Arnimallee 23-27 Postkarte o. J. Ende 1930er Jahre Foto: Sammlung Eberhard Finger

Als der „Museumsgeneral“ Wilhelm von Bode darüber nachdachte, auf den staatseigenen Gütern der Domäne Dahlem günstigen Grund und Boden für einen Neubau des in Kreuzberg gegründeten Völkerkundemuseum zu erlangen, hatte die zuständige Kommission um Hugo Thiel bereits über das zweite Ausstellungshaus nach dem Botanischen Museum im Südwesten entschieden: Es war der Insektenkunde gewidmet.

Das Entomologische Nationalmuseum in der Goßlerstraße wurde 1909-1911 nach Plänen Heinrich Straumers errichtet und war die didaktische Folgeeinrichtung der ganz auf Schädlingsbekämpfung und Krankheitsübertragung ausgerichteten Institute der Kaiserlich Biologischen Anstalt Unter den Eichen und dem Gesundheitsamt in der Königin-Luise- Straße.

Die jüngere Museumslandschaft Dahlems hingegen entwickelte sich vielfältiger. Im Zentrum stand jeher das Karree an der Lans-, Taku- und Fabeckstraße sowie der Arnimallee. Nach Alfred Messel übernahm Bruno Paul 1909 die Planung für das neue Völkerkundemuseum. Bode wünschte sich stilistisch eine Anlehnung an märkische Domänebauten um 1800, das Gut Paretz beispielsweise – auch wegen der räumlichen Nähe zu Potsdam. Errichtet aber wurde eine neoklassizistische Dreiflügelanlage in bester Feudalmanier mit Ehrenhof und Kolossalordnung. Es war der erste Teil eines Großkomplexes an der Arnimallee, der allein für die Ostasienabteilung geplant war.

Nach 1921 blieb das Völkerkundemuseum mit Einstellung der Arbeiten ein Rohbau. Als Magazingebäude nutzten es Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und die Skulpturensammlung auf der Museumsinsel. Erst mit der Ost-West-Teilung Berlins rückte der Standort wieder in den Vordergrund. Das Völkerkundemuseum entwickelte sich bis 1973 zu einem neuen Prototyp der Museumskunde und zur wichtigsten Adresse für Ausstellungsbesucher im Westen Berlins.

Bis 1953 wurde das Innere der schlossähnlichen Anlage Bruno Pauls ausgebaut. Mit Einzug der in den Westsektoren verbliebenen Bestände wurden die Bauten Bruno Pauls endlich zu vitalen Ausstellungsräumen. Gemäldegalerie, Skulpturensammlung und Kupferstichkabinett fanden neben der ethnologischen Abteilung und der Kunstbibliothek ihre Heimstatt. Da sich die Freie Universität mittlerweile auf dem östlich vorgesehenen Erweiterungsbereich des Museums etabliert hatte, plante Bruno Grimmek – Chef der Entwurfsabteilung der Senatsbauverwaltung – 1964-65 für die natürlich belichtete Skulpturengalerie einen U-förmig angeschlossenen Neubau und Innenhof zur westlichen Seite.

Für die weitere Entwicklung der Museen aber waren die Architekten Wils Eberts, Fritz Bornemann und die Leiter der ethnologischen Abteilungen entscheidend. Ihre interdisziplinäre Kooperation führte bis 1973 zu einer Gebäudekonfiguration, die sich aus dem Kontrast geschützter und nach innen gerichteter Ausstellungsbereiche mit transparenten Geschoss übergreifenden Besucherräumen, Verkehrsknoten und skulpturalen Treppenkonstruktionen als zukunftsweisend behauptete.

Eberts, den als Dessauer Bauhausschüler vor allem die Möglichkeiten großflächiger Curtain-Walls interessierten, war das „Dahlemer Pendant“ zu Mies van der Rohe und dessen im Bau befindlicher Nationalgalerie am Kulturforum. Mit einer Baumassenstudie zeichnete er die Verknüpfung der völkerkundlichen Sammlungsschwerpunkte an rechtwinklig und parallel geschalteten Verkehrsachsen. Die konzipierte Dominanz des Tageslichtes jedoch führte zur Intervention der Museumsleute.

Fritz Bornemann, ein durch die Deutsche Oper in Charlottenburg ausgewiesener Experte für hochkarätige Kulturbauten rückte in den Planungsstab. Er integrierte die klimatische Stabilität der Ausstellungsbereiche mit Bimsbeton ausgefachten Stahlskeletten und hinterlüfteten Natursteinverkleidungen. Wie in seinem Opernfoyer rückte er mit frei gestellten Treppen und von innen nach außen gerichteten Versammlungsbereichen den Besucher selbst in das Zentrum der Wahrnehmung. Nicht der Musentempel sondern das demokratische Prinzip wird verbildlicht. Die Sammlungen inszenierte Bornemann innovativ in neuer Lichtregie. Eigens von Bornemann entworfene, von innen illuminierte Vitrinen zelebrieren die Exponate. Große Stücke stehen auf dunklen Böden afrikanischer Eiche und werden über mobile Spots an Stromabnehmerschienen beleuchtet. Auch die Wände sind variabel. Ihre genormten Aluminiumsandwiches bergen sämtliche Versorgungsleitungen und können von den Kuratoren für neue Ausstellungen versetzt werden.

Seit dem 8. Januar 2016 bleiben die Räume der Dahlemer Musseen der Öffentlichkeit verschlossen – bis auf den Bauteil an der Arnimallee (Europäische Kulturen). Eine gesamtstädtische Neuordnung der Sammlungen zeichnete sich schon bald nach der Wiedervereinigung ab. Die Degradierung zum Depot darf in Dahlem nicht der Preis für die Eröffnung des Humboldtforums und die an Attraktivität kaum zu überbietende Museumsinsel werden.

Dr. Jörg Rüter

Denkmalschutzbehörde