Mit seiner wechselvollen Geschichte ist der Wasserturm an der Bergstraße das Denkmal des Monats April. Fotos: Denkmalschutzbehörde Steglitz-Zehlendorf Berlin, A.T.I. Arzneimittel- Information Berlin GmbH, Berliner Wasserbetriebe, Wolfgang Holtz

A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH: So sperrig der Name des Verlags, so sperrig ist auch das Gebäude und dessen Geschichte, in welchem jener seit 1999 residiert. Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. In Fall des Denkmal des Monats April haben die Mediziner um Wolfgang Becker-Brüser sich und den ehemaligen Wasserturm selbst therapiert.

Die seit dem 2.Weltkrieg zunehmend verwahrloste Landmarke auf den sogenannten Rauhen Bergen konnte als seltenes Beispiel einer erfolgreichen „PPP“ – Public Privat Partnership – instand gesetzt, restauriert und einer dauerhaften Nutzung zugeführt werden. Daran zu erinnern, soll anlässlich des diesjährigen Mottos zum Tag des offenen Denkmals „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ anregen und Optimismus verbreiten.
Warum die Rauhen Berge so heißen, wie sie heißen, ist nach ihrer Planierung nur noch schwer vermittelbar. Jedenfalls segelte Otto Lilienthal dort mit seinen Luftgeräten, und während der Weimarer Jahre baute Ernst Lubitsch die abenteuerlichsten Filmkulissen mit Pharaonenpalästen und ägyptischen Sphinxen. Die Landgemeinde Steglitz hatte 1914 auf dem höchsten Punkt des Terrains ihren zweiten Wasserturm verwirklicht. Zu spät, denn sie wurde bekanntermaßen eingemeindet und erhielt ihr Wasser ab 1920 von den städtischen Betrieben.
Das sorgfältig und kunstvoll aufgemauerte Gebäude aber war, wie das Kraftwerk an der Birkbuschstraße,  ein durchaus gelungenes Frühwerk von Hans Heinrich Müller, der Nah- und Fernwirkung meisterlich miteinander zu verbinden verstand. Sein Nachfolger, Baustadtrat Fritz Freymüller, sah sich durch die Nähe zum Friedhof bestärkt, in dem funktionslosen Turm ein Kolumbarium mit mehrgeschossiger Urnengalerie einzurichten.
1933 stand der Rohbau, als ein gewisser Herbert Wilhelm Adolf Treff, der bis dahin als einziger unbesoldeter Stadtrat der NSDAP in Berlin wirkte, Bürgermeister von Steglitz wurde. Statt der schon weit gediehenen Begräbnisstätte ließ er ein „Heldenehrenmal“ für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges fertig stellen und eröffnete dieses 1936 mit einem südlich zum Hünensteig angelegten Aufmarschgelände.
Mit der Arkadenhalle beseitigte man nach dem Zweiten Weltkrieg die Erinnerung an die nationalsozialistische Indienstnahme des Turmes. Die FDP unterstützte 1951 eine Initiative, dort statt dessen an die ehemaligen Ostgebiete und die Heimat der Vertriebenen zu gedenken. Allein der zuständige „Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen“ konnte sich trotz des erfolgreich verabschiedeten Antrages der Bezirksverordnetenversammlung nicht für eine solche Umwidmung erwärmen.
Es folgten Jahre des Leerstandes. Tauben nutzten das Gebäude wie eine überdimensionierte Voliere. Sonstige Eindringlinge wurden mehr oder weniger mit Bretterverschalungen und „Natodraht“ raus gehalten Keine sinn-, geschweige denn pietätvolle Nutzung war in Sicht. Mittlerweile hatte der Friedhof den Wasserturm mit seinen südlichen Flächenerweiterungen umschlungen.
Neben tatsächlich ernst gemeinten Vorschlägen vom Seniorenwohnen bis zum Hotel- und Veranstaltungsort, kursierte eines Tages in der Presse: „Bezirk verhindert Rettung des Wasserturmes durch Christian Anders!“ Der Schlagestar sah den Turm als Zentrum für sein esoterisches Können.
Warum aber in die Ferne schweifen …? Wolfgang Becker-Brüser wohnte schon immer in Sichtweite des Wasserturms. Sein Traum kondensierte zu einem sehr realen Think-Tank kritischer Berichterstattung über Pharmazie und Medizin. Die Parkatmosphäre und der geschickt durch das Berliner Architekurbüro Bozina restaurierte und umgestaltete Zentralraum dienen der Konzentration und erfolgreichen Redaktionsarbeit. Gute Geister füllen seither die Leere eines vielschichtigen Denkmals und verbreiten aus dieser wissenschaftliche Nachrichten in die Welt.
(Dr. Jörg Rüter)