Zuletzt wurde das Stadtbad Steglitz als Theater, Café und Event-Location genutzt. Archiv-Foto: Gogol

Zu seinem 100sten Geburtstag sollte das Stadtbad Steglitz, in der Bergstraße 90, saniert und modernisiert wieder in Betrieb gehen. 2002 hatte man das Wasser abgelassen und das Gebäude nach einem Interessenbekundungsverfahren 2004 für den symbolischen Euro an einen privaten Betreiber übergeben. Der Berliner Tag des Offenen Denkmals würdigte es auf der Titelseite seines Programmheftes und die zuständige Senatorin lud die Presse auf den Grund des Beckens. Doch nach zehn Jahren Interimsnutzung als „coole Eventlocation“ musste der Bezirk den Kaufvertrag rückabwickeln. Dieses Jahr wird das Stadtbad 110 Jahre alt. Und ein Betreiber für das Bad wird weiter gesucht.

Das in einem bunten Mix aus Jugendstil und Historismus ausgestattete Vorzeigeobjekt nach Plänen des aus Heide stammenden Gemeindebaurat Richard Blunck eröffnete am 8. Juli 1908 in der größten Landgemeinde Preußens seinen Betrieb. Das heißt, es unterschied sich erheblich von Berlins öffentlichen Bädereinrichtungen, die zugunsten der im Magistrat vertretenen privatwirtschaftlichen Bäderlobby über keine Luxusabteilungen wie russisch-römisches Dampfbad, elektrisches Lichtbad, Massagebänke und Therapiebereiche verfügen durften. In Steglitz, das seinen stärksten Bevölkerungszuwachs zwischen 1905 und 1909 mit 74 Prozent erlebte, entwickelte man hingegen eine attraktive Kommune als gesunden und alternativen Wohnstandort im Südwesten Berlins und setzte auf die baldigen Stadtrechte.

Die Bergstraße kreuzte in der Nähe des Stadtbades die Berlin-Potsdamer Eisenbahn und war zum Zeitpunkt seiner Errichtung industriell und landwirtschaftlich geprägt. Das Grundstück des späteren Bades beherbergte eine Gärtnerei und grenzte östlich an die Berliner Vorort-Elektrizitätswerke und nördlich an den Güterbahnhof. Beides war nützlich, konnte man so gemeinsam die Kohleanlieferung und das warme Abwasser des Energieversorgers für die Vorwärmung des Badewassers nutzen. Max Krause, der den Standort ursprünglich als Reserve für seine Papierfabrik vorhielt, verkaufte 1904 an die Landgemeinde um ihres kommunalen Fortschrittes willen zu einem veritablen Vorzugspreis. In Berlin widmete sich Stadtbaumeister Ludwig Hoffmann der neuen, gesundheitspolitisch so wichtigen Bauaufgabe einer wachsenden Großstadt in der Oderberger- und der Baerwaldstraße. Die Basilika, mit ihrem hohen Mittelschiff über dem Schwimmbecken und Seitenschiffen für die Umkleiden wurde in klassischer Kennerschaft römischer Thermenanlagen als geometrische Grundform erkoren. Das Halbrund der abschließenden Apsis inszenierte als architektonischer Blickfang die Sprunganlage. So auch in Steglitz. Hier reichte das Wasser bis auf 2,80 Meter Tiefe. Das Becken maß 9 mal 21 Meter.

Ursprüngliche Pläne, eine zweite Schwimmhalle nur für Frauen zu errichten, nachdem diese bereits 1913 eine eigene Heilbäderabteilung erhalten hatten, wurden in den Zwanziger Jahren von Bürgerinitiativen und Gemeindebaumeister Fritz Freymüller unterstützt. Mit der Weltwirtschaftskrise endeten diese. Bis zu dem kriegsbedingten Kohlemangel 1940 konnte der Betrieb jedoch aufrechterhalten werden. Doch bei der Wiedereröffnung 1949 waren längst nicht alle Schäden behoben. Durch die Berlin-Blockade und die starke Besucherfrequenz aufgrund eines Einzugsbereiches, der weit über die Bezirksgrenze hinaus reichte, verschleppte sich die systematische Wiederherstellung des Bades. Erst 1971-79 erfolgte seine Generalinstandsetzung und 1988 schließlich die Sanierung des Hallengewölbes über dem Schwimmbecken.

Das Stadtbad Steglitz hatte von Beginn an eine enorme sozialpolitische Funktion. Als es entstand, diente es neben der sportlichen Betätigung vor allem der Hygiene und Gesundheit. Das Verhältnis von Schwimmern und Abteilungsnutzern war noch 1958 etwa 1:2. Für die heute gewünschte Wiederinbetriebnahme des Bäderbetriebes werden entsprechende Ergänzungsfunktionen gesucht, die die alten Abteilungen – insbesondere die russisch-römischen – aber auch die in den hinteren Gebäuden anschließenden Einrichtungen wie Wäscherei und Maschinenhalle kreativ einzubinden vermögen. Das Stadtbad braucht ein Betreiberkonzept, das seiner Vergangenheit eine Zukunft verleiht und den zentralen Standort revitalisiert.

Text/Redaktion: Dr. Jörg Rüter
Denkmalschutzbehörde