Dorit Grieser und Stephan Voß

 

Dorit Grieser und Stephan Voß sind Mitglieder der Initiative Bürger*innenbeteilligung Lichterfelde Ost und fungieren auch als Vertrauenspersonen für den Einwohnerantrag „Beteiligung stärkt die Demokratie und fördert gemeinnütziges Engagement – auch in Steglitz-Zehlendorf“. Für die StadtrandNachrichten standen beide Rede und Antwort.

In welchen anderen Bezirken/ Kommunen gelingt die Partizipation der Einwohner besser?

Stephan Voß: Partizipation bzw. Bürger*innenbeteiligung kann insgesamt in einem Bezirk bzw. in einer Kommune nur dann gelingen, wenn sie verbindlich und transparent gestaltet ist. Dafür sind in den Bezirken und Kommunen zunächst einmal die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Dies geschieht zumeist, nachdem die BVV in den Bezirken oder der Rat einer Kommune den Beschluss gefasst hat, genau dies zu tun. Zu diesen Voraussetzungen gehören erstens verbindliche Leitlinien, aus denen hervorgeht, wie genau in einem Bezirk/einer Kommune Bürger*innenbeteiligung organisiert werden soll, in welchen Fällen es sie geben soll, in welchem Rahmen sie stattfinden soll, mit welchen Mitteln sie durchgeführt werden soll, wer wann beteiligt werden soll, wer die Verantwortung für entsprechende Prozesse übernimmt und anderes mehr. Zweitens gehören sogenannte Vorhabenslisten dazu, aus denen für alle Bürger*innen ersichtlich ist, welche Vorhaben, insbesondere solche mit Bürger*innenbeteiligung, in einem Bezirk oder in einer Kommune geplant sind, drittens gehört eine Anlaufstelle für Bürger*innenbeteiligung dazu, an die sich Bürger*innen mit ihren Fragen und Anliegen mit Bezug zu Beteiligungsprozessen wenden können und die auch die Verwaltung bei der Umsetzung von Beteiligungsprozessen unterstützt und berät. Nicht zuletzt werden viertens natürlich auch finanzielle und personelle Ressourcen benötigt, um Beteiligungsprozesse professionell umzusetzen.

Einige dieser Voraussetzungen für gelingende Bürger*innenbeteiligung wurden in mehreren Berliner Bezirken inzwischen, wenn auch in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Akzentuierungen geschaffen. So haben z.B. unter anderem die Bezirke Lichtenberg, Treptow-Köpenick, Neukölln, Reinickendorf und Mitte Anlaufstellen für Bürger*innenbeteiligung – zum Teil auch, was wir sehr begrüßen, in der Verantwortung externer Dienstleister*innen – geschaffen, in anderen Bezirken, wie z.B.in Wilmersdorf-Charlottenburg befinden sie sich in Planung bzw. stehen sie kurz vor ihrer Eröffnung. Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung gibt es u.a. bereits in den Bezirken Mitte, Treptow-Köpenick und Neukölln und natürlich auch in verschiedenen Kommunen Deutschlands, wie z.B. in Heidelberg die „Leitlinien für mitgestaltende Bürgerbeteiligung in der Stadt Heidelberg“ oder die „Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn“ der Stadt Bonn.

Zumeist wird in diesen Leitlinien auch festgelegt, dass in den Bezirken bzw. Kommunen sogenannte Vorhabenslisten geführt und Steckbriefe der Vorhaben entwickelt werden, die für alle Bürger*innen einsehbar sind. Ein Instrument in Berlin dafür ist die Beteiligungsplattform mein.berlin.de.
Was die finanziellen und personellen Ressourcen für Bürger*innenbeteiligung betrifft, lässt sich an dieser Stelle nur feststellen, dass die Ausstattung in den Bezirken zum einen unterschiedlich und zum anderen zumeist noch besser sein könnte.

Steglitz-Zehlendorf wird nun nach dem Beschluss der BVV zu unserem Einwohnerantrag „Beteiligung stärkt die Demokratie und fördert gemeinnütziges Engagement – auch in Steglitz-Zehlendorf“ damit beginnen müssen, auch hier die Voraussetzungen für gelingende Bürger*innenbeteiligung zu schaffen. Das war auch das Anliegen, das wir mit dem Einwohner*innenantrag „Beteiligung stärkt die Demokratie und fördert gemeinnütziges Engagement – auch in Steglitz-Zehlendorf“ verfolgt haben.

