Die 97-jährige Tochter Ursula war gekommen, genauso wie Enkel und Urenkel von Hugo Bettmann. Fotos: Gogol

Ein sehr gradliniger, ehrlicher Mann sei ihr Großvater gewesen, erzählte Eveline Esders. Und gerecht. „Zum Geburtstag haben alle Enkel immer das gleiche bekommen“, erinnert sie sich. Am Montag wurde ihrem Großvater Hugo Bettmann zu seinem 140. Geburtstag ein besonderes Geschenk gemacht: ein Stolperstein. Bettmann, geboren 1873 in Nürnberg, gehörte zu den wenigen Überlebenden von Theresienstadt. Zur Verlegung des Stolpersteins war Bettmanns 97-jährige Tochter Ursula gekommen, auch Enkel und Urenkel waren aus München angereist.

Bis 1944 lebte Bettmann relativ unbehelligt in seiner Wohnung an der Halskestraße 41. Geschützt wurde der jüdische Buchhalter durch seine Familie. Bettmann hatte die verwitwete Luise Niederschuh geheiratet, die bereits eine kleine Tochter hatte. Dass sie Christen waren, Bettmann aber Jude spielt keine Rolle. Beide bekamen noch zwei Töchter, die christlich erzogen wurden, unter den Nazis aber den Status als „Halbjüdinnen“ hatten.

Vor der Halskestraße 41 erinnert ein Stolperstein an Hugo Bettmann.

1944 aber konnte auch die Familie den Vater nicht mehr schützen. Doch er wollte sich dem entziehen, erinnerte sich Esders in ihrer kurzen Rede bei der Verlegung des Steines. Es war schließlich eine seiner beiden Töchter, die den Vater fand, der versucht hatte, sich zu erhängen – ein lange gehütetes Familiengeheimnis, wie Dietrich Happ, Enkel von Hugo Bettmanns, erzählt. Nach dem Tod seiner Mutter im vergangenen Jahr hat er zahlreiche Dokumente aus dem Leben seines Großvaters gefunden, der nach seiner Rückkehr aus Theresienstadt kaum über seine Zeit dort sprach. Unter den Dokumenten fand Happ unter anderem eine Feldpostkarte von 1917. Für seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg wurde Bettmann sogar ausgezeichnet, erhielt 1934 das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. „Zehn Jahre später war er dann nur noch Jude“, schüttelte Happ den Kopf.

1945 wurde Bettmann befreit und kehrte in seine alte Wohnung zurück. „Wir sind froh, dass wir ihn noch erleben durften“, so Esders.

Mit mehr als 80 Jahren erkrankte der Witwer, zog zur Tochter Ursula nach Neukölln, wo er die letzten zwei Lebensjahre verbrachte. Eveline Esders erinnert sich noch an das Kaffeetrinken mit dem Großvater, ein Teenager war sie damals. 1959 starb Bettmann.

Eine Geschichte mit Happy End sei die von Hugo Bettmann, so Pfarrerin Dr. Katrin Rudolph, die Vorsitzende des Netzwerks Erinnerungskultur im Kirchenkreis Steglitz. Sie nehme den Schmerz, trotz all der Trauer um die Geschwister von Hugo Bettmann und alle anderen, die die Shoah nicht überlebt hätten. „Es ist schön, in diese Runde zusammen zu sein“, freute sich Rudolph darüber, dass so viele Familienmitglieder Bettmann gekommen waren.

(go)