Die Würfel sind gefallen, die Stimmen ausgezählt: Zukünftig werden in der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf sechs Parteien sitzen. FDP, Linke und AfD schafften den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde, die Piraten scheiterten knapp. Die CDU musste hohe Verluste verkraften, während SPD und Grüne relativ stabil blieben. Hier die Reaktionen der Parteien auf das Wahlergebnis vom Sonntag.

Der große Verlierer ist die CDU. Sie verlor zur Wahl vor fünf Jahren elf Prozentpunkte. Für das schlechte Abschneiden ihrer Partei macht Spitzenkandidatin Cerstin Richter-Kotowski unter anderem die Bundespolitik verantwortlich. „Es war schwierig, bezirkspolitische Themen im Wahlkampf zu platzieren“, sagt sie. Dass sei sehr ungewöhnlich, da die Steglitz-Zehlendorfer in der Vergangenheit sehr gut zwischen Bundes-, Landes und Bezirkspolitik unterschieden hätten. „Es war  unmöglich anzukommen, gegen die schlechte Stimmung im Land“, so Richter-Kotowski. Auch das gute Abschneiden der FDP, die viele als „Protest“ gewählt hätten, habe zu den Verlusten der CDU geführt, so Richter-Kotowski. Die schwarz-grüne Zählgemeinschaft würde sie gern fortsetzen, weil sie sich bewährt hätte, doch noch stehe man ganz am Anfang der Gespräche. Dadurch, dass nun sechs statt vier Fraktionen in der BVV sitzen werden, erwartet Richter-Kotowski, dass die Diskussionen politischer werden, dass mehr miteinander geredet wird. „Das kann für die Demokratie nur gut sein.“

Ein mit 22,6 Prozent überdurchschnittliches Ergebnis gegenüber dem Landesergebnis und einen Bezirksstadtrat mehr – so lautet das positive Ergebnis der SPD in Steglitz-Zehlendorf. Als „Sieger“ will sich der SPD-Spitzenkandidat trotzdem nicht sehen. Das „gebietet die Demut gegenüber dem Votum der Wählerinnen und Wähler“, erklärt Michael Karnetzki, zumal die Partei auch Stimmen verloren hat, wenn auch wenige (-2,3 Prozentpunkte). Das Wahlergebnis bedeutet für Karnetzki: „Schwarz-Grün wurde abgewählt, deshalb waren die Verluste der CDU überdurchschnittlich gegenüber dem Landesergebnis. Und ganz offensichtlich zeigt die Tatsache, dass überdurchschnittlich viele Wählerinnen und Wähler zur FDP gegangen sind, dass die Verluste der CDU nicht alleine durch die Flüchtlingsfrage erklärt werden können, sondern mit allgemeiner Unzufriedenheit mit der Arbeit des schwarz-grünen Bezirksamtes. Dieses Votum sollten CDU und Grüne bei der Entscheidung, ob sie mit ihrer hauchdünnen Mehrheit einfach so weiter machen wollen wie bisher, sehr genau überlegen.“ Über Zählgemeinschaftskonstellation will er nicht spekulieren. „Dafür kommt es darauf an, ein vernünftig arbeitendes kollegiales Bezirksamt zu bilden, das sich um die Sorgen der Menschen im Bezirk kümmert.“

Die Grünen haben ihr Ergebnis von vor vier Jahren in etwa gehalten. Damit sei die Partei zufrieden, sagt Spitzenkandidatin Maren Schellenberg, auch wenn man die 20 Prozent anvisiert hatte. „Was schmerzt ist, dass wir zwei Sitze weniger haben in der Bezirksverordnetenversammlung“, erklärt sie. Bisher waren die Grünen in einer Zählgemeinschaft mit der CDU, nun wolle man sowohl mit der CDU als auch mit der SPD Gespräche führen. Für die neue BVV und das neue Bezirksamt, dem sie voraussichtlich als Bezirksstadträtin angehören wird, erhofft sich Schellenberg eine „bessere kollegiale Zusammenarbeit“. Die Arbeit mit sechs Parteien im Parlament werde sicher anstrengend werden, so Schellenberg, „wir müssen mehr mit den anderen sprechen. Ich bin sicher, dass es mit der Linken und der FDP eine sehr sachliche Zusammenarbeit geben wird.“ Froh ist Schellenberg, dass es keinen AfD-Stadtrat geben wird.