Beteiligung scheint für die Verantwortlichen im Bezirk offenbar eine ungeliebte Randerscheinung bezirklichen Handelns zu sein. Hat sich bezüglich dieses Defizits schon etwas getan?

Dorit Grieser: Laut der Beteiligungsplattform mein.berlin.de gibt es derzeit in Steglitz-Zehlendorf (Stand 24. Juli 22) ein Projekt mit Beteiligung im Sinne von Mitwirkung – der Ersatzneubau der Moltkebrücke. Es handelt sich dabei um ein Projekt in der Verantwortung der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung. Des Weiteren werden 5 abgeschlossene Projekte genannt: Aufenthaltsqualität Kranoldplatz, Neubau Rathaus Steglitz-Zehlendorf, Aufenthaltsqualität Hermann-Ehlers Platz, Verkehrs- und Machbarkeitsuntersuchung Breitenbachplatz in der Verantwortung der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung und Umgestaltung von Spielplätzen im Heinrich Laehr-Park. Im Vergleich zu anderen Bezirken, wie z.B. Mitte mit 103 laufenden und 92 beendeten Projekten und selbst noch mit Marzahn-Hellersdorf mit 2 laufenden und 15 abgeschlossenen Projekten ist da noch viel Luft nach oben. Ein Blick darauf, was eigentlich unter Mitwirkung verstanden wird, zeigt dies ebenfalls ganz deutlich: Beim Projekt Moltkebrücke wird zum Beispiel darauf verwiesen, dass die Besucher*innen einer Infoveranstaltung per Handy in der Veranstaltung Fragen stellen können.

So hatten wir uns Mitwirkung nicht vorgestellt. Dennoch bleibt es dabei, dass manche gute Ansätze zu erkennen sind, wie z.B. die Kiezspaziergänge rund um den Kranoldplatz in Lichterfelde Ost – verbunden mit der Möglichkeit, auf mein.berlin.de eigene Ideen zur Umgestaltung des Ortsteilzentrums einzubringen. Wichtig wären natürlich nun auch entsprechende Rückkoppelungsprozesse des Dienstleisters und der Verwaltung, an diejenigen, die sich beteiligt haben. Im Übrigen gibt es auch positive Beteiligungsansätze, die auf mein.berlin.de gar nicht zu finden sind, wie z.B. die Beteiligungswerkstatt zum Bahnhofsvorplatz Lichterfelde West, zu der der Bezirksstadtrat Urban Aykal ebenso eingeladen hat, wie zu der in Südende, bei der es um Schulwegsicherheit, Verkehrsberuhigung vor allem in der Crailsheimer Straße sowie um Barrierefreiheit ging. Auch gab es eine Beteiligungswerkstatt mit Bezug auf das Gebiet zwischen Machnower Straße-Gutzmann/Leo-Baeck-Straße und Nieritzweg. Dass aber diese Beteiligungsprojekte auf mein.berlin.de nicht zu finden sind, weist natürlich auch darauf hin, wie weit Steglitz-Zehlendorf noch davon entfernt ist, alles, was Beteiligung betrifft, verbindlich in einem konsistenten Konzept für Bürger*innenbeteiligung zu regeln und transparent zu gestalten. Es bleibt also weiterhin noch sehr sehr viel zu tun.

Am 8.11.21 berichteten sie, dass Steglitz Zehlendorf 500.000 € für Bürger*innenbeteiligung liegen ließ. Die Begründung war, dass pandemiebedingt keine Bürgerbeteiligungen in Präsenz stattfanden. Wie sieht es jetzt mit dieser Geldsumme aus? Nachdem es zu den Öffnungen kam?

Stephan Voß: Die im Berliner Haushalt 20/21 für jeden Bezirk jährlich vorgesehenen 250.000 € waren gar nicht für Großveranstaltungen oder Ähnliches vorgesehen, wie die ehemalige Bezirksbürgermeisterin Richter-Kotowski suggerieren wollte, sondern für die Einrichtung und den Betrieb der Anlaufstellen für Bürger*innenbeteiligung. 9 von 12 Bezirken hatten diese Mittel zumindest zum Teil abgerufen, Steglitz-Zehlendorf unter Schwarz-Grün war nicht dabei. Nach unseren Kenntnissen hat das Abgeordnetenhaus mit dem Beschluss des Doppelhaushalts 22/23 den Bezirken diese Gelder erneut mindestens für die beiden kommenden Jahre wieder zur Verfügung gestellt.

