Mit einem offenen Brief wendet sich das Aktionsbündnis Landschaftspark Lichterfelde Süd an den Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Andreas Geisel, um ihm Unterstützung für das Projekt „Mehr Berlin wagen“ zuzusagen. Mit Hilfe des Sofortprogramms „Pilotwohnungsbau für Flüchtlinge“ will Geisel zehn größere städtebauliche Vorhaben nach dem „vereinfachten Baurecht“ beginnen, um so Wohnungen für Flüchtlinge zu schaffen. Ausdrücklich nannte Geisel dabei auch das Bauvorhaben der Groth-Gruppe in Lichterfelde-Süd, wo 500 solcher Wohnungen entstehen könnten. Dazu schreibt das Aktionsbündnis in seinem Brief an den Senator:

„Im Gegensatz zur Groth-Gruppe können wir uns durchaus in Lichterfelde-Süd Wohnungsbau für Flüchtlinge mit absehbar gelingender Integration und Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorstellen, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • Die bestehenden infrastrukturellen und sozialen Defizite insbesondere in der benachbarten Thermometersiedlung müssen beachtet und, soweit dies durch städtebauliche Maßnahmen möglich ist, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes ausgeglichen werden.
  • Es muss anerkannt werden, dass auch bei Wohnungsbau nach „vereinfachtem Baurecht“ geltendes europäisches und deutsches Umwelt- und Naturschutzrecht nicht eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt werden kann.
  • Die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Bauleitplanung bleibt auch bei Wohnungsbau nach „vereinfachtem Baurecht“ unberührt.Die an das Vorhaben der Groth-Gruppe unmittelbar angrenzende Thermometersiedlung gilt als Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf und mit erheblichen infrastrukturellen und sozialen Defiziten. Die beiden örtlichen Grundschulen, die Mercator-Schule und die Giesensdorfer Schule, sind bereits gegenwärtig an ihrer Belastungsgrenze angelangt.

Wohnungsnahe Naherholungsflächen für die angrenzenden Siedlungen fehlen nahezu vollständig.
Vorhandene Kinderspielplätze sind in einem schlechten Zustand und teilweise geschlossen. Die Kinderarmut ist in diesem Stadtteil sehr hoch. Nach dem „Monitoring soziale Stadtentwicklung“ erhalten über 60 v. H. der hier aufwachsenden Kinder bis zum 15. Lebensjahr ihren Lebensunterhalt aus öffentlichen Kassen.

Nicht wenige auch jüngere Männer haben sich mit ihren Familien in einem Leben ohne reguläre Erwerbstätigkeit eingerichtet. Einem bisher noch sichtbaren Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Lichterfelde- Süd wird im Augenblick durch die Groth-Gruppe unter tätiger Beihilfe politisch Verantwortlicher die Grundlage entzogen.

Die örtliche Berliner Tafel „Leib und Seele“ wird durch hinzugekommene Flüchtlinge zunehmend überfordert und die sich hier engagierenden ehrenamtlichen Helfer werden zunehmend frustriert.

Nur dann, wenn die Planungsträger auch bei Wohnungsbauvorhaben für Flüchtlinge die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig über die Ziele und Zwecke der Planung informieren und den Bürgerinnen und Bürgern Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung geben, können sich ein aufgeschlossenes Umfeld und gutnachbarliche Beziehungen zwischen hier schon Ansässigen und aus unterschiedlichen Fluchtgründen neu Hinzukommenden entwickeln. Zu einem guten Gelingen könnte beitragen, wenn Wohnungen für Flüchtlinge nicht in einem abgegrenzten und insoweit isolierten Quartier sondern in Gebäuden geschaffen werden, die auch für andere Wohnungssuchende errichtet werden.

Zu ‚Mehr Berlin wagen‘ gehört unabdingbar, die Stadtentwicklung mit den Bürgerinnen und Bürgern zu gestalten. Die gegenwärtig bekannte Planung für Lichterfelde-Süd steht dem vollständig entgegen.

Ihrer Stellungnahme sehen wir mit großem Interesse entgegen.“

(sn)