Vor ihrem Ruhestand unterrichtete Schnittfachfrau Jutta Jansen 21 Jahre lang in einer Berufsfachschule. Foto: Baumann

Kleider nähen und nebenbei Deutsch lernen – in der Nähstube für geflüchtete Frauen in der Villa Mittelhof ist genau das möglich. Einmal in der Woche kommen dort Frauen mit Fluchterfahrung zusammen und verbringen gemeinsam einen Nachmittag. Unter professionaler Anleitung entwerfen und nähen sie eigene Mode-Kreationen und was noch wichtiger ist, kommen miteinander ins Gespräch.

Seit gut einem Jahr gehört die Nähstube zum Angebot des Stadteilzentrums Mittelhof. Die Idee dazu entstand bereits Ende 2015 in den evangelischen Kirchengemeinden Schlachtensee, Wannsee und Nikolassee. Ziel war es, den in Notunterkünften lebenden Frauen einen Ort zu bieten, wo sie kreativ sein und kennenlernen könnten. Der Mittelhof stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung und engagierte eine erfahrene Schneiderin, die die Leitung der Nähstube ehrenamtlich übernehmen sollte. 

Als Jutta Jansen, Schneidermeisterin mit langjähriger Berufserfahrung, gefragt wurde, ob sie die Gruppe anleiten würde, sagte sie sofort zu. „Wir selbst haben Krieg und Flucht als Kinder erlebt, verbrannte Häuser gesehen“, erzählt Jansen. „Wir können nachvollziehen, wie es den Frauen geht, und deshalb versuchen wir ihnen zu helfen, wie wir eben können.“

Ein wenig Stabilität im Alltag

Das Angebot kommt an. Wöchentlich kommen zwischen acht und zwölf Frauen zum Nähnachmittag. Zum ersten Mal besuchten die meisten die Nähstube, als sie noch in den Notunterkünften in Steglitz-Zehlendorf gelebt haben. Jetzt, wo Turnhallen „freigezogen“ wurden und die Menschen teils in andere Bezirke umgezogen sind, ist die Zahl der Besucherinnen etwas gesunken. Einige Frauen kommen jedoch trotz Umzug weiter nach Zehlendorf. Sie nehmen lange Wege mit Bus und Bahn auf sich, um die Nähstube weiterhin zu besuchen. Eine von ihnen ist Nasibe. Sie nutzte das Angebot schon, als sie noch in der Notunterkunft am Hüttenweg lebte. Seit einigen Monaten wohnt sie nun in Treptow-Köpenick und kommt trotz langer Fahrtwege jede Woche zum „Nähunterricht“.

Die Verantwortliche für die interkulturelle Nachbarschaftsarbeit des Mittelhofs Susanne Strätz vermutet, dass die hohe Motivation der Frauen damit zusammenhängt, dass solche Angebote ihnen Stabilität im Alltag vermitteln. Außerdem seien in der Zeit natürlich auch schon Freundschaften entstanden, sowohl zwischen den Frauen und den Ehrenamtlichen als auch zwischen den Geflüchteten untereinander. „Man könnte von einer Art Integration der einzelnen Gruppen untereinander sprechen“, so Strätz. „Die Frauen kommen aus verschiedenen Ländern und sprechen nicht dieselbe Sprache, hier bei uns kommen sie miteinander aber ganz anders in Kontakt, als es in den Notunterkünften der Fall ist.“ Beim gemeinsamen Nähen wird viel „gequatscht“ – meist auf Deutsch, zur Not auch mit Händen und Füßen. Die Atmosphäre ist ausgelassen und es wird viel gelacht.

Und vielleicht ist es das, was die Besucherinnen „anlockt“. Die Frauen zeigen sich gegenseitig, woran sie gerade arbeiten, probieren die Sachen an, geben einander Tipps. Sie begegnen sich mit Respekt. Und ganz nebenbei kommen sie immer mehr hier an. „Nach einem Jahr stellen wir mit großer Freude erstaunliche Fortschritte in der Sprache bei den Frauen fest“, erzählt Strätz. „Obwohl wir auch eine Ehrenamtliche haben, die uns als Übersetzerin zur Seite steht, wird sie von einigen Frauen, die uns schon länger besuchen, fast gar nicht mehr benötigt.“

Auch beim Nähen machen die Besucherinnen schnell Fortschritte. Wer noch nie an einer Nähmaschine gearbeitet hat, fängt mit einfachen Sachen an. Vorgeschrittene wie Nasibe nähen mittlerweile selbstkreierte Kleider für sich selbst oder ihre Kinder. Am Ende eines „Kurses“ bekommen alle Besucherinnen eine Teilnahmebescheinigung. „Natürlich ist es kein anerkanntes Zertifikat, dennoch haben die Frauen damit etwas in der Hand“, erzählt Jutta Jansen.

Spenden und Helfer sind willkommen

Finanziert wird das Projekt ausschließlich durch Spenden. Nach den ersten Aufrufen vor einem Jahr kamen einige Nähmaschinen und auch Stoffe zusammen. Mittlerweile betreuen insgesamt sechs Ehrenamtliche die Nähstube. Für den Fortbestand des Angebots sind aber auch weiterhin Spenden in Form von Stoffen, Nähmaschinen und Zubehör willkommen. Auch über weitere Ehrenamtliche würde Jutta Jansen sich sehr freuen: „Helfende Hände, nach Möglichkeit mit Schneidererfahrung, kann man nie genug haben.“

(eb)