Auf der einen Straßenseite des Nieritzwegs sind fast alle Hecken weg. Foto: Gogol

Die Anwohner am Nieritzweg sind entsetzt: In den vergangenen Wochen haben die Rodungen der Sträucher, des sogenannten Straßenbegleitgrüns, begonnen. „Wir wurden davon völlig überrascht“, sagt eine Anwohnerin. Sie  hat Unterschriften gesammelt und sich gemeinsam mit anderen Bürgern an Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) gewandt, um einen Stopp der Maßnahme zu fordern. „Wir sind doch ein grüner Bezirk“, sagt die Zehlendorferin. Was sie vor allem ärgert, ist, dass die Anwohner nicht eingebunden wurden in die Entscheidung. Vielleicht hätte sich dann eine Möglichkeit finden können, dass sie die Pflege der Hecken übernehmen. Auch die Chance, sich Alternativen zur Rodung überlegen zu können, sei ihnen genommen worden, kritisiert die Anwohnerin.

Zudem verweist sie auf die verkehrsberuhigende Wirkung der Hecken. Zahlreichen Kinder leben in den Häusern am Nieritzweg. Durch die Hecken würden diese „nicht sofort auf die Straße purzeln“, sagt die Mutter eines vierjährigen Sohnes. In der Straße würde sich kein Autofahrer an die vorgeschriebenen 30 km/h halten. Es gibt Beschlüsse der Bezirksverordneten, die Straße durch geeignete Maßnahmen zu beruhigen. Die Heckenrodung sei aber genau das Gegenteil. Dadurch würde die Straße breiter wirken und noch mehr zum Rasen animieren, befürchtet die Anwohnerin.

Derzeit wurde aufgrund der Anwohnerproteste die Maßnahme gestoppt. Die Anwohnerin hofft bis Februar, damit ein Bürgerdialog zustande kommt und man die Chance habe, Vorschläge zu unterbreiten. „Es geht darum, dass sie uns zuhört“, appelliert die Anwohnerin an Markl-Vieto.

Die hatte im Oktober die Umgestaltung des Straßenbegleitgrüns per Pressemitteilung bekanntgeben. „Durch Gehölz- und Heckenrodungen sollen Fuß- und Radwege besser passierbar sein und Unfallgefahren durch mehr Transparenz im Verkehrsraum vermieden werden.“

Piraten fordern Markl-Vietos Rücktritt

Dass solch eine Aktion gerade von eine grünen Stadträtin durchgesetzt wird, stößt auch beim politischen Gegner auf Unverständnis. Besonders skandalös ist nach Meinung der Piratenpartei, dass Markl-Vieto in einem Brief an die Anwohner die Rodung unter anderem damit verteidigt, „dass nach der Entfernung der Hecke eine geplante schrittweise Verbreiterung des Fahrradweges … eher eine ökologische Aufwertung denn Schädigung darstellt.“ „Eine grüne Stadträtin, die Grünflächen durch versiegelte Landschaft ersetzt und dies noch als ‚ökologische Aufwertung‘ darzustellen versucht, disqualifiziert sich selbst und sollte sich fragen, ob sie den Anforderungen dieses Amtes gewachsen ist“, ist Alf Jarosch, Gebietsverantwortlicher der Piratenpartei für Steglitz-Zehlendorf, empört.

Rainer Ziffels, Sprecher der SPD-Fraktion im Umweltausschuss, verweist auf den ökologischen Wert der Hecken, die „wertvolle ökologische Nischen“ für Vögel, Insekten und Igel böten. „Sie sind auch besonders wichtig für den Biotopverbund, der einen Artenaustausch zwischen verschiedenen Grünflächen erst ermöglicht, selbst, wenn diese nicht aus Gehölzen mit hoher ökologischer Wertigkeit bestehen“, so Ziffels weiter. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Buchta verweist zudem darauf, dass die Hecken ebenso das Ortsbild prägen wie die Villen, für deren Erhalt sich die schwarz-grüne Zählgemeinschaft im Bezirk stark mache.

