Viele Bürger, Politiker und andere Engagierte gründeten vor einem Jahr das Willkommensbündnis. Archiv-Foto: Jacqueline Lorenz

Gut ein Jahr ist es her, dass mehr als 300 Menschen sich im Rathaus Zehlendorf zum „Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf“ zusammenschlossen. Heute gehören dem Bündnis fast 900 Mitstreiter an, 200 sind als Ehrenamtliche aktiv. Sie geben zum Beispiel Deutschunterricht oder helfen beim Übersetzen – und das in 14 Sprachen, darunter auch solche Exoten wie Dari, Kurmanci oder Surani. 50 Ärzte und Psychologen bieten ihre fachliche Unterstützung an und mehr als 4.000 E-Mails mit Fragen, Spenden- und Hilfeangeboten gingen in den vergangenen zwölf Monaten beim Willkommensbündnis ein – so die Bilanz nach einem Jahr in Zahlen. „Wir sind überrollt worden von einer Welle positiver Anfragen und einer positiven Grundstimmung“, sagt Günther Schulze vom Willkommensbündnis.

Es hat sich viel getan in den zurückliegenden zwölf Monaten. Als das Bündnis gegründet wurde, gab es im Bezirk nur die Flüchtlingsunterkunft an der Klingsorstraße. Die „zähflüssige“ Diskussion um die Gemeinschaftsunterkunft an der Goerzallee habe man hautnah miterlebt, berichtet Schulze.  Auch die überraschende Einrichtung von zwei Notunterkünften im Bezirk, in den Turnhallen an der Königin-Luise- und der Lippstädter Straße begleitete das Bündnis. Man sei froh, dass diese beiden Unterkünfte nun endlich aufgelöst wurden.

Marina Roncoroni ist als Integrationsbeauftragte des Bezirks auch Mitglied des Willkommensbündnis. Das Amt sei ja ohnehin gefordert, zu helfen wenn es um die Themen Schulen, Gesundheit und Kindertagesstätten gehe. Doch das reiche nicht aus. „Es bedarf einer ganzen Zivilgesellschaft, um eine Willkommenskultur zu entwickeln“, sagt sie.

Dass dies in Steglitz-Zehlendorf so erfolgreich stattfindet, darüber freut sich Suada Dolovac, die Soziale Leitung der Gierso Boardinghaus Berlin GmbH, die Träger der beiden Gemeinschaftsunterkünfte im Bezirk ist. Es gibt nur einen Sozialarbeiter in jeder Einrichtung. Um aber kontinuierlich Projekte anbieten zu können, brauche es der Hilfe von Ehrenamtlichen, die Abwechslung in den Alltag der Flüchtlinge bringen, sie begleiten und unterstützen. Auch sie schätze den Austausch mit dem Willkommensbündnis, erklärt Dolovac. Es biete ihr die Möglichkeit der Vernetzung, aber auch Sorgen und Befürchtungen loszuwerden.

Einer, der seit kurzem für Abwechslung im Heim sorgt, ist Dr. Wolfgang Wendlandt. Der ehemalige Hochschullehrer hat eine kleine Theatergruppe in dem Haus an der Klingsorstraße gegründet. Allerdings wurde es in dem kleinen Raum, der ihm zur Verfügung gestellt wurde, etwas eng, so dass die Workshops, die er angeboten hat, in der Villa Folke Bernadotte stattfanden. Ab September soll es eine feste Gruppe geben.

Das Besondere an der Theatergruppe ist, dass hier Flüchtlinge und Unterstützer gemeinsam spielen. Den Themen, denen sich die Gruppe in den Workshops  bishe zuwandte, kommen aus dem Leben der Flüchtlinge. Es ging um Kindheitsgeschichten, um Flucht und Trauer, um Wut und Hoffnungslosigkeit aber auch um die Frage: Was will ich werden?, berichtet Wendlandt.

Yalmaz Shikho ist einer von den Flüchtlingen, die in der Theatergruppe mitmachen. Er ist seit einem Jahr und acht Monaten in Berlin. Bereits 2008 war er aus Syrien geflohen, berichtet er. Der junge Kurde lebte etwa zweieinhalb Jahre in Griechenland, doch es gab für ihn keine Arbeit, er ging zurück in seine Heimat. Dort sollte er für die PKK kämpfen – er wollte nicht und floh erneut. Über Griechenland und die Türkei kam er schließlich nach Berlin. „Mit gefällt hier alles. Die Menschen respektieren mich“, sagt er zum Leben hier. Doch er will sich auch nützlich machen, der gelernte Schuhmacher würde gern arbeiten. Auch dafür lernt er Deutsch; Serbisch hat er in der Unterkunft gelernt. Sieben Sprachen spricht Shikho, zumindest teilweise.

Neben der Theatergruppe wird auch gemeinsames Kochen angeboten und in Ansätzen Musizieren, demnächst plane man ein Fußballturnier, berichtet Schulze. Als Willkommensbündnis will man sich zukünftig noch mehr um einen persönlichen Kontakt zwischen Flüchtlingen und Einheimischen bemühen, auch die Fragen nach Wohnung und Arbeit sollen stärker in den Fokus rücken.

In diesem Jahr werden 640 neue Flüchtlinge in die beiden geplanten Containerdörfer in Steglitz-Zehlendorf  ziehen, die Hälfte davon wird wahrscheinlich bleiben, das seien Erfahrungswerte, weiß Schulze. „Wir brauchen diese Menschen“, sagt er mit Blick auf die Demografie.

Weitere Informationen:  www.Willkommensbuendnis-Steglitz-Zehlendorf.de

(go)