Die Frauen vom Projekt "MehrGenerationenWohnen" wollen gemeinsam wohnen und sich unterstützen. Foto: Gogol

Heide Luczak ist 66 Jahre alt. Familie hat sie in Berlin keine, allein wohnt sie in ihrer Wohnung in Marienfelde – und hat genug davon. „Es macht keinen Spaß, alleine etwas Schönes zu erleben“, sagt sie. In einer Gemeinschaft will sie leben, vor allem jetzt, wo sie älter wird. Gemeinsam verreisen, ins Kino gehen oder eine Radtour unternehmen, als Ersatzomi sich um kleine Kinder kümmern – so stellt sie sich ihr zukünftiges Leben vor. Aber sie will auch wissen, dass im Notfall jemand da ist, der sich um sie kümmert. Und da ist sie nicht allein. Auch Ruth W. findet diese Idee des gemeinsamen Lebens und des um sich Kümmerns interessant. „Es gibt größere Sicherheit, wenn die Gebrechen kommen“, sagt sie. Man gebe sich der Unpässlichkeit dann nicht so hin. „Gemeinschaft ist das beste Mittel gegen Altersdepression.“ Beide Frauen beteiligen sich am „Wohntisch“ in Zehlendorf, haben das Projekt „MehrGenerationenWohnen“ mitinitiiert.

„Bezahlbar und sicher in eigenen Wohnungen bis ins hohe Alter wohnen. Respektvoll und tolerant miteinander umgehen. Füreinander da sein. Uns gegenseitig helfen und austauschen“ – das wünschen sich die Mitstreiter. Zweimal im Monat trifft sich die Gruppe, deren harter Kern aus derzeit zehn Frauen zwischen 37 und 70 Jahren besteht, in der Villa Mittelhof, um darüber zu beraten, wie sie ihre Ziele erreichen kann. Das Problem: „Wir sind ein Projekt ohne Objekt“, sagt Judith D.

Was die Frauen suchen, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches und trotzdem schwer zu finden: Ein Haus oder ein Grundstück, auf dem ein Haus gebaut werden kann, in dem jeder seine eigene Wohnung hat. Die Wohnungen sollen zwischen 60 und 100 Quadratmeter groß und barrierefrei sein, ein bisschen Garten dazu wäre schön. Das Objekt sollte in Zehlendorf liegen – oder zumindest im Südwesten Berlins – und bezahlbar sein. Zwei Bedingungen, die sich fast auszuschließen scheinen. „Wir wollen nicht nach Kreuzberg“, sagte Rosie B. Gerade im Ortsteil mit einer der höchsten Quadratmeterpreise Berlins wolle man bleiben, „weil wir hier zu Hause sind“. Die Frauen wohnen in dem Ortsteil oder sind dort seit Jahrzehnten beruflich tätig. „Zehlendorf soll kein Reichenghetto werden“, ergänzt Ruth W.

Im März 2013 trafen sich die ersten Interessierten, seit September gibt es eine feste Gruppe. Viel haben die Frauen seitdem schon getan, sich an die Netzwerkagentur GenerationenWohnen des Senats gewandt, Wohnungsbaugesellschaften und Immobilienanbieter angeschrieben, bei Vereinigungen wie dem Lions Club um Unterstützung gebeten, sogar an den Bezirksbürgermeister und die Parteien im Bezirk haben sie sich gewandt. Die Resonanz sei bescheiden gewesen, erzählt Heide Luczak. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und von der Politik im Stich gelassen, sagen die Frauen. Dabei werde in Sonntagsreden doch immer wieder betont, dass man Lösungen finden müsse für eine Gesellschaft, die immer älter wird und für den fehlenden bezahlbaren Wohnraum. Doch vielfach fehle das Problembewusstsein, sagt Rosie B. Dabei sei offensichtlich, dass gerade in Zehlendorf vor allem Luxus-Wohnraum entstehe, meist auch nicht zur Miete sondern als Eigentum. Mit ihren Renten können sich die Frauen solche Wohnungen nicht leisten. Auch viele jüngere Leute könnten dies nicht. Sie will man mit ins Boot holen, denn schließlich ginge es um ein „Mehr Generationen Wohnen“. Dass man junge Menschen gewinnt, wenn man erst einmal ein Objekt hat, davon sind die Frauen überzeugt.

Doch das kann noch Jahre dauern. „Wir rechnen mit einem jahrelangen Kampf, um ans Ziel zu kommen“, sagt Judith D. Auch wenn sie es nicht mehr erleben sollte, es sei gut zu wissen, an dem Projekt mitgearbeitet zu haben, betont Jutta D., die mit 70 Jahren Älteste in der Runde. Ihre private Suche nach einem passendem Haus ist für die Frauen mittlerweile auch zu einem politischen Kampf für bezahlbaren Wohnraum geworden.

Wer Interesse hat, bei der Gruppe mitzumachen oder ein Objekt kennt, das infrage kommt, kann sich an Heide Luczak wenden, heide.luczak@t-online.de, oder kommt zum Treffen, jeweils am ersten und dritten Dienstag im Monat um 18 Uhr in der Villa Mittelhof, Königstraße 42.

(go)