„Frauen und ältere Menschen sollen darauf verzichten, sich im Dunkeln allein durch das Viertel zu bewegen. Frauen sollen sich grundsätzlich zurückhaltend kleiden und nicht unnötig provozieren. Kinder sollen nicht unbeaufsichtigt draußen sein.“ Diese und einige weitere „Regeln“ sollen dazu beitragen, „dass das Zusammenleben mit unseren Gästen erfolgreich verläuft“. Diese sogenannten „Regeln“ hängen seit einigen Tagen öffentlich in dem Kiez rund um die Gemeinschaftsunterkunft in der Finckensteinallee in Lichterfelde aus. Dafür verantwortlich ist eine offensichtlich erfundenen Initiative „Willkommen in Lichterfelde und Zehlendorf.“

Flyer der Fake-Initiative „Willkommen in Lichterfelde und Zehlendorf“, gefunden am 06. November 2017 an einem Baum vor der Hortensienstraße 13, 12205 Berlin. Foto: Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf

In ihrem Schreiben diskreditiert die „Initiative“ einerseits pauschal Geflüchtete, indem sie ihnen Drogenverkauf, Gewaltdelikte und sexuelle Belästigung unterstellt, gleichzeitig erweckt sie den Eindruck, das Schreiben käme tatsächlich von einer Willkommensinitiative. Dadurch werden die Helfer-Initiativen gleichermaßen verunglimpft.

Das seit über drei Jahren bezirksweit tätige Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf sieht darin eine vorsätzliche Täuschung mit dem Ziel der allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung und der pauschalen Diskriminierung von Schutz suchenden Menschen. Als Reaktion auf die Aushänge hat das Willkommensbündnis eine entsprechende Presseerklärung ausgegeben und eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt.

Ihrer Auffassung nach stehen hinter der „Initiative Willkommen in Lichterfelde und Zehlendorf“ Rechtsextremisten, denen die im Bezirk Steglitz-Zehlendorf besonders starke Willkommenskultur ein Dorn im Auge ist. „Das besonders perfide an dem Handzettel ist“, so die Sprecher des Willkommensbündnisses, Franziska Merkel-Anger und Günther Schulze, „dass er keine Absenderadresse, dafür aber das Logo der „Refugee-Welcome-Bewegung“ enthält, wodurch eine gewisse Seriosität vermittelt wird und zusammen mit dem Namen der vermeintlichen Initiative eine Verwechslung mit dem etablierten Willkommensbündnis einhergehen soll.“ So gäbe es schon Nachfragen aus der Bevölkerung, ob das Willkommensbündnis etwas mit dem Handzettel zu tun hätte.

Kein Anstieg der Kriminalität rund um Flüchtlingsunterkünfte

Einen Anlass für eine solche Warnung gibt es in der Realität nicht, da es weder gestiegene Gefahren noch Kriminalität rund um solche Unterkünfte gibt. „Nach Aussage der örtlichen Polizei gibt es in der Umgebung der Flüchtlingsunterkünfte in Steglitz-Zehlendorf keinen Anstieg an Kriminalität. Vielmehr sorgen die dort eingesetzten Wachschutzleute dafür, dass es von außen keine Übergriffe auf die Unterkünfte gibt, die es an anderer Stelle in Berlin und deutschlandweit leider schon hunderte Male gegeben hat“, so Franziska Merkel-Anger und Günther Schulze.

Auch das Netzwerk „Berlin hilft“ kritisiert die Fake-Initiative stark: „Das ganze Vorgehen ist in doppelter Richtung perfide: Man versucht, Geflüchtete ebenso wie Unterstützer in einem Zuge zu diskriminieren und Ängste zu schüren. Das ist schon eine neue Qualität, auf subtile Weise Stimmung gegen Geflüchtete und Helfer zu machen. Ob das justiziabel ist, ist noch fraglich. Dass es widerwärtig ist, ist hingegen eindeutig.“

(eb)