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Der Biologe Prof. Dr. Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Garten Berlin und Botanischen Museum Berlin der Freien Universität, fordert eine umfassendere Debatte zum Artensterben.

Am Montag des 6.5.2019 wurde durch eine Bekanntgabe des Weltbiodiversitätsrats ersichtlich, dass rund eine Million Pflanzen- und Tierarten in den folgenden Jahren/Jahrzehnten aussterben werden. Nach Prof. Borsch sei die Auseinandersetzung bezüglich des Artensterbens in Medien, Politik und Öffentlichkeit zu kurzgefasst. Nicht nur das vollständige Aussterben einer Million Arten sei erwähnenswert, sondern auch die eklatante Verringerung ihres genetischen Spektrums. Die genetische Vielfalt gewährleistet, Prof. Borsch zufolge, den Fortbestand einer Art und das deklariert dem Artensterben eine noch viel größere dramatische Brisanz, als bisher berichtet. Zusätzlich kommt es zu einem dramatische Rückgang von Pflanzenarten, welche früher weit verbreitet waren.

Aus Prof. Borschs eigener Forschungsarbeit wird ersichtlich, dass die Zunahme der Landnutzung sowie die Ausräumung der Landschaft der vergangenen 20 Jahre einen ausgedehnten Wegfall von allerhand Pflanzen und Organismen verursachte. Der Botanische Garten Berlin erfasste beispielsweise einen drastischen genetischen Mangel der Heilpflanze Arnika (Arnica montana). Diese ist nur noch in den Alpen oft vorhanden, rar in den Mittelgebirgen und fast komplett dezimiert im Norddeutschen Tiefland. Prof. Borsch fordert: „Es reicht nicht, eine Pflanzenart nur dem Namen nach in Deutschland in einem Schutzgebiet oder Botanischen Garten zu erhalten. Die genetische Vielfalt ist wichtig, um der Art wirklich eine Chance zum Überleben zu geben.“

Laut Prof. Borsch gibt es große genetische Abweichungen binnen einer Art, welche von deren Naturraum abhängig sind. So ist die Arnika an der Ostsee nicht die gleiche Pflanze, wie die Arnica in den Mittelgebirgen oder gar in den Alpen. Pflanzen passten sich im Laufe der Evolution durch wechselseitige Wirkung von Genen und Umwelt an ihre jeweilige Region an. Da die Arnika-Pflanzen des Tieflands, laut Borsch, in warmen Gebieten sehr gut gedeihen, könnten genau diese Arnika-Art die Eigenschaften besitzen den Klimawandel zu überdauern. Ergo die genetische Vielfalt fördert den Fortbestand einer Art.

Der Fortbestand der Spezies Mensch ist in Gefahr durch das große Pflanzensterben, erklärt Prof. Borsch. Ohne die pflanzliche Diversität sei kein Überleben möglich. Die Funktion der Pflanzen in Lebensräumen spielt eine große Rolle. Das Produzieren von Biomasse durch Pflanzen, bedingt die Abhängigkeit vieler weiterer Organismen zu Pflanzen. Die Basis der menschlichen Ernährung, menschlicher Rohstoffe, Medizin und Naturhaushalt sind Pflanzen. Nichts kann das ersetzen. Prof. Borsch kritisiert: „Der aktuelle Trend, eine wahllos zusammengestellte Tüte mit Pflanzensamen als Beigabe zu Konsumgütern zu legen, um etwas gegen das Insektensterben zu tun, ist wenig hilfreich!“

Zwar zeige dies, dass die Mitte der Gesellschaft sich mit der Problematik auseinandersetzt, aber es wird, Prof. Borsch zufolge, bei tiefgreifenden und schwierigen Konflikten versucht, durch scheinbare, eilige und oberflächliche Lösungsansätze das eigene Gewissen zu erleichtern. Das helfe nicht weiter. Prof. Borsch erklärt: „Nötig ist ein ganzheitlicher Ansatz und Wissen über Pflanzen und deren Beziehungen zu anderen Organismen, um lokal und regional gute Maßnahmen umsetzen zu können. Wirklicher Insektenschutz muss vor allem heißen, die natürlichen Lebensräume von Insekten zu schützen oder auch wiederherzustellen. Und dabei spielt die für die Insekten wichtige Pflanzenvielfalt eine Schlüsselrolle, denn gerade seltene Insektenarten sind auf seltene Pflanzenarten spezialisiert.“

Weitere Verluste sind nicht hinnehmbar und alle müssen aktiv werden, da der Grund für das große Artensterben der Mensch ist. Die Menschheit müsse global ihr Denken im Konsumverhalten, Lebensstil, Landwirtschaft und Mobilität ändern und das Auslöschen der Pflanzen und Tiere stoppen, um schlussendlich das menschliche Aussterben zu verhindern. Von äußerster Bedeutsamkeit sei, laut Prof. Borsch, die Sicherung artenreicher Lebensräume und Vorkommen seltener Arten, so lange sie sich noch auf der Erde befinden. Die gelingt aber nur mit Unterstützung der Politik.

Forschungsergebnisse zum Aussterben der Wildpflanze Arnika
www.bgbm.org/de/pr/heilpflanze-arnika-ist-norddeutschland-genetisch-arm-dran-erste- deutschlandweite-genetische

Zum Projekt Wildpflanzenschutz Deutschland II
www.wildpflanzenschutz.uni-osnabrueck.de

(mfs)