Die Gäste und Gratulanten strömten in die neue Wohnstätte. Das Haus ist fertig, die Außenanlage noch nicht ganz. Fotos: Gogol

Bereits vor zwei Jahren eröffnete der Verein Autismus Deutschland an der Arno-Holz-Straße in Steglitz ihre Beratungsstelle, am Freitag nun kam die lang ersehnte Wohnstätte dazu.

Es sei alles „noch ein bisschen Baustelle“, sagte der Geschäftsführer des Vereins, Jörg Weber, zur Eröffnung. Die Außenanlage ist noch nicht ganz fertig, doch für den Einzug ist schon alles bereit.

Etwa 16 Quadratmeter groß sind die Zimmer, ausgestattet mit Bett, Schrank und Tisch. Alle Plätze seien bereits vergeben, erzählte Weber später beim Rundgang durch das Haus. Zwei Plätze sind Frauen vorbehalten, der Rest für Männer, da die Krankheit zu mehr als 80 Prozent Männer betreffe.

Damit sich die Bewohner besser orientieren können, gibt es ein Farbkonzept, so sind zum Beispiel die Türen der Wirtschaftsräume immer weiß, die der Wohnräume immer braun. Es gibt auch Gemeinschaftsräume, zum Beispiel eine große Küche, in der die Bewohner zusammen mit den Betreuern kochen können.

2007 hatte die Familie Kehr die Idee für eine Wohnstätte, ließ Weber noch einmal die Geschichte des Hauses Revue passieren. Das passende Haus oder Grundstück zu finden, sei schwer gewesen, dann entdeckte der Verein das ehemalige Jungenwohnheim der Baptisten-Gemeinde an der Arno-Holz-Straße 10. Doch aus technischen, Brandschutz- und weiteren Gründen sei der Ausbau nicht möglich gewesen, fast hätte man aufgegeben, wenn nicht wieder die Familie Kehr so hartnäckig gewesen sei. 2008 erwarb der Verein das Gelände. Zwar sei es andersherum geplant gewesen, doch zuerst entstand in der ehemaligen Villa das Autismus-Zentrum mit Frühfördergruppen, der Kinder- und Jugendambulanz, sozialpädagogischen Gruppen, Freizeitangeboten und Beratungen für Erwachsene.

Die Wohnstätte mit 18 Plätzen sowie zwei Wohnungen entstanden in einem Neubau hinter der Villa, eine Serpentine führt von der Villa einen Hügel hinab. 2,1 Millionen Euro flossen in den Bau, finanziert unter anderem von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie, der Stiftung Mensch und der Elisabeth von Witzleben-Stiftung.

Einen „Meilenstein in der Behindertenhilfe“ nannte Sozialsenator Mario Czaja das Wohnheim in seinem Grußwort, das verlesen wurde. Er lobte die Arbeit des 1971 gegründeten Vereins, neue Wege bei der Betreuung für Autisten zu finden. Das neue Wohnheim biete einen pädagogisch schützenden Rahmen für ein weitgehend eigenständiges Leben. Für Prof. Barbara John, die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, ist das aber nur ein Anfang. Die Einrichtung müsse wachsen, auch an anderen Standorten, da es in Berlin mehrere tausend Autisten gebe. Und auch dem Thema Inklusion widmete sie sich. Wenn diese in ihrer Absolutheit umgesetzt werden würde, bräuchte man keine Häuser wie dieses, das gerade eingeweiht wurde. Aber das sei nicht richtig, denn es biete den Patienten ein Stück Privatheit, Selbstbestimmtheit und einen Rückzugsort.

Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) dankte für das bürgerschaftliche Engagement des Vereins, der ehrenamtlich arbeitet. „Ihnen geht es nicht um Zahlen, sondern um die Menschen, um die Einzelschicksale“.

Doch es wurden an diesem Nachmittag nicht nur Grußworte und Dankesreden gehalten, sondern auch gefeiert. Die „akustische Bauabnahme“, wie John es nannte, übernahm die Werkstatt-Band „Askanier-Rock“, die lautstark Songs von den Beatles, CCR und Scott McKenzie darboten. Autistin Susanne Stechow trug eigene kleine Geschichten vor. Anschließend ging es, mit OP-Überschuhen, durch die neue Wohnstätte.

(go)