Job-Coaching für Alleinerziehende

Seit fast einem Jahr wird Juliane Radtke (rechts) von Uta Gärtner in Einzelcoaching bei der Suche nach einer neuen, familienfreundlichen Arbeitsstelle unterstützt. Foto: Baumann

Beruflicher Wiedereinstieg nach Elternzeit ist nicht immer einfach. Folgt nach der Babypause die Arbeitslosigkeit, gestaltet sich die Suche nach einer neuen Stelle noch schwieriger. Ist man alleinerziehend, scheint sie oft gar aussichtslos. Wie schwer die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle ist, weißt Steglitzerin Juliane Radtke aus eigener Erfahrung. Seit fast einem Jahr bemüht sich die alleinerziehende Mutter um einen neuen Job. Unterstützt wird sie dabei von Uta Gärtner, der Managerin des Projekts Berliner Job-Coaching für Alleinerziehende und Frauen mit Familien- und Pflegeaufgaben von Goldnetz e.V.

„Das Ziel unseres Projekts ist es, Alleinerziehende bei ihrer beruflichen Neuorientierung zu unterstützen.“, so Gärtner. „Das Projekt besteht aus verschiedenen Modulen, die auch verschiedene Ziele haben. Es geht nicht immer nur um Arbeitsstellenvermittlung. Manchmal ist die Vermittlung in eine Aus- oder Weiterbildung sinnvoller. Das Wichtigste ist, dass die Frauen ihre Perspektiven erkennen und auch größere Lücken in ihrem Lebenslauf vermeiden.“, erklärt Uta Gärtner, worauf es beim Job-Coaching ankommt.

„Wenn die Frauen zu uns kommen, wird erst geguckt, welches Modul am besten zu der aktuellen Situation passt. So müssen beim Gruppentraining die Teilnehmer beispielsweise zwölf Wochen lang jeden Tag für vier Stunden hier vor Ort sein. Das funktioniert natürlich nicht bei allen.“

So auch bei Juliane Radtke nicht. Als die alleinerziehende Mutter zu Goldnetz e.V. kam, war sie noch in der Elternzeit und konnte daher nicht am Gruppentraining teilnehmen. Sie wird in Einzelcoaching betreut. Nach einer Umschulung und bestandener Prüfung zur Bürokauffrau sei sie damals schwanger geworden, erzählt sie. Es folgte die Babypause. So hat sie noch keine Erfahrung in ihrem Beruf sammeln können. Nun will sie aber endlich durchstarten. Doch der Einstieg sei sehr schwierig. „Oft kommen die Absagen, noch bevor ich die Chance bekomme, mich bei einem Gespräch vorzustellen “, sagt sie bedrückt. Doch die Hoffnung gebe sie nicht auf, sagt sie lächelnd. “Und wenn ich doch einmal kurz davorstehe, den Kopf einzuziehen und alles hinzuschmeißen, ist Frau Gärtner schnell zu stelle und baut mich wieder auf.“, erzählt Juliane Radtke mit einem dankbaren Blick zu ihrem Job-Coach.

Vereinbarkeit von Job und Familie ist besonders wichtig

Wie Juliane Radtke geht es vielen Frauen. Sie möchten unbedingt wieder arbeiten. „Da die Teilnahme an unserem Projekt freiwillig ist, kommen auch nur die Frauen zu uns, die wirklich motiviert sind und ihre Situation ändern wollen.“, sagt die Projektmanagerin. Dabei ginge es vielen Teilnehmerinnen nicht nur um das Geld. „Sie möchten einfach wieder aktiv werden, eine Aufgabe haben, bei der sie sich gebraucht fühlen, und Anerkennung bekommen.“ Das bestätigt auch Juliane Radtke: „Ich will nicht mehr nur Zuhause sitzen. Nur Mama sein reicht mir nicht mehr […] Und ich möchte auch Vorbild für mein Kind sein. Aber ich möchte natürlich auch weiterhin für mein Kind da sein können.“, sagt die Berlinerin. 