Die Initiative Bürger*innenbeteiligung Lichterfelde Ost hat 1.423 gültige Unterschriften für den Einwohnerantrag „Beteiligung stärkt die Demokratie und fördert gemeinnütziges Engagement – auch in Steglitz-Zehlendorf“ sammeln können. Hatten Sie mit mehr oder weniger Unterschriften gerechnet? Wie zufrieden waren Sie mit dem Ergebnis?

Dorit Grieser: Wir hatten uns vorgenommen rund 1.500 Unterschriften zu sammeln, damit wir nach Abzug von ungültigen Unterschriften auf jeden Fall das Quorum von 1.000 gültigen Unterschriften erreichen würden. Das haben wir mit über 1.600 Unterschriften, von denen 1.423 als gültig durch das Bezirksamt anerkannt wurden, erreicht. Wir waren zufrieden.

Inzwischen hat die BVV Steglitz-Zehlendorf den Einwohnerantrag der Initiative Bürger*innenbeteiligung Lichterfelde Ost in leicht veränderter Form mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, CDU und DIE LINKE beschlossen. Was bedeutet leicht veränderte Form, was mussten Sie zähneknirschend hinnehmen?

Stephan Voß: Zähneknirschend haben wir gar nichts hinnehmen müssen. Wir haben viel gefordert und es ist ganz normal auch im politischen Leben, dass man nicht sofort oder auch immer alles bekommt, was wünschenswert wäre. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass sich die BVV nicht hat dazu durchringen können, zusätzliche Mittel für Bürger*innenbeteiligung schon für den damals noch zu beschließenden Doppelhaushalt 22/23 vorzusehen und dass sie der mit dem ursprünglichen Antrag verbundenen Idee – zumindest am 18. Mai – eine Absage erteilt hat, den Bürger*innen so viel Mitgestaltung und Entscheidungsbefugnis wie möglich einzuräumen – natürlich bei Wahrung aller ihrer Rechte als Bezirksverordnete. Ohne jede Not hat die BVV die von uns im Kontext von Beteiligungsprozessen genannten und in der Fachdiskussion anerkannten Stufen der Partizipation „Information, Mitwirkung, Mitentscheidung und Entscheidung“ zugunsten einer nichtssagenden Aussage über das Vorhandensein von Partizipationsstufen im Allgemeinen aus der Beschlussvorlage gestrichen.

Was ist als Erfolg zu werten?

Dorit Grieser: Es ist als Erfolg zu bewerten, dass der Einwohnerantrag von allen Fraktionen der BVV außer der AFD beschlossen wurde, weil nunmehr das Bezirksamt auf der Basis einer breiten fraktionsübergreifenden Zustimmung in der BVV verpflichtet ist, Bürger*innenbeteiligung an laufenden und geplanten bezirklichen Vorhaben im Bezirk zu verankern, umfassend zu fördern und professionell umzusetzen. Konkret heißt dies unter anderem, dass verbindliche Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung als gemeinsames Projekt von Bürger*innenschaft, Politik und Verwaltung erarbeitet sowie eine Anlaufstelle für Bürger*innenbeteiligung etabliert werden muss und die vom Senat zur Verfügung gestellten Fördergelder abgerufen werden müssen. Auch sind in den kommenden Haushalten für Bürger*innenbeteiligung in ausreichendem Maße zeitliche Ressourcen in Stellenbeschreibungen und -zumessungen sowie personelle und finanzielle Ressourcen zu berücksichtigen. Das Alles ist für unseren Bezirk wirklich ein Fortschritt. Jetzt muss nur noch die Umsetzung des Beschlusses erfolgen.

Wie wird gewährleistet, dass das Bezirksamt sich an die beschlossenen Anforderungen hält?

Stephan Voß: Wir werden genau verfolgen, was seitens des Bezirksamts unternommen wird, um den Beschluss der BVV umzusetzen. Wir werden an die Verantwortlichen, wenn nötig, Fragen stellen, wir werden weiterhin auch Informationen zum Fortgang der Dinge an die Öffentlichkeit bringen und wir werden uns zu Wort melden, falls sich das Bezirksamt nicht an die Beschlüsse der BVV halten sollte. Wir haben bereits einen umfangreichen Fragenkatalog zu seit Mai erfolgten und für die nahe Zukunft geplanten Umsetzungsschritten an die für Bürger*innenbeteiligung zuständige Stadträtin Carola Böhm gesandt.