Hochzufrieden zeigt sich Gerald Bader, der künftige Fraktionsvorsitzende der Linken. Die zieht mit drei Sitzen in die neue BVV ein. Sogar eine Möglichkeit für eine rot-rot-grüne Zählgemeischaft sieht er angesichts der schwachen Mehrheit von Schwarz-Grün im Bezirk. Bader weiß aber auch, dass Rot-Rot-Grün ebenfalls nur eine sehr knappe Mehrheit haben würde. Für ihn ist sicher: „Nichts wird beim Alten bleiben, aber ich wäre enttäuscht, wenn die CDU sich von Rechten tolerieren lässt oder wenn sich CDU, FDP und Grüne zu einer Zählgemeinschaft zusammenschließen. Dann würden die Grünen sich verkaufen“.

In der Opposition sieht sich Rolf Breidenbach mit seiner FDP. „Ich bin glücklich und zufrieden. Dass wir mit fünf Bewerbern einziehen, damit habe ich nicht gerechnet, aber es erleichtert die zukünftige Arbeit, wenn wir mehr Kollegen sind“, freut sich Breidenbach, der bereits von 2016 bis 2011 in der BVV gesessen hatte, über den Einzug seiner Partei in die neue BVV. Als Opposition wolle man nun versuchen umzusetzen, was man vor der Wahl versprochen hatte, wie etwa die Digitalisierung des Bezirksamtes. Dass das mit sechs Fraktionen nicht unbedingt einfach ist, weiß er. Doch auch den Piraten sei es in der vergangenen Legislatur gelungen, eigene Themen durchzusetzen. Man müsse sich bei Sachfragen nur einig sein. „Unsere Erfahrungen aus den Jahren 2006 bis 2011 zeigen, dass man auch aus der Opposition heraus Dinge bewegen kann.“

Nicht überraschend war der Einzug der AfD ins Parlament. Aus dem Stand schaffte die Partei 10,5 Prozent der Wähler für sich zu gewinnen. Spitzenkandidatin Sabin Gollombeck hatte aufgrund der Prognosen und ihres „Bauchgefühls“ mit einem solchen Ergebnis gerechnet. Man sei einer einer konstruktiven Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen interessiert, erklärt Gollombeck. „Wir werden uns durch freudige Aufgeschlossenheit umgehend in die politische Arbeit einarbeiten. Dies schließt die Beschäftigung mit den aktuellen Themen des Bezirks ein. Diese sind aus meiner Sicht hauptsächlich die Verwahrlosung des öffentlichen Raumes, der Sanierungsrückstau an den Schulen, die kaputten Straßen und die Sicherheit der Bürger. Der Bürger hat uns seine Stimme gegeben, damit eine kritische Opposition in der Bezirksverordnetenversammlung Versäumnisse anmahnt und die Abhilfe einfordert. Wir werden uns sehr darum bemühen, den Bürgern gegenüber eine transparentere Berichterstattung der Arbeit dieses Gremiums zu ermöglichen.“

Für Eric Lüders, Spitzenkandidat der Piraten und deren Fraktionsvorsitzender in der BVV, ist das knappe Ausscheiden seiner Partei katastrophal. „Ich glaube wir konnten uns gegen den Landestrend im Bezirk nicht durchsetzten. Wir haben fünf Jahre eine sehr gute, konstruktive Arbeit in der BVV gemacht, die aber anscheinend vom Wähler nicht honoriert wurde. Jetzt müssen wir uns sammeln und schauen wie wir weiter arbeiten. Als nächstes müssen wir erstmal die Plakate abhängen.“

 

(go)