Diskutierten, welche Rolle der Sport beim Thema Inklusion haben kann: Der Vizepräsident des Berliner Behindertensportverbands Stefan Schenk, Carten Wolf, Übungsleiter des BS Steglitz, Moderator Sean Bussenius, Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn und Gudrun Doll-Tepper, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbunds (von links) Foto: Gogol

Dass eine Behinderung einen nicht daran hindern muss, erfolgreich zu sein, das zeigt auf beeindruckende Weise der Film „Gold – Du kannst mehr als Du denkst“, den die Villa Donnersmarck am Mittwochabend zeigte. Der Film porträtiert drei Spitzensportler, die 2012 bei den Paralympics in London an den Start gingen: Henry Wanyoike, blinder Marathonläufer aus Kenia, Kurt Fearnley, australischer Rennrollstuhlfahrer, und Kirsten Bruhn, eine querschnittsgelähmte Schwimmerin aus Deutschland. Letztgenannte war am Mittwoch nach Zehlendorf gekommen, um nach dem Film über den „Inklusionsmotor Sport“ zu diskutieren.

Im Film und auch im Gespräch berichtet die Gold-Schwimmerin, wie schwer es ihr nach einem Motorradunfall 1991 gefallen sei zu akzeptieren, behindert zu sein, „zu denen zu gehören, die eigentlich niemand will“. Und schon gar nicht wollte sie sich sportlich in der Öffentlichkeit zeigen, sagte sie. Der Sport aber habe ihr geholfen. Als sie in London die Goldmedaille erschwamm, musste sie feststellen, dass sie den schönsten Tag ihres Lebens dem furchtbarsten Tag ihres Lebens zu verdanken hatte. „Da hat sich alles umgekrempelt. Da hatte der schreckliche Tag 1991 endlich einen Sinn.“

Kirsten Bruhn war bereits vor ihrem Unfall Sportlerin, machte zunächst aus therapeutischer Sicht weiter Sport. Danach konnte sie auf  ihre alten Strukturen zurückgreifen. Doch wie sieht es mit einem „normalen“ behinderten Menschen aus, der Sport treiben will? Gibt es genügend Angebote, auch unter dem Aspekt der Inklusion?

Ob inklusive oder exklusive Angebote, das sei egal, fand Stefan Schenck, Vizepräsident des Berliner Behindertensportverbands. Viel wichtiger sei es, überhaupt zum Sport zu finden. Alle Angebote – ob Reha-, Breitensport oder olympische Disziplinen – führten zur Teilhabe.

Doch es gibt Grenzen und Hürden auf verschiedenen Ebenen. Zum Beispiel in den Köpfen der Erwachsenen, berichtete Carsten Wolf, Übungsleiter des Behinderten-Sportvereins (BS) Steglitz, von einem Rollstuhl-Turnier, das sein Verein im Stadion Lichterfelde organisiert hatte. Das konnte nicht stattfinden, weil Eltern von Kindern ohne Handicap nicht wollten, dass diese sich in einen Rollstuhl setzen. Hinzu kämen strukturelle Probleme. So sei es schwer, im Bezirk überhaupt Hallenzeiten zu bekommen, gerade für Schwimmer. „Normale“ Vereine täten sich oft schwer mit Inklusion und wenn doch, scheitern sich manchmal an solchen Dingen, dass sie nicht an die richtige Ausrüstung kommen, legte Wolf seine Erfahrungen dar. Bis auf Neubauten seien Sporthallen meist nicht barrierefrei. Bestätigen konnte er auch, was Bruhn über Umkleidekabinen und Toiletten für Schwimmer in Rollstühlen berichtet. Dort sei alles unisex. „Aber ich bin nicht freizügiger als vorher – eher weniger“, betonte sie

Das Thema Hallenzeiten könne man durch Kooperationen mit anderen Vereinen lösen, regte Dr. Gudrun Doll-Tepper, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbunds, an. Dadurch würden auch Begegnungen geschaffen und Barrieren abgebaut, war sie überzeugt. Zudem wies sie darauf hin, dass in der Ausbildung der Übungsleiter auch Module zur Arbeit mit behinderten Sporttreibenden angeboten werden.

„Inklusion darf nicht nur eine Einbahnstraße sein“, betonte Schenk. Auch die Behindertensportvereine müssten offen sein für Menschen ohne Behinderung. Der BS sei das, betonte Wolf.

Dass gemeinsames Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung früh anfangen muss – da waren sich Diskutanten und Publikum einig. Am besten müsse dies schon im Kindergarten passieren. Dann wachsen alle selbstverständlich damit auf.

Ob es dann auch gemeinsame Olympische Spiele geben wird … – das Bundesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“ beziehungsweise „Jugend trainiert für Paralympics“ fand in diesem Jahr immerhin schon in der gleichen Halle statt.

(go)