Statt Speeddating gab es eine klassische Podiumsdiskussion. Foto: Gogol

Sich mal mit einem Politiker an den Tisch setzen, fragen, was einen bewegt, das wollten das Mehrgenerationenhaus Phoenix und die Seniorenfreizeitstätte Süd in Zehlendorf ihren Besuchern und anderen Interessierten bei einem Speeddating am Donnerstagabend ermöglichen. Doch die Gruppe der Zuhörer war klein und so blieb es dann bei einer Podiumsdiskussion, die aber trotzdem ein breites Spektrum an Themen abarbeitete, von der Altersarmut über Waffenexporte bis hin zur Legalisierung von Cannabis.

Zunächst war es Gastgeber Timm Lehmann, der von den sechs Politikern, darunter die zwei Direktkandidatinnen für Steglitz-Zehlendorf und der Berliner Senator für Justiz und Verbraucherschutz, wissen wollte, bei welche Entscheidung ihrer Partei sie anderer Auffassung waren, sie aber mittragen mussten und wie es ihnen damit geht.

Für Gerald Bader von den Linken, war es der Forschungsreaktor Wannsee, dort vermisse er eine klare Distanzierung seiner Partei. Ute Finckh-Krämer (SPD) erzählte, dass sie gegen das Optionsmodell bei der doppelten Staatsbürgerschaft protestiert habe, es dann aber mitgetragen, weil es von rechts angegriffen wurde. Nun ist das Optionsmodell raus aus dem SPD-Wahlprogramm raus, darüber sei sie froh. Thomas Seerig (FDP) sagte, er habe den Großen Lauschangriff abgelehnt, Frank Thiesen (Piraten) meinte er habe Bauchgrummeln bei der Straffreiheit und Legalisierung weicher Drogen, so ging es auch Nina Stahr von den Grünen, während Thomas Heilmann (CDU) die Sanierung des ICC zu teuer findet.

Dann waren auch schon die Zuhörer dran, ihre Fragen zu stellen. So wie Ines Rosika. Sie wolle den Menschen hinter dem Politiker etwas besser kennen lernen, sagte sie. Deshalb wollte sie gern wissen, warum die Sechs auf der Bühne in die Politik gegangen sind, warum sie sich für die Partei entschieden haben und ob sie schon einer anderen Partei angehört haben. Letzteres verneinten alle, wenn Bader auch zugab, eine Zeit lang mit den Grünen sympathisiert zu haben. Er sei jedoch enttäuscht worden von seinem Idol Joschka Fischer, der in den Krieg zog. Finckh-Krämer und Heilmann berichteten, dass sie bereits seit sie 16 Jahre alt sind, in ihrer jeweiligen Partei waren. Vor allem der Wunsch nach Veränderung, nicht nur zu meckern, sondern selbst aktiv zu werden, war bei allen die Motivation. Und jeder fand in seiner Partei dafür die richtige Basis.

Als es dann in die politische Debatte ging, war es mit der Einigkeit schnell vorbei. Etwa beim Thema Mietpreis. Dass ein Vermieter den Preis bei Neuvermietung erhöhe, ist für Seerig „lupenreine Marktwirtschaft“ und „ein normaler Prozess“, für Bader hingegen „eine Unverschämtheit“. „Wir müssen aufhören, die Wohnungsbaugesellschaften zu verscherbeln“, forderte er und sprach sich dafür aus, die Mietpreise zu deckeln. Stahr verlangt nicht nur eine Mietpreisbremse, sondern appellierte auch an die moralische Verantwortung von Vermietern. Finckh-Krämer zitierte sogar aus dem Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, heißt es da. Deshalb müsse und dürfe die Regierung auch eingreifen, etwa indem Mietpreiserhöhungen gesetzlich geregelt sind durch Höchstgrenzen. Die jetzigen seien ihr zu hoch. Auch Heilmann gab zu, dass bei der „Wohnungspolitik alles schief geht, was schief gehen kann“. Man müsse das Angebot an Wohnungen erhöhen, um die Nachfrage befriedigen zu können. Dabei sei man auf die Hilfe auch privater Investoren angewiesen. Auch er sei für eine Regulierung, die aber nicht zu sehr eingreife.

Ein weiteres Thema, wo die Auffassungen manchmal weit auseinander lagen, war das der Altersarmut. Stahr, Finckh-Krämer und Bader waren sich einig: Es muss eine Mindestrente geben und, um Altersarmut vorzubeugen, auch einen angemessenen Mindestlohn, von dem man leben kann. Die Piraten plädieren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Seerig, der erheblichen Widerspruch aus dem Publikum erntete, als er sagte, dass Teilhabe nicht vom Geld abhängig sei, lehnt Mindestlohn und -rente ab. Das würde Arbeitsplätze vernichten und zu einer Inflationsspirale führen, war sich der FDP-Mann sicher. Heilmann warf den vier Verfechtern von Mindestrente und – lohn „ökonomisches Unverständnis“ vor, es gebe durch die Grundsicherung de facto eine Mindestrente. Als er dann darauf verwies, dass die Regierung zahlreiche von Vollzeitstellen geschaffen habe, gab es Proteste sowohl aus dem Publikum als auch vom Podium.

Julita darf zwar noch nicht wählen am 22. September, doch die 17-Jährige interessiert sich für Politik, besonders für die Außenpolitik. Wie die Politiker denn zu Waffenlieferungen im Ausland stehen, wollte sie deshalb wissen. Auch da herrschte Einigkeit bei SPD und Grünen: Rüstungsexporte beschränken, diese transparenter gestalten und keine Lieferungen in Krisengebiete. Auch Thiesen und Heilmann stimmten dem grundsätzlich zu, wobei Heilmann sagte, dass es doch auch Einzelfälle gebe, wie Israel. Bader war vollkommen gegen Waffenlieferungen, auch Kriegseinsätze lehnen er und sein Partei ab. Seerig fand zwar auch, dass man bei Exporten in Krisengebieten vorsichtig sein musste, betonte aber auch, dass wenn Deutschland keine Waffen liefere, es andere Länder tun würden. Letzteres Argument kannte Julita schon, lehnte es aber ab. Am besten hätten ihr die Aussagen von Stahr und Finckh-Krämer gefallen, sagte sie nach der Diskussionsrunde. Vielleicht wird sie bei der U 18-Wahl einer der beiden ihre Stimme geben.

Auch bei Windfried Rißleben konnten Grüne und SPD punkten. Er habe vor der Podiumsdiskussion geschwankt, wen er am 22. September wählen soll, jetzt kläre sich das Bild so langsam. Vor allem die Ansichten der beiden Direktkandidatinnen über die Mieten und die Altersarmut hätten ihm gefallen, während er Heilmann vorwarf, die Probleme dort zu leugnen. „Heilmann wischt die Themen zur Seite“, fand er.

 (go)