Die adligen Damen ließen sich für die Schwertleite festlich ankleiden. Fotos: Gogol

Wie haben die Menschen im Mittelalter gelebt? Einen Einblick gibt derzeit die Living-History-Gruppe Wolf im Museumsdorf Düppel. Weit entfernt von dem Brimborium, das Mittelalter-Spektakel bieten, versucht die Gruppe ein möglichst authentisches Bild von der Zeit Richard Löwenherz‘ zu geben.

Es ist alles historisch belegt, was der Verein macht“, sagt Yvonne Back. Sie ist seit September als Magd mit dabei. Alles werde recherchiert, man beziehe sich auf Bild- und Textquellen, um etwa die Symbole oder die Kleidung so exakt wie möglich zu gestalten. Gerade die Kleider seien handgenäht, manche Stoffe sogar selbst gemacht, erzählt Back. Die Schnitte entstünden nach historischen Funden oder Bildern.

Während der Vorführungen wird natürlich auf alles verzichtet, was nicht mit der Zeit zu tun hat – also Uhren, unpassender Schmuck und Brillen. Sogar in Zelten wird geschlafen. Das sei nicht so unbequem wie man denke, denn die werden gepolstert mit Fellen, Loden, Wollstoff oder Strohsäcken. Und bei manchen kommt manchmal auch ein moderner Schlafsack zum Einsatz, verrät Back. Auch bei Tisch halte man es etwas lockerer, da darf dann auch die Magd mal neben dem Adligen sitzen.

Gegessen wird von allen das Gleiche, verrät Köchin Josepha, die seit 14 Jahren für das leibliche Wohl des Vereins sorgt. Die Gerichte stammten alle aus dem Mittelalter, allerdings werden sie ein wenig dem heutigen Geschmack angepasst, erklärt Josepha. Am Sonnabend gab es Brunnenkressesuppe und Lamm mit Honigmöhrchen. Früher wäre das Fleisch vorher gekocht und dann erst gegrillt worden, doch das Kochen habe sie weggelassen, so die Köchin. Das mag heute keiner mehr – und mache auch mehr Arbeit. Zudem müsste es mehrere Fleischsorten geben, doch dafür sei die Gruppe einfach zu klein. Auch bei einigen Gewürzen sei sie zurückhaltender, etwa beim Safran und Muskat.

Die Rezepte seien „freie Interpretationen“, erklärt Josepha. Denn das erste Kochbuch stamme erst vom Ende des 14.l Jahrhunderts. Aber es gebe Listen, aus denen hervorgeht, was gegessen wurde, etwa wenn ein Bischof bewirtet wurde. Welche Gewürze verwendet wurden, weiß sie dank Hildegard von Bingen und alten Arzneimittelbüchern.

Die Faszination am 11. Jahrhundert hält auch André Schulz gefangen. Er gehört zum Franko-Flämisches Contingent (FFC) 1066, eine Gruppe, die eine militärische Abteilung des 11. Jahrhunderts darstellt. Er ist ein Ritter aus dem Niederadel – im 21. Jahrhundert aber Kinovorführer. Und als solcher weiß er, dass es bei historischen Filmen über jene Zeit zahlreiche Patzer gibt. Bei der bisher jüngsten Robin-Hood-Verfilmung beispielsweise liefen die Ritter den ganzen Tag mit Kettenhemden umher – was viel zu schwer gewesen wäre, und tragen Helme, die erst 200 Jahre später im Einsatz waren.

Seine eigene Kleidung ist handgenäht, teilweise gekauft, manchmal sogar maßgeschneidert. Das gelte vor allem für die Helme, erzählt Schulz. Einiges ist auch selbst gebastelt, wie Schilder und seine Schwertscheide.

Vor allem die Waffen fasziniert die Besucher, egal ob Erwachsene oder Kind, männlich oder weiblich. Auch Daniel Bauer fachsimpelt mit einem der Darsteller. Bauer ist aus Pankow angereist zu dem Fest. Er ist fasziniert von der Zeit, von der Einfachheit des Handwerks. Er findet es toll, sich in die Zeit hineinzuversetzen, hat auch schon selbst an Rollenspielen teilgenommen, erzählt Bauer, der mit einem gleichgesinnten Freund angereist ist. Er hat Spaß sagt er, auch wenn es so überraschend anders sei als die großen Spektakel, bei denen immer etwas los sei. Auch das Ambiente des Museumsdorfs mit seinen Hütten gefällt Bauer gut.

Carola Emkow ist zum wiederholten Male bei dem Mittelalterfest. Ihr gefällt die Idylle, „die wahrscheinlich nicht so idyllisch war“, sagt sie. Besonders interessiertt ist Emkow an dertextilenn Fertigung, wie die Nadelbindung oder die Herstellung von Gürteln. Damit beschäftigt sie sich auch in einem Forschungsprojekt in Paraguay.

Wer sich selbst ein Bild machen will vom Mittelalter, von „Minne und Mühsal“ hat dazu noch einmal am Pfingstmontag von 10 bis 17 Uhr die Gelegenheit. Dann berichten die Mägde und Nonnen noch einmal von der Wirkung von Heilkräutern, helfen Zofen ihren adligen Damen beim Ankleiden, wird eine Messe gefeiert – es ist ja schließlich Pfingsten, und ein junger Ritter erhält sein Schwert. Letzter Einlass ist um 16 Uhr.

 (go)