Stadion Lichterfelde. Foto: Denkmalschutzbehörde

Eingebettet in der Mitte des Ortsteils Lichterfelde beherbergt das Stadion Lichterfelde einen der wichtigsten Vereine Berlins. Nein, nicht die 1892 in der Rosenthaler Vorstadt geborene, heute 125 Jahre junge Hertha, sondern den FC Viktoria Berlin 1889. Ein Stadion für 4.300 Zuschauer mit einer heute – warum auch immer – blauen Laufbahn, könnte in naher Zukunft Drittligafußball bieten. Es bestehen Ambitionen aufzusteigen und nach Hertha und Union der dritte Fußballprofiverein Berlins zu werden. Dann gäbe es vielleicht Partien gegen den Karlsruher SC oder 1.FC Magdeburg zu bestaunen – und ein Baudenkmal.

Das Stadion liegt relativ zentral im Ortsteil zwischen Teltowkanal und Ostpreußendamm und ist zum S-Bahnhof Lichterfelde West (S1) circa zweieinhalb Kilometer und Lichterfelde Ost (S25) circa einen Kilometer entfernt. Die beiden am Stadion haltenden Buslinien 186 und 360 fahren zum S-Bahnhof Grunewald, Rathaus Steglitz und Lichterfelde Ost. Das Stadion liegt direkt am Teltow-Kanal und gegenüber dem Charité-Krankenhaus-Standort Benjamin Franklin. Im Norden grenzt die Kleingartenanlage Steglitzer Hafen an und ein BSR-Betriebshof, im Süden eine gründerzeitliche Villenbebauung. Die weitere Umgebung wird geprägt vom Schloßpark Lichterfelde und dem Uferpark am Teltowkanal.

Nach eigenen Angaben stellt Viktoria Deutschlands größte aktive Fußballabteilung mit mehr als 1.600 Mitgliedern in rund 65 verschiedenen Teams. Gegründet wurde sie in Tempelhof und war vor dem Ersten Weltkrieg einer der Spitzenvereine des deutschen Fußballs. 1908 und 1911 gewann die Viktoria die Deutsche Meisterschaft und stand 1907 und 1909 im Endspiel. Heute spielt die „erste Männer“ in der viertklassigen Regionalliga Nordost – letzte Saison um den Aufstieg. Die „erste Frauen“ spielt seit der Saison 2014/15 in der gleichen Liga. Der Verein zeichnet sich durch nachhaltige Jugendarbeit aus, Breitensport, die Teilnahme an der Blindenfußball-Bundesliga und durch verschiedene Sozialprojekte mit Kitas, Schulen und Feriencamps. Während der Fußball-WM 2006 diente das Stadion als Trainingsstätte der schwedischen und brasilianischen Nationalmannschaft. Für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 wurden Teilbereiche modernisiert: Das Stadion erhielt seine blaue Laufbahn und dient bei Weltmeisterschaften als Trainingsanlage. Der Landessportbund Berlin wählte es 2009 zur Sportstätte des Monats.

Stadiongebäude

Das Stadion Lichterfelde entstand in den Jahren 1926 bis 1929 und wurde seither nur geringfügig verändert. Es kamen eine Kampfbahn, fünf Übungsfelder, drei Aschenbahnen, zwei Spiel- und Lagerwiesen und drei Tennisplätze hinzu. Während der Zeit des Nationalsozialismus hieß die Anlage „Adolf-Hitler-Stadion“. Nach Kriegsende wurde ein Teil des Geländes von US-Truppen als Baseballplatz genutzt, der übrige Teil von der Bevölkerung als Kartoffelacker. Der Wiederaufbau erfolgte von 1949 bis 1951.

Von den 4.300 Zuschauerplätzen sind 1.800 Sitzplätze (davon 800 überdacht) und 2.500 Stehplätze. 1991 wurde die Anlage aufgrund ihres geschichtlichen und künstlerischen Zeugniswertes sowie ihrer Bedeutung für das Stadtbild in die Denkmalliste eingetragen. Geplant hat das Stadion der Steglitzer Stadtbaurat Fritz Freymueller unter Mitarbeit von Stadtbaumeister Müller und Architekt Butsch im Stil des Expressionismus mit Elementen der Neuen Sachlichkeit. Die fast symmetrisch konzipierte Anlage besteht aus einer den Vorplatz rahmenden, geschwungenen Zweiflügelanlage. Der zentrale Treppenturm dominiert als runder Gelenkbau die Tribüne mit Torgebäude im Osten und der Umkleide- und Sanitärtrakt mit einem weiteren Torgebäude im Westen. In den Gebäuden sind des Weiteren Wohnungen für den Platzwart, Heizungsanlage, eine Gaststätte und Räume für Turnen und Gymnastik untergebracht. Vorgesehen waren zunächst auch Tennisplätze und eine Badeanstalt. Der Treppenturm ist als Landmarke aus roten Ziegeln errichtet und wird im Inneren mit einer freigespannten, filigranen Wendeltreppe erschlossen. Er akzentuiert den Vorplatz mit den beiden Torgebäuden und kontrastiert die groß angelegten Putzflächen. Leider ist die ursprüngliche Einfriedung zwischen den Torgebäuden heute nicht mehr vorhanden und der Vorplatz mit Werbung und unschönem Stadtmobiliar verstellt. Insgesamt aber blieb die Anlage mit ihren wichtigsten Gestaltungsmerkmalen erhalten.

Stadion Lichterfelde, Ostpreußendamm 3-17. Foto: Denkmalschutzbehörde

Die architekturgeschichtliche Bedeutung des Stadions liegt in der eigentümlich gedrehten Grundrissanordnung und den geschwungen ausgebildeten Baukörpern. Die Anlage ist ein seltenes Beispiel, das an die utopischen Entwürfe der „Gläsernen Kette“ erinnert. Die künstlerische Bedeutung manifestiert sich in der Gruppierung der Baukörper, der Formensprache und prägnanten Materialwahl des Gesamtkomplexes. Die Bedeutung für das Stadtbild zeigt sich in seiner landschafts- und platzbildenden Kulisse.

Das Stadion wurde in zeitgenössischen Architekturzeitschriften publiziert (Bauamt und Gemeindebau 11 (1929, Die Baugilde 11 (1929), Moderne Bauformen (1930), Bauwelt 22 (1931) und hat von seinem hohen Stellenwert bis heute nichts verloren.

Text: Oliver Jahn
Redaktion: Dr. Jörg Rüter
Denkmalschutzbehörde