine Veranlassung für die Durchführung eines Feinscreenings“, sagte er. Das existierende Grobscreening von 2015 habe ihn überzeugt.

Auch Torsten Hippe, Fraktionsvorsitzender der CDU, sieht keine Notwendigkeit für weitere Untersuchungen. Das Grobscreening hätte gezeigt, dass kein sachlicher Anlass besteht. „Wir sind zwar nicht ideologisch gegen den Milieuschutz, wir würden es machen, aber nur, wenn ein Dritter die Kosten dafür trägt“, so Hippe. Seiner Meinung nach würde der Milieuschutz generell nicht viel nutzen, denn energetische Modernisierungen, die eines der Hauptfaktoren für steigende Mieten sind, könnten dadurch nicht verhindert werden. Den Bürgern gebühre zwar Dank für ihr Engagement mit dem Einwohnerantrag, aber „wir geben nicht so viel Geld aus, nur um jemandem zu gefallen“, so Hippe.

Dass der Milieuschutz kein „Allheilmittel“ ist, sei ganz klar, bestätigte auch Jan Kellermann (SPD), aber in den Antrag „rein zu pfuschen“ sei einfach falsch. Politischer Wille sehe anders aus, schloss er die Debatte ab.

Für Barbara von Boroviczeny, Sprecherin der Initiative „MieterInnen Südwest“ und Mitinitiatorin des Antrages ist klar: „Dieser geänderte Antrag ist nicht durchführbar. Die Änderungen zeigen deutlich, dass Milieuschutz im Bezirk nicht gewünscht ist.“

(eb)