Feldmarschallsaal, Postkarte um 1900 Foto: Heimatarchiv Steglitz

Feldmarschallsaal, Postkarte um 1900 Foto: Heimatarchiv Steglitz

Kaum ein anderer Gebäudekomplex prägte das Bild und die Geschicke der Villenkolonie Lichterfelde in ihren Anfängen so sehr wie die Hauptkadettenanstalt.

Der Vorschlag für ihre Etablierung im Südwesten Berlins kam 1869 von Kriegsminister Roon, der mit Johann Anton Wilhelm von Carstenn, dem Gründer der Villenkolonie Lichterfelde befreundet war. Carstenn nahm die Idee begeistert auf, erhoffte er sich doch von der Errichtung einer solch bedeutenden Anstalt einen enormen Aufschwung für die im Anfangsstadium verharrende Kolonieentwicklung.

Soldatenkönig Friedrich Wilhelm hatte das preußische Kadettencorps 1717 zur körperlichen und geistigen Ausbildung des preußischen Offiziersnachwuchses gegründet. Die Bildungsanstalt genoss hohes Ansehen und war zunächst in der Friedrichstadt mit 300 Kadetten angesiedelt aber Mitte des 19. Jahrhunderts so ausgelastet, dass man sich Sorgen um den Gesundheitszustand der Kadetten machen musste.

In Lichterfelde gab es zwar ausreichend Platz, die schlechte Anbindung an die Stadt und damit verbundene Baukosten ließen König Wilhelm I. die Zustimmung aber zunächst versagen.

Um diese Standortnachteile auszugleichen, machte Carstenn zahlreiche Zugeständnisse wie die Schenkung des Baugeländes, Beförderung des Baumaterials, Bau eines Wasserwerkes und einer Gasanstalt, Herstellung günstiger Verkehrsanbindungen nach Berlin und vieles mehr. Diese Verpflichtungen sorgten schließlich für die Zusage, trieben ihn aber auch in den finanziellen Ruin.

1873 erschien der inzwischen zum Kaiser proklamierte Wilhelm I. persönlich zur Grundsteinlegung und verlieh dem Koloniebegründer und Kadettenförderer den Adelstitel „von Carstenn-Lichterfelde“.

Nach fünf Jahren Bauzeit bezogen 850 Kadetten die Anstalt. Auf dem über 20 ha großen Grundstück zwischen heutiger Finckensteinallee, Theklastraße, Altdorfer Straße und Baseler Straße entstanden vier große Kasernengebäude, die mit Direktionsgebäude und Unterrichtsgebäude den zentralen Exerzier- und Paradeplatz rahmten. Mittelpunkt und Haupteingang der Anlage bildete das Direktionsgebäude, das auch eine Kirche beherbergte und mit seiner Kuppel schon von weither in der noch dünn besiedelten Landschaft zu sehen war. Da die verkehrliche Haupterschließung über den Bahnhof Lichterfelde Ost erfolgte, wurde auch der Haupteingang an der heutigen Altdorfer Straße angelegt. Das restliche Gelände besetzten Nebengebäude wie Reithalle, Stallungen, Turnhallen und Wirtschaftsgebäude, zusammengefasst von einer großzügig gestalteten Parkanlage. Insgesamt zählte man auf dem Gelände über 20 Gebäude, umschlossen von einer hohen Backsteinmauer, die die Wirkung einer kleinen in sich abgeschlossenen militärischen Schulstadt noch unterstrich.

Die Bauabteilung des Preußischen Kriegsministeriums lieferte die Entwürfe für das komplexe Bauvorhaben. Die Hauptgebäude wurden mit rotem Sichtziegel errichtet, untergeordnete Bauten mit gelbem. Die wenig gegliederten Fassaden waren mit Terrakottadekor und verschiedenen Formsteinen geschmückt, je nach Bedeutung der Häuser. Allen gemeinsam waren die Hinweise auf ihre kriegerische Bedeutung. In der Architektursprache zeigte sich deutlich der Einfluss Schinkels und der Berliner Bauakademie.

Der prunkvollste Raum der Einrichtung aber war der Feldmarschall-Saal im Unterrichtsgebäude, dessen Namen sich von den hier ausgestellten Portraits brandenburgisch-preußischer Feldmarschälle herleitete. Dagegen war der Speisesaal im Wirtschaftsgebäude schlicht gestaltet, bot aber Platz für die Speisung von 1000 Kadetten.

Kaserne III (Geb. 903) 2016 Foto: Denkmalschutzbehörde

Kaserne III (Geb. 903) 2016 Foto: Denkmalschutzbehörde

Der Gebäudekomplex, den heute viele historische Postkarten in Erinnerung halten, war so prächtig ausgestattet, dass Eugen Richter, Reichstagsabgeordneter der Deutschen Fortschrittspartei, nur spöttisch von dem „Kadettenschloss“ sprach.

Der Versailler Vertrag und die darin beschiedene Auflösung aller militärischer Einrichtungen beendete die Nutzung der Gebäude als Kadettenanstalt. Ohne große bauliche Veränderungen bespielte von 1920-1933 die Staatliche Bildungsanstalt „Stabila“ den Gebäudekomplex als Internatsschule.

Diese folgten aber, als von 1933-1945 die sogenannte „Leibstandarte Adolf Hitler“ die Gebäude übernahm. Das heutige Bild von der Finckensteinallee ist überwiegend aus dieser Zeit geprägt. Der Haupteingang wurde auf die Nordseite verlegt, um dort durch Abriss kleinerer Wirtschaftsgebäude einen dem nationalsozialistischen Baustil entsprechenden monumentalen Eingangsplatz zu schaffen. Es folgte der Bau der seinerseits in Europa größten Schwimmhalle, die auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers entstand.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges übernahmen die Amerikaner das Gelände unter dem Namen „Andrews-Barracks“. Die stark beschädigten historischen Kasernengebäude wurden größtenteils abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Mit Abzug der Alliierten fiel das Gelände 1994 an den Bund, der hier eine Außenstelle des Bundesarchivs betreibt. Das neue Herzstück, das Magazingebäude nach Plänen von Stephan Braunfels wurde kürzlich fertiggestellt. Zur Zeit werden die historischen Gebäude aus Zeiten der Kadettenanstalt und des Nationalsozialismus für die Nutzung durch das Bundesarchiv umgebaut und mit dem Neubau verbunden.

Luftbild auf Postkarte um 1900 Foto: Heimatarchiv Steglitz

Luftbild auf Postkarte um 1900 Foto: Heimatarchiv Steglitz

Während die Kadettenanstalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch fest im Bewusstsein der Lichterfelder Bevölkerung verankert war, gibt es heute nur noch wenige Zeugnisse ihrer ursprünglichen Nutzung. Geblieben ist einer der vier großen Kasernenflügel und die Gebäude, die Lazarett und Isolierhaus beherbergten sowie das Lehrerwohnhaus in der Baseler Straße. Die Straßennamen der Nachbarschaft, Kommandantenstraße, Kadettenweg sowie drei Gedenktafeln zeugen noch von der ersten Bestimmung.

Jede der fünf wechselvollen Epochen hinterließ ihre Spuren auf dem weitgehend in seiner ursprünglichen Größe erhaltenen Grundstück. So wird das Stadtbild der ehemaligen Hauptkadettenanstalt von einer nur historisch zu erklärenden Mischung aus Bauten unterschiedlichster Funktionen und Stile geprägt.

Text: Sabine Schmiedeke


Denkmalschutzbehörde