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Die Bewegung Extinction Rebellion plant ab Montag, den 7. Oktober massive Proteste in zahlreichen Metropolen weltweit. In Berlin sind Blockaden sowie weitere Aktionen vorgesehen. Ziel ist es, die Politik zu einer konsequenteren Bekämpfung der Klimakrise zu bewegen. Ein Einblick in die Weltanschauung der Aktivisten, ihr Vorgehen und ihre Pläne für Montag.

Die Menschheit stehe vor einer „existenziellen Krise“, die das „Ende der Zivilisation“ bedeuten könne. Diese Sichtweise äußerten Aktivisten der Bewegung in einer Pressekonferenz am Freitag in Berlin. Wenn die Menschen so „weiter machen“, komme es noch Ende dieses Jahrhunderts zu einer Erderwärmung um ganze 4° C. Diese Zahl kommuniziert auch der Weltklimarat IPCC in seinem fünften Sachstandbericht. Darin heißt es: „In den meisten Szenarien ohne zusätzliche Milderungsbemühungen (…) ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die [Erd-] Erwärmung im Jahre 2100 4° C gegenüber dem vorindustriellen Niveau überschreitet.“ Dies berge laut Bericht hohe Risiken, wie „das Aussterben vieler Arten“ und die Gefährdung der Ernährungssicherung.

Es muss also etwas getan werden, so viel ist klar. Aber wozu der zivile Ungehorsam? Was macht Blockaden nach Ansicht der Aktivisten effektiver als die Proteste der Fridays for Future Bewegung? Laut Aktivistin Cléo Mieulet zeige die Geschichte, dass „klassische politische Mittel“ versagt haben. Die Grünen sowie diverse NGOs gebe es schon „seit mehreren Jahrzehnten“ und trotzdem sehe man keine hinreichende Wirkung. Friedlicher ziviler Ungehorsam habe sich jedoch bewährt, zum Beispiel bei der Bürgerrechtsbewegung in den USA oder beim Kampf für Frauenrechte. Annemarie Botzki ergänzt diese Ansicht, indem sie auf jene Proteste hinweist, die im April in London stattfanden. Dort hatten Extinction Rebellion-Aktivisten zehn Tage lang mit diversen Aktionen die Stadt lahmgelegt. Wenige Tage nach Ende der Proteste rief das Parlament den Klimanotstand aus, bevor es im Juni ankündigte, eine Bürgerversammlung einzuberufen. Beide Maßnahmen gehören zu den zentralen Forderungen von Extinction Rebellion.

Die Bürgerversammlung, so fordert es die Bewegung, soll Maßnahmen für den Klimaschutz ausarbeiten. Sie werde von der Regierung einberufen, die sich dazu verpflichten müsse, die Beschlüsse zu realisieren. Auf der Pressekonferenz wird die Umsetzung des Vorhabens konkreter erläutert. So sollen die Teilnehmer durch ein Losverfahren ausgewählt werden, damit sie ein möglichst breites Spektrum der Gesellschaft repräsentieren. Vor Ort wären auch Experten vorgesehen, die das Gremium auf den erforderlichen Wissensstand brächten. Moderatoren würden die Versammlung begleiten. Weiterhin erklären die Aktivisten, warum eine Bürgerversammlung ihrer Ansicht nach die Klimakrise effektiver bekämpfen würde als die Regierung selbst. Die Bürger stünden nicht unter dem Einfluss von Lobbys und wären weder von Parteipolitik noch von der Gunst der Wähler abhängig.

Neben der Bürgerversammlung verlangt Extinction Rebellion „Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2025 auf Netto-Null zu senken“. Weiterhin müsse die Regierung „ die Wahrheit über die ökologische Krise offenlegen“. Laut Cléo Mieulet bedeute dies vor allem, dass die Regierung die Klimakrise in das „Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit“ bringe. Es seien „Bildungskampagnen auf verschiedenen Ebenen“ nötig, beispielsweise in Stadträten oder Schulen, in Form von Briefkastenaktionen oder Online-Informationen.

Um die Regierung dazu zu bewegen, die Forderungen umzusetzen, ist für Montag „massenhafter ziviler Ungehorsam“ geplant. Wie in der Pressekonferenz bekannt gegeben wurde, sollen Verkehrsknotenpunkte blockiert werden. Da Extinction Rebellion autonom sowie dezentral organisiert sei, werden verschiedene regionale Gruppen und Ortsbündnisse Einzelaktionen durchführen. Trotzdem sind auch größere Aktionen geplant. Zum einen wird in der Nähe des Regierungsviertels eine pinkfarbene Arche aufgebaut, die auf die drohenden Folgen des Klimawandels aufmerksam macht und auf die Forderung „Sagt die Wahrheit“ hinweist. Aktivistin Eva E. erklärt das laut Pressemitteilung so: „Wälder brennen, die Meeresspiegel steigen, die Ozeane übersäuern und weltweit sterben Wildtiere massenhaft aus – die Arche symbolisiert, dass uns eine Katastrophe biblischen Ausmaßes droht“. Und: „Nur wenn wir dieser Wahrheit ins Auge blicken, können wir angemessene Lösungen finden.“ Carola Rackete soll die Arche um 12.05 Uhr mit einer Rede eröffnen.

Auch am Potsdamer Platz ist einiges los. Ebenfalls ab 12.05 finden laut Pressemitteilung eine angemeldete Kundgebung, eine Mahnwache sowie ein „performativer Akt“ statt. Dadurch solle die Forderung nach Klimaneutralität „erlebbar“ gemacht werden, da sich als Voraussetzung für dieses Ziel auch der „Umgang mit anderen Lebewesen und Menschen“ wandeln müsse. So gebe es Workshops, Performances und Musik. Auf dem Programm stehen Konzerte der Band Selig sowie ein Akustikset des Sängers von „Die höchste Eisenbahn“. Außerdem werde der Potsdamer Platz als „Treffpunkt für weitere Überraschungsaktionen“ genutzt.

Die Ereignisse des Montags sollen jedoch „nur der Auftakt“ länger anhaltender Proteste sein, wie Lu Yen Roloff in der Pressekonferenz erklärt. Nach Angaben der Aktivistin sind diese für mindestens „eine Woche geplant“, wobei deren Umsetzung von polizeilichen Reaktionen abhänge. Obwohl die Aktivisten durch ihre Aktionen auch Festnahmen riskieren, setzen sie auf einen kooperativen Umgang mit der Polizei. Laut Tino Pfaff, der Teil des Presseteams ist, gebe es innerhalb der Bewegung Kontaktpersonen, die bereits wenige Tage vor geplanten Aktionen mit der Polizei kommunizieren und teilweise über die Vorhaben informieren. Auch arbeite man gemeinsam am Sicherheitskonzept für die Proteste.

Aktuell besetzt Extinction Rebellion zusammen mit ihrer Arche den Großen Stern in Berlin. Tino Pfaff stuft die Situation als friedlich ein. Die Polizei sei „ohne Helme gekommen“.

(mh)