Heinrich Zille, Strandbad Wannsee, um 1912 © Privatbesitz

Als Anfang des 20. Jahrhunderts das Baden im Wannsee offiziell erlaubt wurde, strömten Badewillige zu Tausenden in den Berliner Südwesten. Den hier wohnenden Villenbesitzern wurden der Menschenandrang und der Lärm schnell zu viel. 1912 schickte eine Gruppe von 28 Absendern, darunter Max Liebermann, einen Brief, in dem sie sich über die Lärmbelästigung am Wannsee beschwerten. Die aktuelle Ausstellung in der Liebermann-Villa widmet sich dem vergessenen „Streit am Wannsee“.

Die Villenkolonien rund um den Wannsee gehörten Ende des 19. Jahrhunderts zu den beliebtesten Orten des Berliner Großbürgertums. Bankiers, Industrielle und Unternehmer ließen sich Villen und Sommerresidenzen am Wannsee bauen, um der Hitze und dem Lärm der schnell wachsenden Großstadt zu entfliehen.

Für viele Künstler, darunter Max Liebermann, wurde das Haus im Grünen zu einer wichtigen Inspirationsquelle ihres künstlerischen Schaffens. Auch Maler wie Philipp Franck oder Hugo Vogel nahmen sich Villen und Gärten der Kolonie zum Motiv.

Doch die Vornehmen und Reichen waren nicht die einzigen, die den Wannsee für sich entdeckten. Mit der Eröffnung der Wannseebahn 1874 rückte der See für Ausflügler aller gesellschaftlichen Schichten in erreichbare Nähe. Spätestens 1907, als das Baden am Wannsee offiziell zugelassen wurde, gab es kein Halten mehr. Aus den Mietskasernen der Hauptstadt strömten die Badegäste zu Tausenden in den Südwesten Berlins. Der vielleicht bekannteste Chronist des Berliner Strandbadlebens war der Künstler und Graphiker Heinrich Zille, der in zahlreichen Zeichnungen das muntere Treiben rund um das Strandbad Wannsee verewigte.

Heinrich Zille, Rund um’s Freibad, 1926 © Privatbesitz

Den vornehmen Villenbesitzern wurde der Trubel schnell zu viel. Im Januar 1912 schickte eine Gruppe von 28 Absendern einen Protestbrief an die königliche Regierung in Potsdam. Das Problem: das „ruhestörende Geräusch“ aus dem Strandbad und den naheliegenden Restaurants, das vor allem durch oft zeitgleich stattfindende Militärkonzerte entstand. Im Brief hieß es: „…die seit einiger Zeit … im Familienbade eingerissenen Zustände machen … eine geistige Konzentration oder ein Ausruhen unmöglich“. Zu den Unterzeichnern des Briefes zählten unter anderem der Verleger Fritz Springer, der Chemiker Franz Oppenheim, der Kommerzienrat Paul Herz und der Maler Max Liebermann.

Die Ausstellung in der Liebermann-Villa, Colomierstraße 3, untersucht den „Streit am Wannsee“ unter künstlerischem Aspekt. Werke von Heinrich Zille, Max Liebermann, Philipp Franck, Hugo Vogel, Paul Paeschke und anderen zeigen die beiden Auffassungen vom Wannsee, die unterschiedlicher nicht sein könnten: einerseits als Rückzugsort für die Berliner Oberschicht und als „Badewanne“ für die bodenständige Berliner Bevölkerung andererseits.

Die Ausstellung ist bis zum 3. Oktober zu sehen. Die Öffnungszeiten sind täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags und sonntags von 9 bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet acht, ermäßigt fünf Euro.

(sn)