„Noch ist Geyer nicht verloren“, dieses Fazit zog Norbert Schmidt (CDU) am Donnerstagabend nach einer gut zweistündigen Diskussionsrunde zur Fassade des Glienicker Jagdschlosses im Rathaus Zehlendorf. Der Bezirksstadtrat hatte zu der Veranstaltung eingeladen, weil im Rahmen der Sanierung des Schlosses ein Streit entbrannt ist, welche Fassade denn das Haus erhalten soll: die des Hofbaumeisters Albert Geyer von 1889 oder die von Architekt Max Taut aus den 1960er Jahren.

Mit Unterschriftenlisten kämpft Karin Berning von der Bürgerinitiative Weltkulturerbe Glienicke für die Geyer-Fassade und damit gegen die Entscheidung von Denkmalpflege und Landeskonservator, so auch am Donnerstag.

Das Jagdschloss ist seit Anfang der 1990er Jahre als Teil der Potsdamer und Berliner Schlösser und Gärten UNESCO-Weltkulturerbe. Kriterien für ein solches Denkmal, so legte Berning in ihrem Vortrag da, seien Unversehrtheit und Authentizität – also Echtheit in Form und Gestaltung ,aber auch in Geist und Gefühl. Gerade letztes vermochte sei bei der sogenannten Taut-Fassade nicht zu erkennen. Auch das Argument, dass alle Zeitschichten eines Denkmals erhalten bleiben müssen als Argument für den Glaserker wollte sie nicht gelten lassen. Denn es gebe da noch die Gymnastikhalle, die ebenfalls von Taut errichtet wurde und die nicht zur Debatte stehe. Auch als Symbol für den Mauerbau eigene sich die Taut-Fassade nicht, denn sie wurde bereits vor dem Bau der Mauer 1961 errichtet, wie Berning mit einem Bild aus dem Jahre 1960 belegen konnte.

Viele Mitstreiter sah Berning auf ihrer Seite: den Bezirk, die zuständige Architektin und die Untere Denkmalschutzbehörde. Doch die entscheidende Behörde sprach sich für Taut aus – die Icomos, das beratende Gremium der Weltkulturerbe-Kommission. Die habe sich auf die Charta von Venedig berufen, die keinen Rückbau bei Denkmalen erlaubt. „Das hat Geyer das Genick gebrochen“, so Berning, denn das Landesdenkmalamt und der Landeskonservator berufen sich auf diese Aussagen der Icomos.

Landeskonservator Prof. Dr. Jörg Haspel war zur Diskussionsrunde erschienen und musste sich von Schmidt die Frage gefallen lassen, was er eigentlich gegen Geyer habe.

Die „Biografie des Hauses“ bewahren

Nichts, erklärte er, und ging auf den Anlass für die Sanierung des Jagdschlosses zurück: der Brand des Südflügels 2003. Der Berliner Landesdenkmalrat habe sich 2005 für die Tautschen Veränderungen entschieden, weil sie ein „Teil der Biografie des Hauses“ seien. Sie seien Reaktionen auf die zeitgenössischen Umstände. Diese Entscheidung sei damals mit allen Beteiligten diskutiert und niemals negiert worden, betonte Dr. Haspel, so dass die Glasfassade 2008 genehmigt wurde. Erst 2011 wurde beantragt dies zu ändern, weil „der Bezirk die gemeinsame Linie verlassen hat“.

„Was spricht dagegen 2012 klüger zu sein als 2010?“, fragte Dr. Uwe Lehmann-Brauns, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, der die Tautsche „Verunstaltung“ als „Verletzung, Verwundung“ begreife. Für ihn sei nicht einzusehen, dass „die Gnade des Brandes“ nicht genutzt werde, um die Geyer-Fassade wiederzuerrichten, sondern um die Taut-Fassade „wiederreinzuschlagen“. An die Zeit des Umbaus und die Gründe könne eine Tafel erinnern. „Es gibt niemanden in der Stadt, der Taut will“, so Dr. Lehmann-Brauns, allerdings erntete er dafür Widerspruch aus dem Publikum und korrigierte „alle wichtigen Leute in der Politik“ seien für Geyer, unter anderem auch der Regierende Bürgermeister und das Bezirksamt. Er hoffte, Dr. Haspel an diesem Abend wenn schon nicht zu einem „Ja“ zu Geyer wenigstens zu einem „Jein“ zu bewegen.

Annette Ahme von der Bürgerinitiative Schöne Mitte – Schöne Stadt, die die Moderation übernahm, wies darauf hin, dass es gar nicht um die Frage ginge, ob Taut erhalten werden solle oder nicht. Denn die Glasfassade sei kaputt, so dass es um die Frage ginge, ob Taut wiederaufgebaut werden sollte. Und bei dieser Frage werde es sicherlich andere Stellungnahmen geben als in der Vergangenheit, war sich Ahme sicher, die das Betreten des Jagdschlosses durch den Tautschen Erker als „körperlichen Angriff“ empfunden habe.

„Zerstörung konserviert“

Auch aus dem Publikum gab es wenig Unterstützung für Taut. Der Erker sei nicht 1:1 zu rekonstruieren, hieß es dort. Mit dem Wiederaufbau des Erkers werde die „Zerstörung konserviert“, fand ein anderer. Zudem seien Tautsche Änderungen an anderen Stellen doch auch zurückgenommen worden, wurde angeführt.

Im Publikum saß auch Wolf-Borwin Wendlandt, der 25 Jahre lang im Landesdenkmalamt gearbeitet hatte und das Jagdschloss nach dem Brand betreute. Er bescheinigte Taut, „respektlos mit jedem Stückchen Stein umgegangen“ zu sein, sprach sogar von einem „Meisterstück der Vergewaltigung“. Das gesamte Innere sei von Taut geändert worden. Die Rekonstruktion der Fassade sein nicht möglich, sondern nur „ein Neubau in der Anmutung von Taut.“

„Ich bin für Geyer, aber ich mag auch Taut“, bekannte Achim Förster. Der Architekt habe provozieren wollen, aber nicht zerstören. Seine Fassade jetzt wiederaufzubauen würde ihn in ein schlechtes Licht rücken, denn sie sei umstritten und hässlich. Auch ohne die Fassade gebe es genug Spuren Tauts am Jagdschloss. Sollte man sich jedoch für den Glaserker entscheiden, dann solle man den Schlosspark von Babelsberger Seite öffnen, um dem Besuchern den Blick zu ersparen.

Dr. Helmut Maier hatte Max Taut sogar noch persönlich gekannt. Er habe aus Hass auf das preußische Erbe nach den Jahren des Nationalsozialismus diesen „Fehler“ gemacht, der sich nun selbst zerstöre. Es sei die Verpflichtung des Denkmalschutzes dort wieder für „ästhetische Verhältnisse zu sorgen“, fand er.

Fürsprecher für Taut fanden sich an diesem Abend keine im Publikum.

Für Bezirksstadtrat Schmidt war am Ende der Diskussion klar, das das Thema weiterhin diskutiert werde, dass der Bezirk tut, was er kann, damit die Geyer-Fassade wiederhergestellt wird. Und er war sich sicher, beim Landeskonservator Nachdenklichkeit festgestellt zu haben.

(go)