Deren Antwort auf unser Schreiben hat uns aufhorchen lassen, schreibt sie doch, dass es unüblich sei, einzelnen Bürger*innen über den Stand der Umsetzung der in dem Einwohnerantrag formulierten Anliegen zu berichten. Sie versichert uns vielmehr, dass die Umsetzung des Antrages schrittweise erfolge und mit Abschluss des Sommers in der BVV und damit der Öffentlichkeit Bericht erstattet werde. Beteiligungsformate zur Erstellung der Leitlinien würden zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bekannt gemacht werden.

Nun fragen wir uns als Vertrauenspersonen eines Einwohnerantrages, der von über 1.400 Menschen unterzeichnet wurde, ob es angemessen ist, uns in diesem Kontext als einzelne Bürger*innen zu charakterisieren und noch nicht einmal als Initiative anzusprechen, die sich für Bürger*innenbeteiligung im Bezirk einsetzt. Und wir fragen uns, ob es wirklich dem in der Zählgemeinschaftsvereinbarung von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP formulierten Aufbruch in eine neue Kultur der Beteiligung und dem Anspruch eine transparente, offene, beteiligungsorientierte und moderne Bezirksverwaltung zu schaffen, entspricht, Fragen zur Umsetzung des Antrages nicht zu beantworten, nur weil dies angeblich unüblich ist. Man könnte, wenn man wollte, das Unübliche ja einfach mal machen.

Hinzu kommt, dass mit dem Einwohnerantrag beschlossen wurde, die Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung als gemeinsames Projekt von Bürgerschaft, Verwaltung und Politik zu entwickeln. Ein solches Vorhaben verlangt Transparenz, eine informierte Bürger*innenschaft und gemeinsame Diskussionen bereits im Vorfeld von Entscheidungen. Eine einfache Bekanntgabe von Beteiligungsformaten durch die Verwaltung ist hier keinesfalls ausreichend. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn wir die gewünschten Informationen vom Bezirksamt bekämen und würden dies nicht nur als respektvollen und zukunftsweisenden Umgang der Verwaltung mit dem Informationsbedürfnis von Bürger*innen und Initiativen verstehen, sondern auch als Bedingung für Partizipation, deren erste Stufe die Information ist, und zwar insbesondere auch die Information im Vorfeld von Entscheidungen.

Gibt es in den anderen Bezirken diese geforderte Mitgestaltung und Entscheidungsbefugnis der Bürger?

Dorit Grieser: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es im Allgemeinen nicht so einfach ist, Entscheidungsbefugnisse, die man hat, an andere abzugeben. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass man möglicherweise Einfluss verliert und ggf. auch zusätzliche Zeitressourcen einsetzen muss, sondern auch damit, dass Verantwortlichkeiten zu klären sind, wenn Befugnisse auf andere übergehen. So lässt sich vielleicht ein wenig besser verstehen, dass sich alle Bezirke mit den Stufen Mitentscheidung und Entscheidung im Rahmen der Bürger*innenbeteiligung eher noch schwer tun. Wenn Sie auf der Beteiligungsplattform mein.berlin.de nach Beteiligungsprojekten suchen, in denen Bürger*innen Entscheidungsbefugnisse haben, werden sie keines finden und wenn es um Mitentscheidung geht, finden sich ganze zwei Projekte im Bezirk Mitte. Hier ist also noch ein weiter Weg zurückzulegen. Ermutigend mit Blick auf die tatsächliche Beteiligung von Bürger*innen an Entscheidungsprozessen sind jedoch Projekte wie Bürger*innenhaushalte, wie es sie unter anderem in Lichtenberg inklusive eines Kiezfonds und in Marzahn-Hellersdorf gibt.

