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Interessiert, offen aber auch konstruktiv kritisch – so zeigten sich die Nachbarn der geplanten Flüchtlingsunterkunft am Ostpreußendamm 108 am Montagabend. Das Stadtteilzentrum Steglitz, das die Flüchtlinge unterstützen und gemeinsam mit den Anwohnern eine Willkommenskultur aufbauen soll, hatte die Anwohner zu einer nichtöffentlichen Informationsveranstaltung eingeladen. Nichtöffentlich nicht, weil man etwas verheimlichen wollte, sondern weil es eine Veranstaltung für die Anwohner sein sollte, die in einen geschützten Rahmen ihre Fragen und Ängste los werden sollen, erklärte Moderatorin Daniela Schneider vom Sozialpädagogischen Institut (SPI).

Zunächst brachte Gisela Marina Netzeband, Geschäftsführerin der Neuen Treberhilfe (NTH) Berlin gGmbH, der zukünftige Betreiber der Unterkunft, den Zuhörern den aktuellen Stand der Planungen nahe. Es ist das letzte der sechs geplanten Containerdörfer in Berlin, das dort errichtet wird. 300 traumatisierte Menschen sollen auf dem 15.000 Quadratmeter großen Areal eine Unterkunft finden. Ob dies in zwei oder drei Häusern sein wird, konnte Netzeband noch nicht sagen. Ihre Präferenz ist klar: Je mehr Häuser desto besser. In die Mitte soll ein Verwaltungsgebäude errichtet werden. Das Grün auf dem Gelände soll weitestgehend erhalten bleiben, genauso wie die Crossbahn für Jugendliche, versprach Netzeband. Mitte März/Anfang April sollen die Flüchtlinge kommen.

Es werden voraussichtlich Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak dort unterkommen, erklärte Franz Allert, Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso). Das seien derzeit die Hauptherkunftsländer. Aber auch Menschen aus dem Westbalkan könnten unter den Flüchtlingen sein. Da in dem Heim Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf untergebracht werden sollen, werden es vor allem Kriegsflüchtlinge sein. Wie viele Kinder darunter sein werden, ist noch nicht sicher.

Um die Flüchtlinge werden sich eine Heimleitung, eine Vertretung, 2,5 Sozialarbeiter, eine Pädagogin sowie Dolmetscher, Haustechniker, eine Wirtschafterin und Wachschutz kümmern. „Das reicht auf keinen Fall“, so Netzeband. „Wir brauchen Ehrenamtliche.“ Auch einige Anwohner fanden den Personalschlüssel zu gering. Allert erklärte jedoch, dass es dort noch Anpassungen geben könnte. Die genannten Zahlen seien eine „Mindestausstattung“.

Wie man ehrenamtlich tätig werden kann, wollte ein Anwohnerin wissen. Eine Frage, die Thomas Mampel, Geschäftsführer des Stadtteilzentrums, sehr freute. Die Möglichkeiten seien vielfältig, sowohl direkt in der Einrichtung als auch unabhängig davon im Willkommensbündnis, erklärte er. Vor allem Freiwillige, die die Flüchtlinge zu Ämtern, aber auch bei der Arbeits- und Wohnungssuche begleiten, werden benötigt, so Netzeband. Allerdings sollt man auch die Selbsthilfekräfte der Flüchtlinge unterstützen und nicht nur den Kopf tätscheln. Die traumatisierten Flüchtlinge bräuchten viel Wärme und ein Willkommen, dass ihnen hilft, die Traumafolgen zu mildern, betonte Ex-Senatoren Ingrid Stahmer, die im von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) gegründeten Beirat für Zusammenhalt mitarbeitet.

Sorgen darum, wie die Beschulung bei ohnehin schon überfüllten Klassen funktionieren soll, das interessierte eine andere Einwohnerin. Dazu werden Willkommensklassen eingerichtet, führte Cornelia Seibold, Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin, aus. Dafür werden zusätzliche Lehrer vom Senat bereitgestellt. Die Willkommensklassen sollen an der Mercator-Grundschule eingerichtete werden, die inklusiv arbeite, barrierefrei sei und auch noch über freie Kapazitäten verfüge.

Besonders kritisch sahen die Anwohner, dass die Flüchtlingsunterkünfte sehr nah an die bestehenden Wohnhäuser gebaut werden – so nah, dass man sich gegenseitig auf die Teller schauen könnte, wie eine der dortigen Mieterinnen fand. Sie fürchtete um die Privatsphäre sowohl der Bewohner dort als auch der zukünftigen Nachbarn. „Wir hocken zu dicht aufeinander“, so eine weitere Anwohnerin. Die bisherigen Standorte waren aufgrund der Höhenunterschiede auf dem Gelände ausgewählt worden, erläuterte Netzeband. Man brauchte einen Platz, auf dem die Häuser gerade stehen können ohne zu viel Erde hin und her schieben zu müssen. Man werde die Hinweise aber aufnehmen, versprach Allert. Eberhard Diepgen, Mitglied des Beirats für Zusammenhalt, ermunterte die Anwohner, ihre Anregungen zu den Planungen vorzutragen solange diese noch nicht abgeschlossen seien. Er versicherte, dass dieses so weit wie möglich berücksichtigt werden sollen. Beeindruckt von der ruhigen und sachlichen Atmosphäre zeigte sich der ehemalige Regierende Bürgermeister. Das sei nicht bei allen Veranstaltungen dieser Art so.

Über die Zukunft des Standortes, die Konzentration der Flüchtlingsunterkünfte aber auch Sorgen wegen Demonstrationen und Konflikte mit und innerhalb der Einrichtung – all dieses wurde an dem Abend diskutiert. Wer seine Fragen nicht los wurde, konnte sie dem Stadtteilzentrum Steglitz schriftlich mitgeben.

Weitere Informationsveranstaltungen sind geplant. Das Stadtteilzentrum Steglitz bietet ab 12. Januar zudem Sprechstunden für alle an, die Fragen zu der Flüchtlingsunterkunft haben, Hilfe anbieten oder Anregungen los werden möchten. Die Sprechstunde findet jeden Montag von 17 bis 18 Uhr im Kieztreff an der Celsiusstraße 60 statt.

(go)