Legal Graffiti sprühen – das wünschen sich viele Jugendliche in Steglitz-Zehlendorf. Und so startete nun das Modellprojekt “Legale Graffitiwand für Steglitz-Zehlendorf”, bei dem Jugendliche sich auf die Suche nach einer geeigneten Wand machen. Der Startschuss fiel in der vergangenen Woche.
Zahlreiche Jugendliche aus dem gesamten Bezirk waren nach Zehlendorf gekommen, um gemeinsam zu überlegen, was aus ihrer Sicht für eine Graffitiwand notwendig ist: Wie soll sie aussehen? Wo soll sie sein – auf dem Gelände einer Jugendfreizeiteinrichtung oder auf einem privaten Grundstück? Wie muss sie angebunden sein, damit sie gut erreichbar ist? Was passiert mit dem Müll – denn Spraydosen gehören in den Sondermüll? Sogar die Idee eines „Wandwarts“ kam auf, der sich regelmäßig um die Wand und deren Umgebung kümmert und Konflikte erkennt, erzählt Karl Maurer.
Maurer ist Sozialpädagoge und Leiter der Jugendarbeit beim Nachbarschaftshaus (NBH) Wannseebahn e.V. Das NBH ist einer von insgesamt fünf Akteuren – die weiteren sind Outreach-Mobile Jugendarbeit Berlin – Team Steglitz-Zehlendorf, Streetlife/Zephir e.V, Käseglocke/Spiel und Action e.V., Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf –, die sich in der Arbeitsgemeinschaft mobile Jugendarbeit zusammengeschlossen haben und das Projekt begleiten.
Unterstützung gibt es von der Graffiti-Lobby Berlin, die sich berlinweit für legale Graffitiwände einsetzt. Und auch im politischen Raum gibt es Zustimmung, so hatte die Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf im Februar 2014 beschlossen, „zeitnah ein einjähriges Projekt durchzuführen, bei dem Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, legal Graffiti zu sprühen“. Das wird nun umgesetzt, dafür gibt es vom Jugendamt Steglitz-Zehlendorf 5.000 Euro.
Die Suche nach geeigneten Flächen ist Sache der Jugendlichen selbst. Sie ziehen in den nächsten Monaten durch den Bezirk, machen Fotos von Flächen, von denen sie denken, dass sie infrage kommen und laden die Bilder dann auf der eigens eingerichteten Facebook-Seite „Modellprojekt legale Spraywand für Steglitz-Zehlendorf” hoch. „Wir wollen eine möglichst breite Basis, die Jugendlichen sollen selbst aktiv werden“, sagt Maurer. Da die Idee für die Graffitiwand von den Jugendlichen selbst kam, wolle man deren Elan mitnehmen. Sie sollen lernen, ihre Interessen aktiv zu verwirklichen und dabei eigene Fähigkeiten ausprobieren und entdecken, so Maurer.
Begleitet wird die Suche von Workshops, die in den verschiedenen Kiezen stattfinden. Neben künstlerischen Themen gibt es dort auch Informationen und Aufklärung rund um das Thema „Graffiti“.
Ziel ist es, dass im nächsten Jahr ein Konzept für die Wand steht und eine oder mehrere Flächen zum Sprühen gefunden wurden.
(go)
Sehr geehrte Frau Gogol,
auch zu diesem weiteren Beitrag zum Thema legale Graffitiwand gäbe es eine Menge anzumerken. Die Leser dürften aber auch die von uns bereits vor zwei Jahren vorgebrachten Argumente im Detail interessieren, was ich hiermit nachhole
.
Wir hatten uns gegenüber dem Bezirk gegen die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für eine Graffitwand ausgesprochen
– da interessierte Jugendliche dann mit finanzieller Unterstützung des Bezirksamtes in der Öffentlichkeit Graffiti sprühen dürfen, was viele Bürgerinnen und Bürger, auch andere Jugendliche ablehnen, die diese Art von Kunst als Schmiererei betrachten,
– weil, wie allgemein bekannt, den jugendlichen „Graffitikünstlern“ durch eine erlaubte Graffitiwand auch der Anreiz verschafft wird, außerhalb der erlaubten Orte wild zu sprühen, sie damit Sachbeschädigungen begehen, somit mit dem Gesetz in Konflikt kommen und sich u.U. zusätzlich wegen Schadensersatzforderungen betroffener Grundstückseigentümer verschulden,
– da die durch illegales Graffitisprühen entstehenden Reinigungskosten nicht nur auf Privateigentümer, sondern auch auf den Bezirk, S- und U-Bahn, die Betreiber der zahlreichen Multifunktionskästen auf öffentlichem Straßenland (Telekom, Vattenfall usw.) usw. zukommen,
– weil dann u.U. Mitarbeiter des Bezirksamtes, aber auch die Stadtreinigung die Hinterlassenschaften des wilden Sprayens, im Ergebnis zu Lasten der Bürger, wieder beseitigen dürfen,
– da Graffitibüchsen Lösungsmittel enthalten, die v.a. bei intensiver, unachtsamer Verwendung der Büchsen gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen können (das hat der Bezirk wohl inzwischen auch erkannt und daher zusätzlich Gasmasken beschafft. Alleine dieser Umstand ist grotesk),
– da die Beschaffung der Graffitibüchsen auch durch Begleitkriminalität finanziert wird,
– weil die für die Graffitwand bewilligten Haushaltsmittel an andere Stelle im Bezirk viel notwendiger benötigt werden, nämlich dort, wo der bezirkliche Haushalt – ganz abgesehen vom Grünflächenbereich, aber alleine, wenn man nur den Schul- und Jugendbereich betrachtet – wegen der allgemeinen Finanznot nicht in der Lage ist, Schulgebäude und Jugendfreizeitheime baulich ordnungsgemäß zu betreuen, Bibliotheken mit Jugendliteratur u.a. ausreichend auszustatten, öffentliche Schwimmbäder in ausreichendem Umfange zu betreiben, damit alle Jugendlichen schwimmen lernen, und weitere, v.a. pädagogische Angebote bereitzustellen, wo mit viel mehr Breitenwirkung alle künstlerisch interessierten Jugendlichen des Bezirkes an viele Formen von Kunst und Kultur herangeführt werden können, und vieles andere mehr.
Eine Schlussbemerkung: Immer dort, wo sich die öffentliche Hand aus ihrer sozialen, auch ihrer pädagogischen Verpflichtung Jugendlichen gegenüber und damit der dem Allgemeinwohl aller Bürgerinnen und Bürger dienenden Verantwortung zurückzieht, ohne die möglichen Folgen zu bedenken, jedoch stattdessen Partikularinteressen – und das ist hier bei der Graffitwand der Fall – bedient, sinkt auch die Bereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger, sich ehrenamtlich zu betätigen. Dies ist nach vielen Jahren intensiver ehrenamtlicher Arbeit auf Grünflächen und Spielplätzen es Bezirkes bei unserer Bürgerinitiative so.
Viele Grüße Dieter Hüsgen, Berlin-Zehlendorf