Ist Steglitz-Zehlendorf 2017 pleite? Die Rücklagen sind aufgebraucht, erstmals wird der Bezirk einen negativen Haushaltsvortrag ins neue Jahr mitnehmen, für 2017 droht eine Haushaltssperre, sogar unter Kuratel – also die Aufsicht durch den Senat – könnte Steglitz-Zehlendorf gestellt werden.

Mit einem Gesamtdefizit von 7,865 Millionen Euro wird Steglitz-Zehlendorf in das nächste Jahr starten, teilte Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) in Vertretung von Bürgermeister Norbert Kopp (CDU) den Bezirksverordneten auf eine Große Anfrage der Piraten mit. Die Rücklagen von 7,7 Millionen Euro im Jahre 2012 sind „verfrühstückt“. „Wir müssen die Defizite im nächsten Jahr ausgleichen, um nicht unter Kuratel gestellt zu werden“, so Richter-Kotowski. Kopp befürchtet, dass konventionelle haushaltswirtschaftliche Maßnahmen dazu nicht ausreichen werden, sondern strukturelle Einschränkungen notwendig sind. Das heißt, Einrichtungen müssten geschlossen werden.

Schuld an der Misere sei der Senat, der die Bezirke finanziell nicht ausreichend ausstatte, erklärte Richter-Kotowski. So würden die Schulen nach den Schülerzahlen des Vorjahres budgetiert, die höheren Ausgaben aufgrund höherer Schülerzahlen erhalte sie aber nur zu zehn Prozent zurück, führte sie als Beispiel an. Zudem sei Steglitz-Zehlendorf einer der wenigen Bezirke, die noch in den Wertausgleich einzahlten – jährlich 1,35 Millionen Euro. Bemühungen, dort Änderungen zu erreichen, scheiterten, weil der Senat die Bezirke gegeneinander ausspiele. Hinzu kämen strengere Bauvorschriften, die die Baukosten um acht Millionen Euro in die Höhe getrieben hätten, plus höhere Kosten für Hilfen in besonderen Lebenslagen und die Hilfen zur Erziehung, die ein Loch von 6,3 Millionen Euro in den Haushalt gerissen hätten. Das Finanzierungssystem des Senats sei „irre“ und absurd“ erklärte auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Hippe. „Das hat nichts mit Recht oder Gerechtigkeit zu tun, sondern ist kalte, willkürliche Machtpolitik des Finanzsenators“, sagte er. Es fehle den Bezirken an Planungssicherheit. „Die Bezirksämter werden wie Lehnsmänner von der Senatsfinanzverwaltung behandelt“, wetterte Hippe.

Doch das reichte Eric Lüders (Piraten), der die Große Anfrage eingebracht hatte, als Erklärung nicht aus. Nicht nur der Senat, auch die schwarz-grüne Bezirksverwaltung trage eine Mitschuld, dass aus „Steglitz-Zehlendorf ist vielleicht nicht sexy aber reich“, ein „Steglitz-Zehlendorf ist immer noch nicht sexy aber arm“ wurde. Das sei auch nicht plötzlich passiert. Jedes Jahr habe man in dieser Legislaturperiode ein Defizit von rund drei Millionen im Haushalt ausgewiesen und ihn aus den Rücklagen ausgeglichen. Lüders ging von einem strukturellen Defizit aus. Doch das Bezirksamt habe nicht gegengesteuert. Und der schwarz-grünen Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung sei nicht mehr eingefallen, als „merkwürdige Maßnahmen“ zur Gegenfinanzierung, die der Fraktionsvorsitzende als „Buchungstrick“ bezeichnete, die zu einer Verschärfung der Situation beigetragen hätten. „Schwarz-Grün hat Steglitz-Zehlendorf innerhalb von fünf Jahren von einem reichen zu einem armen Bezirk gemacht“, so Lüders Vorwurf. Martin Matz (SPD) warf Schwarz-Grün vor, sich vor notwendigen Entscheidungen zu drücken.

Das wiesen die angesprochenen Fraktionen von sich. Hippe wies darauf hin, dass die Bezirksämter vom Senat aufgefordert wurden, die Rücklagen abzubauen. Die habe man in die Schul- und Sportstättensanierung gesteckt. „Sonst hätten wir Maßnahmen verschieben oder abbrechen müssen“, erklärte er. Die Gefahr unter Kuratel gestellt zu werden, sah er nicht. Die CDU werde alles dafür tun, dass der Bezirk auch weiterhin selbstständig wirtschaften könne, „alles andere ist Selbstentmannung“. Maren Schellenberg, Fraktionsvorsitzende der Grünen, wies darauf hin, wie wenig finanziellen Spielraum der Bezirk überhaupt habe. „Das, was an flexibler Masse da ist, ist fast das, was eingespart werden muss“, sagte sie. Gegen den Vorwurf, die Ämter würden ihre Produkte nicht analysieren und gegensteuern, verwahrte sich Richter-Kotowski. Doch der Senat passe die Werte jedes Jahr an und habe somit eine Abwärtsspirale gestartet.

Damit gab sich Lüders nicht zufrieden. Grüne und CDU hätten es gemeinsam zugelassen, dass der Bezirk in die Pleite rutsche. „Sie haben die Mehrheit, aber sie gebrauchen sie nicht“, so sein Fazit.

(go)