Ab 1929 wurde das Schulhaus in den Zinnowwald hinein gebaut. Foto: Denkmalschutzbehörde

 

Bröckelnder Putz, undichte Dächer, marode Toiletten – die Schulen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sind derzeit häufiger in den Schlagzeilen.

Nicht ohne Grund werden die zum großen Teil denkmalgeschützten Gebäude eher mit Sanierungsstau assoziiert als mit qualitätvoller Architektur und interessanter Geschichte. Dabei gibt es in der Schullandschaft des Bezirks so manches Kleinod zu entdecken, wie zum Beispiel die Zinnowwald-Schule. Sie ist das Denkmal des Monats Juni.

Durch den 1926 begonnenen Bau der Waldsiedlung Onkel-Toms-Hütte mit fast 2000 Wohneinheiten wuchs die Zahl der schulpflichtigen Kinder so stark, dass ein neuer Schulstandort im Norden Zehlendorfs notwendig wurde. Die Zinnowwald-Schule – benannt nach dem Standort im städtischen Zinnowwald – wurde von 1929 bis 1932 von Magistratsoberbaurat Erich Schwiertz, dem Leiter des Zehlendorfer Hochbauamtes, als Doppelvolksschule und erster Bauabschnitt eines größer geplanten Schulkomplexes erbaut. 1934 bis 1935 führte Richard Ermisch den Bau bis zur heutigen Ausdehnung anstelle des verstorbenen Schwiertz fort.

Der Name der Schule war Konzept. Der große Baukörper wurde mit seiner markanten Zickzack-Kubatur bewusst in den Kiefernwald komponiert. Nicht nur für die Architektur, sondern auch für das pädagogische Konzept spielte die Natur eine übergeordnete Rolle: Leben und Lernen in und mit derselben gehörte neben Musik- und Theatererziehung zu den Zielen der Schule. Das junge demokratische Deutschland suchte nach neuen Unterrichtsformen: „Fort von der Lernschule, fort von der alten Autoritätserziehung, hin zur Arbeitsschule, Erziehungsschule, Lebensschule“, postulierte der damalige Stadtschulrat Jens Nydahl. Derartig moderne Vorstellungen von Gesundheit und Erziehung bestimmten folglich auch das schulische Raumprogramm: Die Klassenräume sind hell und möglichst quadratisch, so dass Stühle und Tische frei gruppiert werden können. Diverse naturwissenschaftliche und handwerkliche Fachräume wurden eingerichtet.

Wichtiger Bestandteil des Schulprogramms ist der Sport, der einstmals nicht nur in der zweigeschossigen Doppelturnhalle, sondern auch im Freien auf der darüberliegenden Dachterrasse stattfinden konnte. Schulgarten und Freilufttheater ergänzen die Klassenräume in der freien Natur. Das Herzstück des Gebäudes aber bildet die Aula, die als Mehrzweckraum mit Bühne bestens für Theater- und Musikaufführungen geeignet ist.

So modern wie das pädagogische Konzept zeigen sich auch einzelne bauliche Bestandteile der Schule. Doch trotz ihrer gezielten Anwendung, wie der Ausgestaltung des Turmbaus als Flachdach oder die von Bruno Taut übernommenen mehrfarbigen Fenster, verkörpert die Schule mit ihrem Walmdach und dem rauen, erdigen Putz nicht die radikale Modernität der benachbarten Siedlung Onkel-Toms-Hütte.

Obwohl die Zinnowwald-Schule zwischenzeitlich als Lazarett und Krankenhaus genutzt wurde und bis zu drei verschiedene Schulen unter einem Dach beherbergte, ist sie noch weitgehend im Originalzustand erhalten. Zahlreiche Details wie die Fliesen im Eingangsbereich mit Abbildungen aus der Tier- und Pflanzenwelt oder die Trinkbrunnen mit den lustigen Motiven von Karl Götze erfreuen noch heute die Besucher.

Ein Schmuckstück ist die sanierte Aula, für deren denkmalgerechte Wiederherstellung 2005 die Ferdinand-von-Quast-Medaille für besondere Leistungen im Denkmalschutz an eine Eltern-Initiative verliehen wurde. Hier befand sich von 1943 bis 1953 ein öffentliches Kino, die „Zinnowwald-Lichtspiele“. Eine Gedenktafel erinnert ferner an den ersten Parteitag der Berliner SPD nach der verhinderten Zwangsvereinigung mit der KPD im Jahr 1946.

Der Turmbau dient mittlerweile unter anderem der Schulaufsicht mit Büroräumen. Dank der sorgfältigen Planung des Architekturbüros Hagemann + Liss konnten hier Bestandteile der ehemaligen Fachräume – Lehrküche, Näh- und Malklasse – in die heutige Nutzung integriert werden.

Leider macht der Sanierungsstau auch vor der Zinnowwald-Schule nicht halt. Gelder für die dringend sanierungsbedürftige Turnhalle sollen schon bereitstehen.

 

 

Sabine Schmiedeke,
Denkmalschutzbehörde