„Das Haus im Mühlenfelde steht fix und fertig da“ – die Freude bei den Eltern, dass der Wohnblock für ihre Kinder endlich bereit zum Einzug ist, war am Freitagnachmittag so groß, dass sie im Chor dem Haus, vor allem aber den Mitarbeitern des Vereins Zukunftssicherung Berlin e.V. für Menschen mit geistiger Behinderung, ein Ständchen brachten. Seit Januar wurde das denkmalgeschützte Haus Im Mühlenfelde 3-5 saniert, am 1. Dezember können die neuen Mieter einziehen.

Die neue Mieter, das sind Menschen mit vor allem geistiger Behinderung verschiedenen „Assistenzbedarfs“, die dort unter einem Dach ihre eigenen Wohnungen beziehen, erklärte Olaf Siedler, Projektleiter für das Haus.

Die Idee kam 2008 von den Eltern einiger behinderter Kinder, erzählte Siedler. Die Kinder waren miteinander befreundet, hätten aber auf Grund der unterschiedlichen Schwere der Einschränkungen niemals zusammen wohnen können, so der Projektleiter.

Der Verein stürzte sich in dieses auch finanzielle Abenteuer und beschritt damit neue Wege. Denn bisher gebe es nur Wohnformen für Behinderte mit ähnlichem Assistenzbedarf, erklärte Irit Kulzk, Geschäftsführerin des Vereins, in ihrer Rede. „Hätten wir die Schwierigkeiten geahnt, wir hätten wohl nicht angefangen“, machte sie deutlich. Schon die Suche nach einem Haus habe sich schwierig gestaltet. Niemand wollte dem Verein ein Objekt vermieten. „Wir haben aus Notwehr das Haus gekauft“, berichtete sie.

Dort gab es jede Menge zu tun. Wände wurden umgestellt und manchmal auch ganz eingerissen. Ein Fahrstuhl wurde eingebaut, das Dachgeschoss komplett ausgebaut. „Ein Fundament war nicht vorhanden“, zählte Siedler auf. Außen und im Inneren wurden, zumindest bis zur zweiten Etage, die Originalfarben aus den 1930er Jahren verwendet, in den Bädern originale Kacheln aus der Entstehungszeit. Zwischendurch habe es immer wieder Probleme gegeben, so Kulzk. Doch nun sei das Haus fast fertig und bereit, von den zukünftigen Bewohnern aber auch Nachbarn in Augenschein genommen zu werden.

Die Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen waren rasch vergeben, berichtete Siedler. 23 Menschen werden einziehen. Doch es gibt auch noch drei Mietparteien, die bereits beim Kauf im Haus wohnten und auch weiterhin dort wohnen werden. Wenn sie ausziehen, werden diese Wohnungen wieder frei vergeben, erklärte der Projektleiter. Ganz im Sinne der Inklusion, die man mit diesem Wohnprojekt fördern will. Deshalb freuten sich Siedler und Kulzk auch so über die zahlreichen Besucher aus der Nachbarschaft.

2,1 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, eine Million gab die Stiftung Deutsche Klassenlotterie dazu, so der Projektleiter. Davon 200.000 Euro als zinslosen Kredit.

Es war eigentlich ein Tag zu Feiern. Nur eine Sorge drückte die Stimmung der Geschäftsführerin an diesem Tag: Die ungeklärte Situation hinsichtlich des persönlichen Budgets der neuen Mieter. Aus diesem müssen diese ihre zusätzlichen Pflegebedarfe, die sich aus dem Wohnen im Haus im Mühlenfeld ergeben, finanzieren. Ein solches Verbundwohnen, bei dem also stationäre und ambulante Wohnformen für Behinderte gekoppelt werden, sei neu und passe in keine Schublade, so Kulzk. Und da liege ein Problem. Die Ämter seien „sehr unbedarft“, nennt es Siedler vorsichtig, wüssten nicht, wie sie mit dieser neuen Form des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlichen geistigen Behinderungsgraden umgehen sollen. Und so verzögere sich die Bewilligung.

Staatsekretär für Soziales, Michael Büge, der zum Gratulieren gekommen war, aber versicherte, dass Bewegung in die Sache gekommen sei. In der vergangenen Woche habe es zwischen der Senatsverwaltung und dem Bezirksamt Gespräche gegeben, berichtete er und zeigte sich optimistisch, dass man einen großen Schritt weiter sei.

In seinem Grußwort lobte Büge den Mut, der hinter einem solchen Projekt stehe. Der Verein sei bereit gewesen, neue Wege zu gehen, ohne zu wissen, was vor ihm liege. Doch der Vision, dass auch Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wie, wo und mit dem sie leben wollen, käme man mit diesem Projekt sehr nahe.

(go)