Bridge Markland spielt alle Rollen selbst, auch Gretchen. Foto: Dirk HoltkampEndemann

Wer hätte gedacht, dass Peter Maffays Musik Leben retten kann? Kann es aber – zumindest das von Faust. Statt der Klang der Kirchenglocken ist es Maffays Stimme, die den frustrierten Wissenschaftler davon abhält, sich zu vergiften und stattdessen zum Osterspaziergang hinaus ruft.

Wer denkt, er kenne Goethes „Faust“, der denkt verkehrt. Denn so wie ihn Bridge Markland auf die Bühne – Verzeihung: in die Box – holt, so hat man den Klassiker wohl noch nie erlebt.

Markland hat den „Faust“ aufgepeppt für die Generation Popmusik – verlorengegangen ist dadurch nichts (Wesentliches). Vorspiel im Theater? Drin! Prolog im Himmel? Drin! Osterspaziergang? Gretchen, die zur Mutter Gottes betet? Doppelszene in Marthes Garten? Alles drin. Wenn auch nicht in voller Länge. Auf rund ein Drittel hat Markland den Text zurecht gestutzt – den Rest aufgefüllt mit Musik: von Marika Rökk und Grete Weiser, über Johnny Cash und Led Zeppelin bis hin zu Madonna und Seeed: In seiner Verzweiflung wünscht sich Faust „Real love“ von Robbie Williams, als Gretchen das erste mal erscheint, singt Roy Orbison dazu „Pretty Woman“, und als Gretchen in der Kirche betet, weiß Xavier Naidoo „Dieser Weg wird kein leichter sein“ für sie. Zuvor hatte sich Faust mit Hilfe von Elvis‘ „(Can’t help) falling in love“ in das Herz des „Like a Virgin“-Gretchens geschlichen. Auf die Warnung der Ärzte, „Männer sind Schweine“ hörte sie leider nicht.

Doch nicht nur die Musik macht den Klassiker leichter verdaulich, sondern auch die Performance der Schauspielerin, die ganz alleine alle Rollen spielt – unterstützt von ein paar Handpuppen. Das expressive Spiel Marklands ist beeindruckend, vor allem ihre intensive Mimik, die gerade aus Mephisto einen wahren Teufel macht. Dazu ihre Bewegungen und der perfekte Übergang von den gesprochenen zu den gesungenen Passagen. Sowohl Musik als auch Text kommen wie bei einem Hörspiel vom Band – doch Markland ist absolut synchron, verleiht mit ihrem Spiel jeder Figur und jeder Stimme neues Leben.

Trotz Popmusik, Stimmen vom Band und Handpuppen verliert das Goethsche Drama bei Bridge Markland nichts von seiner Ernsthaftigkeit, nichts von seiner Dramatik, denn Markland hat, trotz ihrer Eingriffe, den Respekt vor dem Stück nicht verloren.

Wer Goethes „Faust“ (neu) für sich entdecken will, hat dafür nur noch wenig Zeit. Noch bis Sonnabend, 6. Oktober, spielt Markland im Stadtbad Steglitz, Bergstraße 90, um 20 Uhr „Faust in the box“, danach tritt sie im Faust-Archiv Knittlingen auf, bevor sie zu einer Tour durch die USA und Kanada aufbricht.

(go)