Doch genau das sei bei der Stellensuche oft ein Problem. „Was wir bei unserem Projekt besonders mitkriegen, ist die Wichtigkeit von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das ist ein ganz großes Thema.“ Für Alleinerziehende sei es besonders problematisch, so Gärtner. Es geht nicht darum, einfach nur eine Stelle zu vermitteln, sondern darum, eine Arbeitsstelle zu finden, bei der diese Vereinbarkeit gewährleistet werden kann. „Wir haben zwar einige Arbeitgeber, die den Alleinerziehenden entgegenkommen, aber in den Bereichen wie beispielsweise Einzelhandel, passiert es eher nicht.“ Da seien Schichtzeiten, die von den Alleinerziehenden auf gar keinen Fall eingehalten werden können, erzählt Gärtner. „Der Senatorin Kolat war es deshalb besonders wichtig, ein Projekt zu initiieren, wo es darum geht, den Frauen mit Kindern neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt aufzuzeigen und sie bei der Orientierung zu unterstützen. Und das ist nun unsere Aufgabe.“

Erst Stärken aufzeigen, dann Job suchen

Nach längerer Arbeitslosigkeit haben viele Frauen Schwierigkeiten zu erkennen, welche Stärken sie haben. „Sie sind verunsichert und machen sich oft klein.“, sagt Uta Gärtner. Dabei haben diese Frauen bewiesen, dass sie viele Stärken haben. Als Alleinerziehende müssen sie ihre Familie allein organisieren. Sie sorgen für ihre Kinder und sind bei allen Schwierigkeiten und Problemen allein für die Lösungen verantwortlich. Doch vielen fehle es an Selbstbewusstsein. Und das sei wichtig, um sich bei den Vorstellungsgesprächen gut „verkaufen“ zu können, erklärt sie.

Aus diesem Grund widmen sich die ersten vier Wochen des Trainings genau diesem Thema: Stärken und Kompetenzen. Erst nach diesem, ersten Modul wird geguckt, ob die Teilnehmerin gleich auf die Jobsuche gehen kann, oder ob doch erst eine Aus- oder Weiterbildung nötig ist.

Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen

Warum man immer von Frauen spricht, wenn man von Alleinerziehenden erzählt? „Eigentlich richtet sich das Projekt an Frauen wie an Männer, doch traurige Statistiken belegen, dass ca. 90 Prozent Alleinerziehender weiblich sind. […] Im Moment haben wir zwei Männer in unserem Programm“.

Die Teilnehmerinnen kommen aus allen sozialen Schichten. „Es gibt welche, die haben nicht einmal einen Schulabschluss, aber genauso sind Frauen dabei, die ein abgeschlossenes Studium und ebenso Berufserfahrung haben. Es ist wirklich ganz verschieden.“. Es gibt nur eins, was alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen miteinander verbindet: Sie alle haben Kinder und möchten ihre berufliche Situation verbessern.

Das Jobcoaching zeigt ihnen, wie sie das erreichen können. Im Unterschied zum Jobcenter ist das Coaching viel persönlicher und auch zeitintensiver. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bekommen die möglichen Wege aufgezeigt und profitieren vor der Einschätzung ihrer Chancen von den Coaches. Es geht zwar um die Arbeitsvermittlung, doch genauso darum, Ressourcen freizusetzen, Kompetenzen zu erkennen, Selbstvertrauen wiederzufinden.

Job-Coaching für Alleinerziehende

Das Bild soll visuell darstellen, wie das Projekt funktioniert: Da gibt es Hürdenlauf und steile Berge als Symbol für Schwierigkeiten bei der Jobsuche, aber auch Sonne/Licht am Horizont. Bild: Goldnetz e.V.

Die Erfolge sprechen für sich

Seit 2014 unterstützt das Projekt insgesamt 508 Teilnehmende auf ihrem beruflichen Weg. Bisher schlossen 261 Teilnehmer und Teilnehmerinnen das modulare Gruppen-Trainingsprogramm ab. 49 Prozent davon wurden erfolgreich in eine Ausbildung, Fort- und Weiterbildung oder Erwerbstätigkeit vermittelt.
Das Einzelcoaching wurde bisher von 91 Personen bis zum Ende genutzt. Davon konnten 40 Prozent erfolgreich vermittelt werden.

Dass dieses Projekt in Berlin gut angenommen wird, ist kein Zufall. „Berlin ist die Hauptstadt der Alleinerziehenden. Wir haben hier einen Anteil von 31,9 Prozent. Deutschlandweit liegt er Anteil der alleinerziehenden Eltern bei 20 Prozent.“, erzählt Uta Gärtner. Die Situation kennt sie „aus erster Hand“. Auch sie war alleinerziehend. Daher weiß sie ganz genau, wie die Frauen sich fühlen und wo die Schwierigkeiten liegen. Ihr Verständnis, ihre eigenen Erfahrungen und vor allem ihre Zuversichtlichkeit gibt sie nun gerne an die Teilnehmerinnen weiter.

Am 9. Januar beginnt der nächste Kurs des Trainingsprogramms zur beruflichen Neuorientierung. Der Einstieg in das Einzelcoaching ist individuell. Alle Informationen rund um das Job-Coaching unter www.goldnetz-berlin.org

(eb)