Bis auf wenige Ausnahmen sprachen sich die meisten Diskussionsteilnemer für eine Umbenennung der Treitschkestraße aus. Foto: Gogol

Es war ein Abend der bekannten Argumente und der Polemik. Die Patmos-Gemeinde hatte zur Podiumsdiskussion eingeladen. Thema: die Umbenennung der Treitschketraße. Als Alternative schlägt die Gemeinde vor, die Straße nach Pfarrer Kurt Scharf zu benennen, der an diesem Ort jahrelang wirkte.

Auf dem Podium hatten Platz genommen: Helmut Ruppel, evangelischer Theologe, der die Frage in den Raum warf, ob Heinrich Gotthardt von Treitschke denn überhaupt Historiker sei. Ruppel wirft Treitschke vor, den Antisemitismus für das Bürgertum salonfähig gemacht zu haben. An seiner Seite saß Dr. Reymar von Wedel, ein Wegbegleiter Kurt Scharfs. Ihn interessierte weniger die Frage nach Treitschke, sondern, dass es endlich eine Kurt-Scharf-Straße geben soll. Dr. Chr. Marx sprach für einen Teil der Anwohner der Treitschkestraße. Nach der Entscheidung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf, die Anwohner entscheiden zu lassen, ob sie den Namen „Treitschke“ endlich loswerden wollen, hat er zusammen mit Gleichgesinnten einen Brief an die Haushalte verteilt, in dem er für eine Umbenennung warb. „Ich möchte nicht länger in einer Straße wohnen, die den Namen eines Mannes trägt, der zu den Wegbereitern des Antisemitismus zählt“, sagte er. In der anschließenden Diskussion äußerten sich einige Anwohner ähnlich. Nicht von jedem in der Runde gab es dafür Applaus. „Dann zieh doch weg“, hörte man es des öfteren an diesem Abend aus dem Publikum zischen.

Auch die Parteien hatten auf dem Podium Platz genommen. Martin Kromm, Bezirksverordneter der SPD vertrat die Fraktion, die den Antrag für die Umbenennung in die BVV eingebracht hatte und für den Namen Kurt-Scharf-Straße kämpft. Benedikt Lux, Grünen-Abgeordneter für Steglitz-Zehlendorf im Abgeordnetenhaus fand ebenfalls, dass es keinen Grund gebe, Treitschke zu würdigen. Ohne dass er einen anderen Namen favorisierte.

Es schienen sich, zumindest auf dem Podium, alle einig zu sein. Bis der Bezirksverordnete Torsten Hippe (CDU) das Wort bekam – und sich zum Buhmann des Abends machte. Er ist gegen eine Umbenennung der Straße. Ihn überzeugten die Argumente der Befürworter nicht, sagte er. Es sei eine Frage des Maßstabes, fand er, die heutigen anzulegen sei nicht richtig. Auch viele andere würden diesen nicht gerecht werden. Er zählte Martin Luther, Karl Marx und Walther Rathenau auf, die ebenfalls sich antisemitisch geäußert hätten. Vor allem als Rathenaus Name fiel, gab es Buhrufe für Hippe. Nicht das erste Mal an diesem Abend. Bereits als er das achte Gebot „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ – als Nächster war Treitschke gemeint, dem Ruppel zu vor jegliche Leistung abgesprochen hatte – gab es laute Ausrufe der Empörung im Raum.

Dann durften auch die Anwohner sich äußern. Und es kam Kritik an der Veranstaltung. Das Podium sei zu einseitig besetzt, fand ein Sprecher. „Sie sind in ihrer Gruppe so sicher, die Wahrheit gepachtet zu haben“, warf er den Veranstaltern vor. Die Frage sei, wie man mit jemandem wie Treitschke umgehe. Aber die einzige Antwort seiner Gegner sei die Umbenennung. Unterstützung bekam der Redner von einem Journalisten im Raum, der die Stimmung ähnlich empfand. Moderatorin Dr. Elisabeth Raiser von der Aktion Sühnezeichen bügelte dieses Argument jedoch mit dem Hinweis darauf ab, dass es bei dieser Veranstaltung darum ginge, sich eine Meinung zu bilden.

Die, die sich anschließend zu Wort meldeten, zeigten sich einmütig in der Ablehnung des Namens Treitschke. Allerdings war auch nur ein Bruchteil der abstimmungsberechtigten Anwohner der Treitschkestraße zur Podiumsdiskussion gekommen. „Sie fühlen sich nicht angesprochen“, bemerkte eine Anwohnerin. Von den Kritikern der Umbenennung, die sich meist nur durch Zwischenrufe bemerkbar machten, wagte sich niemand ans Mikrofon, um seine beziehungsweise ihre Argumente vorzutragen.

Nach gut eineinhalb Stunden beendete Raiser die Diskussion – viel mehr gab es wohl nicht zu sagen.

Am Sonnabend, 10. November, werden die Parteien, mit Ausnahme der CDU, am Boulevard Berlin für eine Umbenennung der Treitschkestraße und die Teilnahme an der Anwohnerbefragung werben.

(go)