Aller Anfang ist schwer?

Aller Anfang ist schwer?

v.l.n.r.: Charlotte, Teresa, Foto: privat

 

Das erste Online-Semester ist für unsere Autorin geschafft. Das Fazit: Studieren während Pandemiezeiten ist härter, als gedacht. Was bleibt, ist die Hoffnung auf einen neuen Anfang in Präsenz.

Es ist 9.30 Uhr, ein Dienstagmorgen. Heute stehen bis 16 Uhr drei Vorlesungen an, alle online. Das Wetter gibt nicht mehr her, als man es für einen Berliner Spätherbst erwartet: Draußen ist es grau und kalt. Um 10.15 Uhr geht es los, das heißt für die meisten: Einloggen in den digitalen Raum um 10.14 Uhr, auf einen Link ist ja schnell geklickt. Auf meinem Bildschirm sehe ich graue Kacheln, die farblich zum Wetter passen, Gesichter sieht man nicht. Mit jeder Woche nimmt die Teilnehmerzahl in den Online-Vorlesungen ab und meine Frustration zu. Das Studium hat gerade erst angefangen. Aber man sagt ja, aller Anfang ist schwer. Vielleicht trifft dies auch dieses Mal zu.

Nicht nur die Psyche, sondern auch die eigene Konzentration leidet unter dem Online-Studieren. Während Dozierende ihre Online-Vorträge halten, einige Studierende eifrig Fragen und Anmerkungen mittels der Chatfunkton teilen, ist es schwer, wirklich etwas mitzunehmen. Vor allem, wenn es die dritte Vorlesung am Tag ist. Die Ablenkungsmöglichkeiten sind vielfältig: Nebenbei etwas essen oder trinken, Kaffee kochen, aufräumen, Wäsche aufhängen, und so weiter. Hier kann man richtig kreativ werden! Fakt ist: Es ist unmöglich, die ganze Zeit still vor dem Bildschirm zu sitzen oder mitzuschreiben – irgendetwas lenkt immer ab. Einige Lehrende nutzen die Möglichkeit, uns das Material schon vorab zur Verfügung zu stellen. Eine Online-Vorlesung in dem Sinne entfällt dann und somit auch der virtuelle Kontakt mit Lehrenden und Kommiliton*innen. Für uns bedeutet das auch: überfüllte Folien, undeutliche Vertonungen. Selbst für die Referate müssen wir uns nicht treffen. Wir arbeiten von Zuhause aus Berlin, meine Kommiliton*innen sind teilweise deutschland- und europaweit verteilt. Durch unsere technische Ausstattung sind wir vernetzt, aber egal von wo wir uns einloggen, immer sitzen wir alleine vor dem Bildschirm. Die Wochen vergehen, es wird schließlich Winter. Mein wöchentliches Highlight: donnerstags in der Mensa mit ein paar Kommiliton*innen essen und anschließend in der Bibliothek lernen. Durch die sämtlichen Videokonferenzen fühlt es sich seltsam und ungewohnt an, den Campus zu betreten und so viele unbekannte Gesichter zu sehen. Doch das richtige Kennenlernen neuer Leute fällt schwer. Mehr als den Vor- und Nachnamen meiner Mitstudierenden habe ich nicht, die Gesichter fehlen.

Anfang des Jahres erwischt es mich, wie so viele andere, auch. Ich habe Corona. Die zwei Jahre Vorsicht haben nicht geholfen, ich liege flach. Auch noch Wochen später spüre ich die Nachwirkungen der Infektion. In dieser Zeit ist die Online-Uni eine willkommene Abwechslung, ich bin froh, keinen Stoff zu verpassen und von Zuhause aus an allen Lehrveranstaltungen teilzunehmen. In einem solchen Fall ist die Online-Lehre vorteilhaft, allerdings – krank ist krank, und an einigen Tagen schaffe ich es nicht vor den Bildschirm.

Der Schreibtisch unserer Autorin Dijana, Foto: Dijana Kolak

 

Während Berlin Rekordzahlen an Corona-Infektionen verzeichnet, klingt in den E-Mails der Studienverwaltung eine nicht begründbare Euphorie an. Sie verheißt, dass im kommenden Semester alles anders werde. Das Stichwort: Präsenzlehre. Nicht nur mich, sondern auch meine Mitstudierenden würde das freuen. Ein Semester Online-Lehre hat gereicht.

So geht es auch Charlotte Littgen, die am Anfang des Wintersemesters aus Krefeld (Nordrhein-Westfalen) nach Berlin-Tempelhof gezogen ist. „Vom Pandemie-Management der FU Berlin bin ich enttäuscht. Im ersten Semester haben wir keine einzige Vorlesung in Präsenz gehabt und hatten kaum die Möglichkeit, uns richtig kennenzulernen. Es scheint keinen Unterschied zu machen, wie groß der Kurs ist – alles fand online statt. Auch die Frage, ob der Studiengang der richtige für einen ist, lässt sich von Zuhause aus nur schlecht bewerten.” Die Neu-Berlinerin hat dennoch schnell Anschluss gefunden. Aus den Begegnungen in der “Ersti-Woche” haben sich Freundschaften entwickelt, die gezeigt haben, dass sich das Online-Studium gemeinsam besser bewältigen lässt.

Auch mit Teresa Gleich spreche ich über ihr Studium. Sie ist in Lichterfelde aufgewachsen und studiert im dritten Semester Film- und Kommunikationswissenschaften an der FU. „Das Studium anzufangen, war mein Plan C.”, erzählt sie mir. Durch die Pandemie haben sich ihre eigentlichen Pläne verschoben, glücklich mit der Fachwahl ist sie aber trotzdem. „Ich habe eine Leidenschaft für mein Fach entwickelt, auch, wenn es sich wie ein Fernstudium anfühlt. Das eigentliche Studi-Leben ist so nicht möglich: Studi-Partys, auf dem Campus abhängen, der Austausch mit Kommiliton*innen, … – Ich glaube das macht das Studieren zu einer besonderen Zeit, von der viele schwärmen. Uns hat das gefehlt. Die Hoffnung war zu Beginn eines jeden Semesters sehr groß, aber von Semester zu Semester wurden wir vertröstet. Das hat mich fertig gemacht. Vor allem, wenn zur gleichen Zeit 10.000 Menschen in ein Stadion dürfen, wir aber zu dreißigst nicht in einen Seminarraum. Zwischendurch habe ich mit mir gerungen und mich gefragt, ob ich das Studium unter diesen Bedingungen fortführen möchte.” Ende Dezember schreibt sie eine E-Mail an den Universitätsprofessor Dr. Günter M. Ziegler. „Es war mir wichtig aufzuschreiben, wie wir uns fühlen, mir war aber auch klar, dass ich keine Antwort bekommen werde.”

Doch nun die Ankündigung: Das kommende Sommersemester findet in Präsenz statt. Bei uns ist die Freude groß und auch die Hoffnung, nicht wieder enttäuscht zu werden.

Der Artikel ist im Kiezmagazin Lichterfelde/ Lankwitz „Ferdinandmarkt“ erstveröffentlicht worden. Hier geht es zu weiteren Informationen rund um das Kiezmagazin für Lichterfelde und Lankwitz: https://www.ferdinandmarkt.com/

 

Dijana Kolak

 

 

 

 

 

 

1 Kommentar

  1. Eine extrem anschauliche Beschreibung einer hoffentlich einzigartigen Zeit. Interessant wird es, wenn man sie irgendwann später noch mal rückblickend liest.

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