Deutlicher hätte das Ergebnis kaum ausfallen können: 290 gültige Abstimmungszettel lagen vor, 226 davon stimmten gegen die Umbenennung der Treitschkestraße.

Schon als die Wahlleiterin begann, die Stimmen auszuzählen, war schnell klar: Die Treitschkestraße wird ihren Namen behalten. Viele „Neins“ folgte nur ein gelegentliches „Ja“ zur Umbenennung.

Die Stimmenauszählung im Zehlendorfer Rathaus verfolgte auch Iris Vögtlun. Sie ist eine der 226, die gegen eine Umbenennung sind. Deshalb hatte sie auf ein solchen Ergebnis gehofft. Warum sie dagegen ist? „Es verursacht unnötige Kosten und kostet Zeit. Alle müssen informiert werden – die Banken, die Versicherungen. Das ist Unsinn“, findet Vögtlun. Auch wenn sie Verständnis für die Motive jener hat, die den Namen ändern wollen. „Aber dann müssten viele Straßen umbenannt werden. Man kann doch nicht die Geschichte umschreiben“, findet sie. Und wer wüsste schon, ob nicht in ein paar Jahren auch etwas über Kurt Scharf – nach dem langjährigen Pfarrer der Patmos-Gemeinde wollte die SPD gerne die Straße benennen – oder einen anderen Namensgeber etwas herauskomme. Und dann würde die Straße wieder umbenannt. „Es gibt wichtigere Sache zu erledigen“, findet die Anwohnerin.

Ralf Dose sieht das ähnlich. Er wohnt zwar nicht an der Treitschkestraße, aber in der Nähe. Er sei historisch interessiert, sagte er, deshalb verfolge er die Abstimmung. Auch er hätte sein Kreuzchen hinter das Nein gesetzt. Für ihn sei Treitschke kein Antisemit, sagt er. Er habe die Juden nur zur Integration aufgefordert.

Für Carsten Berger, Parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen in Steglitz-Zehlendorf, ist das Ergebnis eindeutig – und zwar in zweierlei Hinsicht. Die hohe Beteiligung – 305 von 428 wahlberechtigten Anwohnern haben abgestimmt – mache deutlich, „die Leute wünschen Bürgerbeteiligung. Sie wollen gefragt werden“. Zudem zeige die Abstimmung, dass die Anwohner nicht gern ihre Straßennamen aufgeben – aus Gewohnheit oder aufgrund des Aufwands, der auf sie zukomme, vermutete Berger.

Letzteres sah Martin Kromm, Bezirksverordneter von der SPD, genauso. „Es ist das erwartete Ergebnis“, sagte er nach der Auszählung. Deshalb habe die SPD von Anfang gesagt, dass es Aufgabe der Bezirksverordnetenversammlung sei, über die Namensänderung zu entscheiden. Für Anwohner sei die Umbenennung mit viel Aufwand verbunden, „da stimmt keiner freiwillig mit ‚Ja’“.

Es sei im Vorfeld viel darüber diskutiert worden, wen man fragen wolle. Denn das bestimme auch immer das Ergebnis, so Alf Jarosch, Gebietsbeauftragter der Piraten in Steglitz-Zehlendorf. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Ergebnis zu akzeptieren“.

Für Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU), unter deren Aufsicht die Auszählung stattfand, war diese Bürgerbefragung „ein gute Beispiel für Demokratie“, weil es die unmittelbar Betroffenen seien, die gefragt wurden. Deshalb freute sie sich auch über die hohe Beteiligung und über das eindeutige Ergebnis. Sie könne sich auch weitere Bürgerbefragungen zu anderen Themen vorstellen, sagte sie, aber nur in begründeten Einzelfällen. „Ich will nicht, dass das inflationär betrieben wird“, so Richter-Kotowski. Zumal solche Befragungen immer mit Zeit und finanziellem Aufwand verbunden seien. In diesem Fall sei es jedoch angemessen gewesen, weil es zeige, dass in der 15-jährigen Debatte an den eigentlich Betroffenen vorbei diskutiert worden sei.

Den Schlussstrich unter die Treitschke-Diskussion müssen nun die Bezirksverordneten ziehen.

(go)