Foto: Ausstellungsraum MEK

Der Kontakt und der kulturelle Austausch zwischen den Ländern Europas ist keineswegs ein neues Phänomen. Schon im Hochmittelalter entwickelte sich ein Binnenhandel und im 19. Jahrhundert wurden die ersten touristischen Reisen unternommen. Gleichzeitig besitzt jedes Land, ja sogar jede Region Europas individuelle Bräuche, traditionelle Trachten, besondere Musik und vieles mehr. Wer diese Gemeinsamkeiten und Vielfalt erleben möchte, der ist im Museum Europäischer Kulturen genau richtig.

Der kulturelle Austausch durch Handel, Reisen, visuelle Medien sowie Migration wird im ersten Teil der Dauerausstellung behandelt. Informative Texte und Filmaufnahmen verdeutlichen dabei die Zusammenhänge, während zahlreiche originale Ausstellungsobjekte den Besucher ins Staunen versetzen. Es ist bemerkenswert, wie sehr das Gelesene durch die Exponate gestützt wird. So liest man beispielsweise zunächst, warum eine Venezianische Gondel eine asymmetrische Form besitzt. Dreht man sich um, und betrachtet das Prachtexemplar von 1910, erkennt man, dass es eben dieses Merkmal aufweist. Auch die Geschichte der Seide wird durch prunkvolle Kleidungsstücke visualisiert. Wie sahen Reisesouvenirs im 20. Jahrhundert aus? Inwiefern beeinflussten die Erfindung der Lithographie und die Mechanisierung der Drucktechniken die Weltgewandtheit der Menschen? Welche Migrationsbewegungen erfolgten nach und innerhalb von Europa? Auf diese sowie weitere Fragen liefert das Museum Antworten.

Im nächsten Raum, wird deutlich, wie ähnlich religiöse Traditionen in den verschiedenen Europäischen Ländern ausgelebt werden und wurden. Der Besucher erfährt nicht nur was Votivbilder sind, sondern sieht auch, wie unterschiedlich Krippen aussehen können. Wie schon im ersten Raum, ergänzen sich Faktenwissen sowie die dazugehörigen Ausstellungsstücke in einer harmonischen Art und Weise, die den Menschen sowohl staunen lässt, als auch bildet.

Während sich der erste Teil der Dauerausstellung vor Allem auf die Kontakte zwischen den Kulturen fokussiert, wird nun deutlich, wie vielfältig Europa ist. Als ich auf meinem Rundgang den dritten Raum betrete, lese ich, dass hier „Ausdrucksformen und Zeichen lokaler, regionaler, ethnischer und nationaler Kulturen in Europa aus unterschiedlichen Zeiten präsentiert“ werden. Der Besucher bewundert eine im wahrsten Sinne des Wortes bunte Palette an Kostümen aus verschiedenen Europäischen Ländern, die dazu gehörigen Bräuche werden vorgestellt. Man beschaut Masken und hört traditionelle Lieder. Und dabei begreift man eines: Wer glaubt, dass kultureller Austausch die beteiligten Länder ihrer nationalen Identität beraubt, hat schlichtweg Unrecht. Und auch das Gegenteil ist der Fall: Obwohl jedes Land seine eigene Sprache und seine kulturellen Besonderheiten hat, sind Länder durchaus in der Lage miteinander zu kooperieren. Ohne Handel und Migration wäre Deutschland nicht Deutschland und Europa nicht Europa. Auch anderweitig wird der Besucher zum Nachdenken angeregt. Welche Funktionen haben Grenzen? Wie und aus welchen Gründen „verwurzeln“ sich die Menschen in ihrer Heimat? Inwiefern kann eine Uniform auch Individualität ausdrücken?

