Am 18. Mai wurde in Zehlendorf ein Platz nach der „Stille Heldin“ Lucie Strewe benannt. Foto: Baumann

Der kleine Platz zwischen Busseallee und Fischerhüttenstraße in Zehlendorf trägt seit heute den Namen von Lucie Strewe. Die „Stille Heldin“ versteckte während des Zweiten Weltkriegs jüdische Mitbürger in ihrer Wohnung und bei Bekannten und rettete sie damit vor Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten. Die feierliche Platzbenennung fand um 12 Uhr im Beisein von Freunden, Familienangehörigen, Bezirkspolitikern und zahlreichen Anwohnern statt.

Lucie Strewe, geborene Schotten, wurde 1887 als Tochter eines Richters in Hilders bei Fulda geboren. Mit 18 Jahren verließ sie das elterliche Haus und zog nach Frankfurt am Main. Dort lernte sie ihren zukünftigen Ehemann, Theodor M. Strewe kennen. Gemeinsam zogen sie in die Schweiz und heirateten dort. Anschließend lebte das Paar 12 Jahre lang in China. Dort wurden auch die beiden gemeinsamen Söhne geboren. Später kehrte die Familie zurück nach Deutschland und lebte fortan in Zehlendorf. Erst wohnten sie in der Spanischen Allee und im Albiger Weg, später in der Fischerhüttenstraße.

Kurz nach der Machtergreifung Hitlers begann Strewe, den verfolgten Jüdinnen und Juden zu helfen. Einer ihrer Schützlinge war zum Beispiel Josef Scherek, Warenhausleiter beim Tietz & Karstadt Konzern. Sechs Monate lang lebte er auf einem Paddelboot im Wannsee. Im Winter versteckte Lucie Strewe ihn in ihrem Haus und in anderen Quartieren, die sie organisierte. Damit riskierte sie ihr eigenes Leben und das ihrer Familie.

Für ihren mutigen Einsatz wurde Strewe 1966 vom Berliner Senat als „Unbesungene Heldin“ gewürdigt.

Die „Stille Heldin“ wurde 94 Jahre alt. Sie starb 1981 und wurde auf dem Waldfriedhof in Zehlendorf beerdigt.

Eine neue Bank, gespendet von der Lucie-Strewe-Stiftung, erinnert an die mutige Heldin und lädt zum Verweilen ein. Foto: Baumann

Für die Benennung des Platzes nach der „Stillen Heldin“ hatte sich im Besonderen Dirk Jordan eingesetzt. Der Lokalhistoriker hatte zum Schicksal der „Stillen Helden“ in Zehlendorf recherchiert und ist dabei auf Lucie Strewe aufmerksam geworden. Er stellte intensive Nachforschungen an, die ihn bis nach Australien, zu den Angehörigen von Lucie Strewe, führten. Anschließend schrieb er einen großen Zeitungsartikel über sie, den er beim Tagesspiegel veröffentlichte. Außerdem erwähnte er Strewe und ihr Wirken in seiner Broschüre „Bekenntnisgemeinde und Nazi-Refugium Schlachtensee 1933-1945“. „Diese Heldin darf nicht vergessen werden“, sagt er.

Jordan war es auch, der die Steglitz-Zehlendorfer Bezirksverordneten auf die „Stille Heldin“ aus dem Bezirk aufmerksam machte. 2017 hatte dann die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einstimmig beschlossen, den Platz in der Fischerhüttenstraße, in unmittelbarer Nähe ihres ehemaligen Wohnorts, nach Lucie Strewe zu benennen.

Verwandte aus aller Welt zur Platzbenennung angereist

Zahlreiche Familienangehörige aus Deutschland, Australien, Neuseeland und den USA haben sehr lange Wege auf sich genommen, um bei der Platzbenennung am heutigen Freitag dabei zu sein. „Meine Mucha [so wurde Lucie Strewe von ihren Enkeln genannt] setzte sich stets für Menschlichkeit ein“, sagte Strewes Enkelin bei der Feier. „Sie gewährte Menschen Unterschlupf und bot ihnen Unterstützung, wo sie nur konnte. Sie tat es nicht, um sich als Heldin zu präsentieren, sondern weil es für sie eine Selbstverständlichkeit war. Wir alle sollten uns ein Beispiel an ihr nehmen.“

Der bisher namenlose, unscheinbare Platz hat nun nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine neue Bepflanzung bekommen. Die 2016 gegründete Lucie-Strewe-Stiftung, die sich nach ihrem Vorbild für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit einsetzt, hat eine Bank gespendet, die zum Verweilen und Nachdenken einlädt.

(eb)

Tipp: Am heutigen Freitag um 18 Uhr wird im Bali-Kino, Teltower Damm 33, in Anwesenheit von Strewes Familienmitgliedern der Film „Die Unsichtbaren“ gezeigt. Außerdem zeigt das Kino einen Kurzfilm über die „Stille Heldin“, den ihr Enkel Chris Strewe erstellt hat.