Wie ein kleiner Tempel sieht die Villa in Dahlem aus. Foto: Cordia Schlegelmilch, Paul Ziegert

Wie ein kleiner Tempel sieht die Villa in Dahlem aus. Foto: Cordia Schlegelmilch, Paul Ziegert

Den Typ eines „Kleinhauses für den besseren Bürgerstand“ würde man sich nicht zwingend als Tempelminiatur mit ovalem Zentralraum vorstellen. Otto Kohtz war sich hingegen ganz sicher. 1922 bis 1923, während der verheerenden Krisenjahre – ein US- Dollar kostete 4,2 Billionen deutsche Papiermark, Reichkanzler Stresemann verhängte den Ausnahmezustand – entstand für seine Musik liebende Gattin und den dreiundvierzigjährigen Architekten am Rande eines landwirtschaftlichen Versuchsfeldes in Dahlem ein queroblonger Kammermusiksaal. Die Villa Kohtz an der Schweinfurthstraße 24 ist das Denkmal des Monats Februar.

Die Villa verfügt über einen Empfangs- und Festraum, den ein über das Erdgeschoss aufragender Obergaden belichtet und an den sich in den Ecken des umfassenden Kubus kleine Koch- und Schlafbereiche anschließen. Von der Pergola, die einstmals in die Tiefe des langgestreckten Gartens führte und dem Pavillon, der hier den Blick auf die Felder öffnete, ist leider nichts überliefert. Das verbliebene „Kleinhaus“ aber, ein privates Idyll von Seltenheit, spricht für sich.

Kohtz war kein Unbekannter. Seine Hochhausutopien der Weimarer Jahre wurden in verschiedenen Großwettbewerben gewürdigt. Er ließ auf dem Papier Pyramiden und Turmhäuser in den Himmel wachsen und veröffentlichte dazu viel beachtete Studien. Das Reichshaus am Berliner Tiergarten hätte als Erweiterung des Reichstages die hier noch verweilende „Goldelse“ um ein Dreifaches überragt und eine gigantomanische Kulisse abgegeben.

Ein Blick ins Innere der Villa Kohtz. Cordia Schlegelmilch, Paul Ziegert

Ein Blick ins Innere der Villa Kohtz. Cordia Schlegelmilch, Paul Ziegert

Mit dem Nachlass von Otto Kohtz begann man sich im Architekturmuseum der Berliner Technischen Universität erst erstaunlich spät zu beschäftigen. Seine Verbundenheit zum Alfred-Hugenberg-Konzern, für den er das große Scherl- Verlagshaus in der Jerusalemer Straße, das berühmte Tonkreuz und andere Studiohallen der Ufa noch in den 1940er Jahren bauen konnte, ließ ihn mit seinem Spätwerk weniger visionär als nationalistisch angepasst erscheinen.

1934 ließ Kohtz sein Haus in Dahlem durch einen Portikus zur Schweinfurthstraße hin und einen Wintergarten nach Osten erweitern. Wie sich bei der 2015 abgeschlossenen Wiederherstellung zeigte, wurden die Säulenabschlüsse des Portikus als vollplastische Familienporträts in den Kunststein modelliert und zeigen von rechts nach links Otto Kohtz selbst, seine erste Frau Agnes Kuban, und seinen Onkel Georg, sowie weitere nicht identifizierte Personen.  Die Köpfe waren über Jahrzehnte in einer Übermörtelung versteckt. Die hinter der Kirschholzvertäfelung von 1934 wiederentdeckten und sorgfältig restaurierten Wandmalereien in den Scheiteln des Zentralraums, expressionistische Musikerdarstellungen im Stil eines Karl Hofers, geben bis heute kunsthistorische Rätsel auf. Forschungen in den Berliner Museen und Kunstinstituten führten zu keinen Erkenntnissen.

Das Gebäude wurde seit den 1970er Jahren von der TU als Seminar genutzt. 2011 erwarb es eine Firmenkooperation des Bauhauptgewerbes, die es zu einem Vorzeigeobjekt des Handwerks im Denkmalschutz machte. Für die Wiederherstellungs- und Erweiterungsplanung zeichnete Paul Ziegert.

Dr. Jörg Rüter