In Zukunft kann auch an den Uferwegen mit angeleintem Hund spazieren gegangen werden. Foto: Gogol

In Zukunft kann auch an den Uferwegen mit angeleintem Hund spazieren gegangen werden. Foto: Gogol

Das saisonale Hundeverbot an Schlachtensee und Krumme Lanke ist aufgehoben. Damit gab das Verwaltungsgericht am Mittwoch einem Kläger recht, der beanstandet hatte, dass die Regelung sofort umgesetzt wurde, obwohl er Widerspruch gegen das Mitnahmeverbot eingelegt hatte. Dieser habe eine aufschiebende Wirkung. Diese stellte das Gericht wieder her, bis in der Sache entschieden wird.

Auch wenn es nicht um das Mitnahmeverbot an sich ging, so machte der Vorsitzende Richter jedoch klar, dass er einige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung habe. Bereits in der mündlichen Verhandlung hatte er festgestellt, dass das aktuelle Hundegesetz weitgehende Regelungen treffe, etwa zum Leinenzwang, zur schonenden Nutzung von Grünanalgen durch Hunde oder die Beseitigung von Verunreinigungen. Bei Verstößen dagegen können Bußgelder erhoben oder sogar der Hunde eingezogen werden. Für eine darüber hinaus gehende Regelung brauche es orts- oder anlassbezogene Gründe. Die sahen das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf und die Berliner Forsten durchaus gegeben. Sie hatten als Gründe den Gewässerschutz, den Schutz der Uferbereiche und vor allem die Konflikte zwischen Erholungssuchenden mit und ohne Hunde angeführt.

„Es gibt keine Nutzungskonflikte“

Für Kläger Dr. Stefan Fuhrmann jedoch waren dies erfundene Gründe. Er kenne keine Nutzungskonflikte, erklärte der Lichterfelder. Auch die Argumentation, dass Hunde an der Leine Wege versperren oder der Schilf geschützt werden müsse, obwohl das schon längst eingezäunt sei, war für den Kläger „beschämend“ und „peinlich“. Für seine Familie und ihn sei der Spaziergang an den Wochenenden mit seinem angeleinten ungarischen Jagdhund ein „Familienereignis“ erklärte er. Den Forsten warf er vor, sich am Ufer der Seen nicht auszukennen. „Es ist völlig realitätsfern, was Sie hier machen“, ärgerte er sich.

Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto und Dirk Riestenpatt vom Landesforstamt schilderten ihre Sicht der Dinge, die sich deutlich von der des Klägers unterschied. Die Zahl der Hunde in Berlin steige kontinuierlich, ein ganzer Geschäftszweig, der Hundeausführservice, habe sich entwickelt, deren Anbieter sich an den Seen mit mehreren Hunden tummeln. Markl-Vieto und Riestenpatt sorgten sich um die Qualität des Wassers und der Grünanlage – als warnendes Beispiel den Grunewaldsee vor Augen. Markl-Vieto legte dem Gericht einen ganzen Aktenordner mit Schreiben von Bürgern vor, die sich für das Mitnahmeverbot an den Seen bedankten, nachdem sie jahrelang die beiden Gewässer wegen der vielen Hunde gemieden hätten. Auch eine Leinenpflicht sei nicht ausreichend. „Es gibt Kinder, die wollen nicht, von einem Hund abgeschleckt werden“, erklärte sie.

Zu wenige Verfahren für ein Verbot

Der Vorsitzende Richter sah vor allem eine Diskrepanz in der Darstellung des Konflikts und der Zahl der Bußgeldverfahren und sprach von einem Vollzugsdefizit. Sechs Verfahren hatte es von 2004 bis zum Inkrafttreten des Hundeverbotes 2015 gegeben. Der Leiter des Ordnungsamtes ergänzte, dass an den beiden Seen zwischen 1. Januar 2014 und April 2016 40 Bußgeldbescheide erlassen wurden – das entspräche 30 Prozent aller Anzeigen im Bezirk. Dass es nicht mehr seien, liege an der personellen Situation – es gibt nur 28 Ordnungsamtsmitarbeiter, also 14 Teams, für den gesamten Bezirk, aber auch an den örtlichen Gegebenheiten. Wenn die Ordnungsamtsmitarbeiter, die Uniform tragen müssen, kontrollierten, spreche sich dies sehr schnell herum und die Hunde würden angeleint. Auch können die Mitarbeiter nicht an allen Stellen des neun Kilometer langen Rundwegs gleichzeitig sein. Zudem können man die Hundebesitzer nicht dazu nötigen, sich auszuweisen, dafür fehle den Forsten die rechtliche Handhabe, erklärte Riestenpatt. So verliefen viele Ordnungswidrigkeiten im Sande. Andere Vorfälle würden oft gar nicht zur Anzeige gebracht.

Der Richter stellte fest, dass ein Mitnahmeverbot erst gerechtfertigt sei, wenn alle anderen Maßnahmen erfolglos blieben. Doch dafür habe das Bezirksamt nicht ausreichend Material vorlegen können.

„Gefahrenabwehr“ für den Sommer

Dass das Mitnahmeverbot für Hunde sofort angeordnet wurde, erklärte der Patrick Schur vom Rechtsamt des Bezirks mit einer „effektiven Gefahrenabwehr“ bezogen auf die Sommermonate. Abzuwarten, wie das Hauptsacheverfahren ende, hätte diesen Sommer gekostet, vielleicht sogar mehr. Das Verbot auszusprechen aber nicht zu vollziehen, wäre ein schlechtes Signal gewesen, ein Zurück zu den alten Gewohnheiten, erklärte Markl-Vieto. Man habe an das Hundeverbot vom Vorjahr anschließen wollen, das überraschenderweise sehr gut angenommen worden war, es hatte kaum Verstöße dagegen gegeben, erklärte sie. Doch das Argument ließ der Vorsitzende Richter nicht gelten, zumal das angesprochene erste Hundeverbot vom Verwaltungsgericht 2015 als rechtswidrig beurteilt wurde. Er zweifelte auch die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen an. Das Mitnahmeverbot sei zu pauschal und müsste differenzierter betrachtet werden, etwa nach Tageszeiten, wo es zu keinen Konflikten kommen werde, oder nach Örtlichkeiten.

Fuhrmann war mit der Entscheidung des Gerichts zufrieden. „Ich freue mich auf einen schönen Sommer mit angeleintem Hund und schöne Spaziergänge“, erklärte er nach der Urteilsverkündung und zeigte sich zuversichtlich für das anstehende Widerspruchsverfahren. Christa Markl-Vieto hingegen war „schwer enttäuscht“ und „tieftraurig“. Man habe die Situation gut geschildert, dass der Richter nun den Hunden Vorrang vor Kindern und Familien einräume, verstehe sie nicht, erklärte sie. Wie es nun weitergehen soll, darüber will man jetzt verwaltungsübergreifend diskutieren, zudem steht in der kommenden Woche die Entscheidung über das neue Hundeverbot an, die man abwarten will.

(go)