Ermutigend ist auch, dass zumindest in den Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung einiger Bezirke die Partizipationsstufen Mitentscheidung und Entscheidung erwähnt sind, wie z.B. in denen von Treptow-Köpenick und von Neukölln. Dort heißt es z.B., ich zitiere, „Die Beteiligung von Bürger*innen sollte möglichst nicht auf die Stufe der Information, die als Basis jeder Beteiligung angesehen werden kann, beschränkt bleiben. Die Leitlinien beziehen sich deshalb vor allem auf die beiden mittleren Stufen: Es geht um die Mitwirkung von und Beratschlagung mit Bürger*innen oder auch darum, dass sie an konkreten Projekten mitplanen und gegebenenfalls über mögliche Lösungsvorschläge auch mit abstimmen können, also auch um eine Kooperation mit den Beteiligten“. Zusammenfassend muss man mit Blick auf die Partizipationsstufen „Mitentscheidung“ und „Entscheidung“ heute sicherlich noch feststellen, dass es weiteren Handlungsbedarf gibt. Dies ist jedoch angesichts der Tatsache, dass die meisten Bezirke das Thema Beteiligung noch nicht allzu lange mit Priorität bearbeiten, nicht verwunderlich. Wir alle stehen trotz aller Erfolge, was die Weiterentwicklung von Bürger*innenbeteiligung betrifft, noch ziemlich am Anfang eines eher langen Prozesses.

Es muss deshalb noch viel experimentiert und diskutiert und es müssen offenbar noch viele Erfahrungen gesammelt werden, bis Bürger*innen in angemessener Weise auch Mitentscheidungs- und Entscheidungsbefugnisse in informellen Beteiligungsprozessen eingeräumt werden. Man könnte z.B. darüber nachdenken, bei geeigneten Projekten, wo es mehrere gleichwertige, jedoch unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten gibt, Bürger*innen entscheiden zu lassen, welche der Alternativen am Ende umgesetzt wird. Oder man könnte innerhalb einzelner Vorhaben, Punkte identifizieren, an denen Bürger*innen über Teilaspekte eines Projektes mitentscheiden oder sogar entscheiden können. Auch wenn wir nicht so weit sind, können wir auf Grund der aktuellen Entwicklungen zuversichtlich sein, dass wir hier in den nächsten Jahren in den Bezirken und auch auf Landesebene, auf der ja unter anderem auch mit Bürger*innenräten und einem Bürger*innenhaushalt experimentiert wird bzw. werden soll, weiterkommen werden.

Wie geht es trotz des Beteiligungsdefizits für die Initiative weiter?

Stephan Voß: Wir werden, wie gesagt, die Implementation von Bürger*innenbeteiligung in Steglitz-Zehlendorf wohlwollend und kritisch begleiten, wir werden also am Ball bleiben. Wir freuen uns über die seitens verschiedener Fraktionen der BVV und auch der für Beteiligung zuständigen Stadträtin gemachten Kooperationsangebote zur Weiterentwicklung der Bürger*innenbeteiligung hier im Bezirk. Wir werden gern kooperieren, wo sich dies anbietet. Wir könnten uns auch gut vorstellen, an der Entwicklung von Leitlinien für Bürger*innenbeteiligung mitzuwirken.

Was sind die nächsten Schritte und Ziele?

Dorit Grieser: Zunächst einmal werden wir nach den Sommerferien auf den Märkten von Steglitz-Zehlendorf über den Beschluss der BVV zu dem Einwohnerantrag und die sich daraus ergebenden Konsequenzen informieren und uns auf diese Weise symbolisch auch bei all denen bedanken, die den Antrag mit ihren Unterschriften unterstützt haben. An dem im Einwohnerantrag formulierten Ziel, dass Bürger*innenbeteiligung in unserem Bezirk strukturell verankert, umfassend gefördert und professionell umgesetzt wird, halten wir natürlich fest. Unsere weiteren konkreten Schritte, um dieses Ziel zu erreichen, werden wir in Abhängigkeit vom Verlauf des Implementierungsprozesses von Bürger*innenbeteiligung in unserem Bezirk planen. Da die für Bürger*innenbeteiligung zuständige Stadträtin Carola Böhm uns hierzu jedoch, wie gesagt, keine Auskunft erteilen möchte, was im Übrigen leider nicht unüblich für Verwaltungshandeln ist, werden wir uns sicherlich überlegen müssen, wie wir an die gewünschten Informationen gelangen können. Unabhängig davon, ob uns dies gelingt, sind wir sicher, dass Bürger*innenbeteiligung in Steglitz-Zehlendorf noch nie auf einem so guten Wege war, wie dies seit dem BVV-Beschluss zu unserem Einwohnerantrag der Fall ist.

 

Michael Filip Schaffhauser