Im Rathaus Zehlendorf trugen sich die Mitglieder des Berliner Senats ins Goldene Buch des Bezirks ein. Foto: Gogol

Im Rathaus Zehlendorf trugen sich die Mitglieder des Berliner Senats ins Goldene Buch des Bezirks ein. Foto: Gogol

Eine „flirrige Stimmung wie an Heiligabend kurz vor der Bescherung“, beschrieb Thomas Mampel, Geschäftsführer des Stadtteilzentrums Steglitz, die Stimmung am Dienstagnachmittag im KiJuNa, dem Kinder-, Jugend- und Freizeitzentrum an der Osdorfer Straße. Doch die Mitarbeiter, Ehrenamtlichen, Kinder und Flüchtlinge warteten nicht auf den Weihnachtsmann, sondern auf Michael Müller, den Regierenden Bürgermeister von Berlin. Gemeinsam mit der Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Sandra Scheeres, Bezirksbürgermeister Norbert Kopp, Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto und weiteren Begleitern besuchte er die Einrichtung, um sich über deren Arbeit zu informieren. „Wir wurden noch nie so hochrangig besucht“, so Mampel, der die Gäste empfing. Auch die Kinder, die am Nachmittag ihre Freizeit im KiJuNa verbringen, hatten sich auf den hohen Gast vorbereitet, hielten Müller ein Willkommensplakat entgegen aber auch Wünsche für ihren Kiez.

Das KiJuNa war die vierte und vorletzte Station auf der Bezirkstour des Regierenden Bürgermeisters, die um 10 Uhr im Rathaus Zehlendorf mit einer Senatssitzung begonnen hatte. Dort ging es unter anderem um zwei Themen, die auch den Tag im Bezirk prägen sollten: Flüchtlinge und die wachsende Stadt. „Das sind auch Themen, die den Bezirk betreffen“, sagte Bezirksbürgermeister Norbert Kopp, der den Besuch des Senates in Steglitz-Zehlendorf begrüßte. So könne man sich direkt austauschen, nicht nur über Pressemitteilungen, befand er. Das sei hilfreich, um Klarheit zu schaffen, zum Beispiel in Bezug auf die Flüchtlingsunterbringung in Wannsee. Auch dass die Bürgerämter dringend mehr Personal brauchen, sei beim Senat angekommen, was Kopp sehr begrüßte, doch auch die Arbeitsabläufe müssten angeschaut werden.

Nach einem Gespräch mit dem Bezirksamt und dem Eintrag in das Goldene Buch des Bezirks machte sich Müller in Begleitung auf den Weg durch Steglitz-Zehlendorf. Gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin Cornelia Yzer schaute er sich bei der Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH um. Das am Hegauer Weg ansässige Familienunternehmen entwickelt und produziert Laborgeräte für den internationalen Markt, unter anderem Hochleistungsflüssigkeitschromatographen und Osmometer. Dafür wurde es bereits mehrfach ausgezeichnet. Weiter ging es zum Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft und zur vor kurzem eröffnete Blindenbibliothek an der Rothenburgstraße, deren Bestand mehr als 10.000 Bücher in Brailleschrift umfasst.

Dass es bei einer solchen Tour zu Verzögerungen kommen kann, ist klar. Und so trafen Michael Müller und seine Begleiter mit einer halben Stunde Verspätung im KiJuNa ein. Der geplante Besuch der Kiriat-Bialik-Sporthalle, die derzeit als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt wird, fiel deshalb aus. Schließlich musste der Regierende Bürgermeister pünktlich um 17 Uhr zurück sein im Zehlendorfer Rathaus, um mit Bürgern zu diskutieren und sich deren Fragen zu stellen. Zunächst jedoch stellte er die Fragen, zum Beispiel wie die Koordination der Ehrenamtlichen im Stadtteilzentrum passiere und wie dort Integration aussehe. Veronika Mampel, Ehrenamtskoordinatorin, und Kristoffer Baumann, Leiter des KiJuNa, gaben nicht nur selbst Auskunft, sondern ließen auch die Betroffenen zu Wort kommen. So einen ehrenamtlichen Deutschlehrer, einen von 180 Ehrenamtlich, die derzeit in der Freiwilligen-Datenbank des Stadtteilzentrums erfasst sind. „Ich empfand mich sehr herzlich willkommen und angeleitet“, berichtete er. Das Stadtteilzentrum versorge ihn mit Material, Räumen und Kaffee. Eine andere Ehrenamtliche berichtete von einem eintägigen Seminar, mit dem die Ehrenamtlichen auf ihre Aufgaben vorbereitet werden, indem ihnen rechtliche Grundlagen und interkulturelle Kompetenzen vermittelt, aber auch Anzeichen für Traumata erklärt wurden. Ab 1. Februar wird das Stadtteilzentrum gemeinsam mit der .garage eine Ausbildung zum Flüchtlingshelfer anbieten, denn Mampel geht davon aus, dass die „Regelversorgung“ der Flüchtlinge nicht allein mit Ehrenamtlichen zu stemmen ist.