Eine Frage des Geldes

Der Kahlschlag am Nieritzweg ist erst der Anfang. Zehn weitere Straßen in Nikolassee, Wannsee und Zehlendorf droht das gleiche Schicksal. Auch der Chausseestraße in Wannsee. Dort ärgert sich Wolfgang Immenhausen, Inhaber der Galerie Mutter Fourage, seit Jahren über die Hecken-Politik des Bezirks. Jedes Jahr würden dort die Hecken extrem heruntergeschnitten. „Das ist ein Frevel“, sagt er. Die Sträucher spendeten Sauerstofff, böten Vögeln ein Refugium und seien nicht zuletzt auch ein schöner Anblick. Mehrmals habe er sich beschwert. Ein Verjüngungsschnitt alle fünf Jahre würden seine Meinung nach ausreichen. Eine Rodung, wie nun geplant, sei für ihn absolut schwachsinnig, sagt er. Denn die Hecken seien nützlich und schön.

Auf eine Nachfrage der StadtrandNachrichten zu den Gründen der Rodungen antwortete Markl-Vieto bisher nicht. Allerdings liegt uns ihr Antwortschreiben an die Anwohner des Nieritzweges vor. Dort nennt sie vor allem finanzielle Gründe für die Rodungen: „Angesichts der angespannten finanziellen Situation des Bezirks ist es unumgänglich, auch im Bereich Grünflächenunterhaltung weniger Geld auszugeben. Der Heckenschnitt in elf Straßen im Bezirk ist, nach Abwägung aller Alternativen, als die am wenigsten drastische Maßnahme identifiziert worden.“ Die Unterhaltung des Straßenlandes koste im Jahr 145.000 Euro mehr, als der Bezirk vom Senat dafür erhalte, führt die Bezirksstadträtin aus. „Dieser Mehraufwand geht zu Lasten der Pflege der öffentlichen Grünanlagen, Spielplätz, Schulhöfe und Friedhöfe.“ Deshalb müssten die Kosten für die Pflege des Straßenbegleitgrüns gesenkt werden. Die Kosten für einen zweimaligen Heckenschnitt lägen bei sechs Euro je Quadratmeter im Jahr, das Mähen der Rasenfläche, die als Ersatz gesät werden soll, koste lediglich zwei bis zehn Cent je Quadratmeter. Das würde bei den elf Straßen eine Einsparung in sechsstelliger Höhe bedeuten, erklärt die Bezirksstadträtin.

Doch das Geld-Argument wollen Piraten und SPD nicht gelten lassen. Die SPD wirft Markl-Vieto vor, falsche Prioritäten zu setzen. Es würde zuviel Geld – 500.000 Euro im Jahr – für Baumpflanzungen ausgegeben. Statt dessen sollte ein Teil des Geldes in die Unterhaltung der Grünflächen fließen, so Buchta. Jarosch verweist auf die Geldverschwendung etwa für Prestige-Projekte wie Sarazenu: „Grüne und CDU haben in den letzten Jahren Millionen Steuergelder im Bezirk verschleudert, aber für den Erhalt der Infrastruktur, zu der eben auch die Schmuckhecken im Nieritzweg, Mühlenstraße und Sundgauer Straße gehören, sind angeblich keine Mittel mehr vorhanden.“

Nieritzweg ist erst der Anfang

Zu den Naturschutzargumenten erklärt Markl-Vieto, dass die Hecken nur einen „eingeschränkten ökologischen Wert“ hätten und darin auch keine Vogelnester gefunden wurden. In der Aussaat von Wiese sieht sie sogar eine „ökologische Aufwertung“. Auch den ortsteilprägenden Charakter der Hecken weist Markl-Vieto zurück, da ein Ortsbild sich ständig verändere. Das Angebot der Anwohner, sich um die Hecken zu kümmern, weist sie zurück. Im Straßenland sei dies aufgrund der Straßenverkehrsordnung und der Unfallverhütungsvorschriften nicht möglich.

Insgesamt sollen 8.000 Meter Hecke im Bezirk gerodet werden. Betroffen davon sind die folgende Straßen: in Wannsee Chausseestraße, Grüner Weg, Johannes-Niemeyer-Weg, Philipp-Franck-Weg und Wannseebadweg (Bereich Parkplatz), in Nikolassee Mutter-Mochow-Weg, Wasgensteig und Wiesenschlag sowie in Zehlendorf Mühlenstraße, Nieritzweg und Sundgauer Straße. Dass weitere Straßen folgen, schloss Markl-Vieto in der jüngsten Bezirksverordnetenversammlung nicht aus.

(go)