Kurator Julius Posener stellt die Biografie Julius Poseners vor. Fotos: Gogol

Sie gingen als Flüchtlinge, um ihr Leben zu retten – sie kamen wieder als „Sieger, Befreier und Besatzer“. Mit einer gleichnamigen Ausstellung widmet sich das AlliiertenMuseum einem kaum untersuchten Kapitel deutsch-jüdischer Geschichte, dem deutscher Juden im Dienst der Alliierten.

Der Zehlendorfer Julius Posener war 29 Jahre alt, als er Berlin verließ. Über Frankreich flüchtete er er schließlich nach Palästina – obwohl er nie ein Anhänger des Zionismus gewesen war. Dort trat er 1941 ins britische Militär ein, nahm am Italienfeldzug teil und erlebte den Sieg der Alliierten im Rheinland. Für den Geheimdienst beobachtete er das politische Leben in der britischen Besatzungszone, kehrte dann nach Großbritannien zurück, dessen Staatsbürgerschaft er annahm. Doch Posener kam zurück nach Deutschland. 1961 wurde er an die Berliner Hochschule für Bildende Künste berufen, war bis zu seinem Tod 2010 als Architekturhistoriker in Berlin tätig.

Ambivalente Rückkehr

Poseners Biografie ist eine von 14, die das AlliiertenMuseumm zeigt, darunter berühmte Männer wie Henry Kissinger, Stephan Heym und Alfred Döblin. 14 Biografien von rund 30.000 deutschen Juden, die zwischen 1933 und 1941 ihre Heimat verließen und als Mitglieder fremder Armeen ab 1944 dorthin wieder zurückkehrten. Es sind Biografien, „die quer stehen zu traditionellen Deutungsmustern“, erklärt Museumsdirektorin Dr. Gundula Bavendamm. Sie unterscheiden sich von den Geschichten über das Leid der Opfer, aber auch von den Erfolgsgeschichten über die Annäherung von Deutschen und Alliierten nach 1945. Gerade diese Annäherung erlebten viele der jüdischen Befreier und Besatzer ambivalent, so Bavendamm. Einige waren bei der Befreiung von Konzentrationslagern dabei, andere mussten nach ihrer Rückkehr nach Deutschland feststellen, dass alle Angehörigen ermordet worden waren. So gingen viele in das Land zurück, für das sie gegen die Nazis gekämpft hatten. Einige blieben vorübergehend in Deutschland, um das Land wiederaufzubauen, wenige blieben für immer.

Die Schau sei nicht repräsentativ, so Bavendamm, aber die gezeigten Lebensgeschichten seien exemplarisch und typisch. Auch eine Frau hat man in die Schau aufgenommen. Celia Treitel, vormals Cilly Treitel, die 14-jährig nach England flüchtete. Dort wurde sie Sekretärin. 1945 folgte sie einem Aufruf der US-Streitkräfte und ging als Sekretärin und Übersetzerin in die amerikanische Besatzungszone.

Schlüsselkompetenz Sprache

Die Männer kamen meist in den Kampfgruppen zurück nach Europa, nach Deutschland. Ihre große Schlüsselkompetenz war die Sprache, so Bavendamm. Sie wurden deshalb bei der psychologischen Kriegsführung eingesetzt, nach 1945 bei der Entnazifizierung oder beim Aufbau des Pressewesens. So wie Ernst Cramer, der als Presseoffizier im Dienst der amerikanischen Streitkräfte stand und als Redakteur für die „Neue Zeitung“ schrieb. 1958 wechselte er zum Axel-Springer-Verlag, war unter anderem von 1983 bis 1999 Mitglied des Aufsichtsrats des Verlages.

Es sei zunächst nicht leicht gewesen, Biografien für die Ausstellung zu finden, so der Kurator der Schau, Daniel Schmiedtke. Es sei ein wenig erforschtes Thema, erst durch die Abschlussarbeit eines amerikanischen Studenten sei man auf die richtige Fährte gestoßen. „Er hat die Dominosteinkette angestoßen.“

30 Biografien waren es schließlich, die das Team gesammelt hatte. Die verbliebenen 14 wurden nach ihrer „Ausstellungsfähigkeit“ ausgesucht, so Bavendamm. Vorhandene Dokumente, Fotos und Erinnerungsstücke ergänzen die Texte. Einer der wertvollsten Gegenstände der Schau ist die Uniformjacke von Walter Reed, vormals Werner Moritz Rindsberg.

„Enemy Aliens“

Neben den Biografien stellen vier Überblickstexte den Kontext zur Zeit und dem Zeitgeschehen her. Sie informieren über Flucht und Emigration, das Leben im Exil, das oft zwischen Euphorie über die neue Freiheit und neuen Ausgrenzungserfahrungen aufgrund fehlendes finanzieller Mittel und Sprachbarrieren pendelte, erläuterte Bavendamm. Zudem galten deutsche Juden in vielen englischsprachigen Ländern als „Enemy Aliens“, als „feindliche Ausländer“. Ihnen gegenüber war man misstrauisch, in Australien wurden sie sogar interniert. Doch aufgrund ihrer Sprach- und Landeskenntnisse wurden sie irgendwann unverzichtbar; ab 1943 waren deutsche Juden in fast allen Armeen, die gegen Hitler kämpften, vertreten.

Die Ausstellung „Sieger, Befreier, Besatzer – Deutsche Juden im Dienst der Alliierten“ wird am 14. März unter anderem im Beisein von Moritz Neumann eröffnet. Neumann ist langjähriges Direktoriumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. Seinem Vater, Hans Neumann, ist in der Ausstellung eine Tafel gewidmet.

Zu sehen ist die Schau bis 1. Dezember täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr im Foyer des Outpost Theaters. Im Rahmenprogramm sind zwei Filmabende sowie ein Zeitzeugengespräch mit Walter Reed geplant. Zur Schau wurde ein Leseheft herausgegeben.

(go)