Foto: Ausstellung „Hochzeitsträume“

Ein besonderer Besuchermagnet scheint die Zeitausstellung „Hochzeitsträume“ zu sein. Ronja, eine Studentin der Freien Universität Berlin sagt, dass ihr vor allem die ausgestellten Kleider gefielen. Es sei interessant für sie, zu sehen, wie ähnlich Hochzeiten in den verschiedenen Ländern gefeiert werden. Tatsächlich sieht man in der Zeitausstellung märchenhafte Brautkleider aus verschiedenen Ländern und Jahrzenten. Auch Hochzeitsaccessoires sowie Torten kann man bewundern. Wer einen Sinn für Ästhetik und Kunst hat, sollte sich „Hochzeitsträume“ nicht entgehen lassen. Auch geschichtlich Interessierte sind nicht fehl am Platz. So erfährt man zum Beispiel, seit wann die Braut weiß trägt und in welchem Jahrhundert die Idee geboren wurde, dass eine Ehe auf Liebe gründen sollte. Besonders berührend sind die vielen persönlichen Geschichten, an denen der Besucher teilhat und die ihm anhand von Bildern, Texten, Videos, und einer Internet- Website nahegebracht werden. Da sind Maria und Ion, die in London leben, aber in Rumänien heiraten wollten. Oder Ayşe, bei deren Hochzeit Tränen flossen. Anhand von Statistiken erfährt man, wie hoch der Anteil der Scheidungen in verschiedenen Ländern ist und welche Rechte gleichgeschlechtliche Paare in diesen haben.

Foto: Ausstellung „100 Prozent Wolle“

Der Titel der zweiten Zeitausstellung lautet „100 Prozent Wolle“. Als ich den Raum betrete, werde ich von einer riesigen Schafsfigur empfangen. Ein Schild weist darauf hin, dass sie „Alma“ heißt und dass man auf Leitern den weichen Rücken besteigen darf. Es gibt eine beachtliche Auswahl an Büchern, in denen sich der Besucher über Themen, die ihn besonders interessieren explizit informieren kann. So gibt es beispielsweise Werke über das Leben von Schäfern, Strickgraffiti oder die Tiroler Schafe. Auf Informationstafeln lernt der Besucher verschiedene Schafrassen kennen, bekommt einen Einblick in das Leben von Schäfern und erlangt viele weitere Informationen rund um das Nutztier Schaf. Im dahinterliegenden Raum wird gestrickt, gehäkelt, geknüpft, gesponnen und gewoben. Jeden Sonntag gibt es dazu von 14 bis 17 Uhr eine offene Werkstatt. Kostenlos können die Besucher die zur Verfügung stehenden Materialien und Werkzeuge nutzen, während sie miteinander ins Gespräch kommen.
Die Ausstellungen des Museums haben von Dienstag bis Freitag, jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Am Samstag sowie am Sonntag kann man das MEK hingegen von 11 bis 18 Uhr besuchen. Der reguläre Eintrittspreis beträgt 8 Euro, der ermäßigte Betrag 4 Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre können das Museum Europäischer Kulturen kostenlos besuchen. Es ist teilweise barrierefrei.

In den folgenden Monaten finden im Museum Europäischer Kulturen zahlreiche interessante Veranstaltungen statt. So kann man am 12. Mai von 14 bis 18 Uhr ein Nachbarschaftsfest besuchen. Dort zeigt Birgit Claus vom Restaurant eßkultur, wie Hochzeitstorten verziert werden. Diese werden dann gegessen. Außerdem können Sie unter der Anleitung von Ele Busch von der Tanzschule Maxixe lernen, wie man Walzer tanzt. Am 25. Mai findet um 15 Uhr die Kuratorinnenführung „Ehe für Alle“ statt, während man am 1. Juni von 14 bis 17 Uhr an einem Filzworkshop teilnehmen kann. Weitere spannende Termine und die dazugehörigen Details finden Sie auf der Website des Museums. Wer die beiden Zeitausstellungen besuchen will, sollte sich jedoch beeilen und in den nächsten Monaten den Weg ins MEK finden. Die Zeitausstellung „100 Prozent Wolle“ endet am 23. Juni. Auch die „Hochzeitsträume“ währen nicht ewig, sondern nur bis zum 28. Juli.

Museum Europäischer Kulturen – Arnimallee 25, 14195 Berlin

(mh)