Doch nicht nur mit speziellen Projekten kümmert sich das Stadtteilzentrum um die Integration, sondern auch durch die alltägliche Arbeit. Das Haus hat ein offenes Angebot, das von den Kindern, die in der Containerunterkunft am Ostpreußendamm untergebracht sind, fast täglich genutzt wird. „Besser kann Integration nicht erfolgen“, findet Baumann.

Das zeigt Früchte. Mittlerweile engagieren sich auch Flüchtlinge als Freiwillige im Stadtteilzentrum. So wie Haida aus Syrien, der seit fünfeinhalb Monaten in Deutschland ist, bereits gut Deutsch spricht und bald studieren möchte. Er dankte den Deutschen dafür, dass sie den Syrern helfen.

Das nahm die Gruppe um Michael Müller als Schlusswort und brach wieder Richtung Rathaus Zehlendorf auf, wo rund 30 Bürger auf ihn warteten, um ihm Fragen zu stellen oder einfach nur zuzuhören. Auch dort waren Flüchtlinge und wachsende Stadt wichtige Themen. So befürchtete eine Wannseerin ein Ghetto in Heckeshorn, wenn dort, wie Müller bestätigte, nach und nach 1.400 bis 1.500 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Diese Befürchtung teilt Müller nicht. Zwar sei das eine Belastung für die Anwohner, das wolle er auch nicht schönreden. Doch man werde dort weitere Infrastruktur schaffen und versuchen, die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Ein Ghetto, wäre es, wenn man die Menschen dort sich selbst überlassen würde. Aber genau das soll nicht passieren.

„Integration geschieht über Bildung und Arbeit, das gilt für alle“, so Müller und verwies auf die berlinweit 7.000 Flüchtlingskinder, die in 600 Willkommensklassen lernen. Erste Programme, die Flüchtlingen Ausbildungs- und Praktikumsplätze vermitteln, liefen bereits, „das muss hochgefahren werden“, betont Müller. Obendrauf käme dann noch die Wohnungsnot, die nicht kurzfristig zu lösen sei, weil Bauprojekte Zeit bräuchten. Diese müsse überbrückt werden, eben auch mit Massenunterkünften und Unterbringung in Turnhallen.

Wie er Widerstände gegen Wohnbauprojekte überwinden und die Bürger überzeugen will, wollte ein Lankwitzer von Müller wissen. Der erklärte, dass Politik schneller und besser über geplante Projekte informieren müsse, dass aber auch Bürgerinitiativen verstehen müssten, dass direkte Demokratie ein ergänzendes und kein ersetzendes Instrument sei. Auch Bezirksverordneten und Mitglieder des Abgeordnetenhauses repräsentierten Bürger. Zudem betonte Müller, dass bei einem Zuzug von 40.000 Menschen pro Jahr Wohnungen dringend gebraucht würden. „Da muss man auch mal entscheiden, auch wenn es Widerstände gibt.“

Die Pflege des Glienicker Parks, wie Müller zu den landeseigenen Betrieben stehe, aber auch der Flughafen BER und Zeitverzögerungen sowie Kostensteigerungen bei öffentlichen Bauprojekten waren Themen an diesem Abend, die die Bürger ansprachen. Zwei Fragesteller konnten sogar mit einer Zusage des Regierenden Bürgermeisters nach Hause gehen. Christian Küttner, dem Sprecher der Bürgerinitiative Zehlendorf, sagte Müller zu, dass er, sobald die Variantenuntersuchung zum zweiten Zugang am S-Bahnhof Zehlendorf vorliege, Küttner per E-Mail erfahren soll, wie es dann mit der Entscheidung weitergehe; dem Vorsitzenden des Betriebsrates des Botanischer Gartens sicherte er zu, sich zu informieren, ob und wenn ja warum die Freie Universität die Tarifverhandlungen an der Einrichtung verzögere.

Gegen 18.30 Uhr endete für Michael Müller der Steglitz-Zehlendorf-Tag.

(go)