Der Kulturkiosk in Zehlendorf ist ein typischer Bau der 1950er Jahre. Foto: Gogol

 

Der 1955 entstandene Zeitungskiosk ist das wahrscheinlich kleinste Bauwerk des Zehlendorfer Architekten Kurt Kurfiss. Der heute als Kulturkiosk bekannte Bau zeigt deutlich alle für die 1950er Jahre typischen Merkmale.

Markant sind die weit auskragenden Dächer, wie sie von Tankstellenbauten aus dieser Zeit bekannt sind. Wie sich verjüngende Flügel zu beiden Seiten schweben sie über den verglasten Innenraum hinaus. Das geschickt auf der Unterseite eingelassene Lichtband beleuchtet die Verkaufstheke. Die praktisch gegliederten Schiebefensterfronten sind mit einfachen und schlichten Beschlägen ausgestattet. Die eingelegten güldenen Streifen verleihen den Profilen Eleganz und Glanz. Ein typisches Stilmittel dieser Zeit ist die kontrastreiche Fassadengestaltung: eine abgeschrägt montierte Thekenverkleidung mit hellgelben lochgemusterten Brüstungsplatten stellt sich gegen ein Vertikalstreifenmuster aus Keramikplatten, das die schwarz-weiß gerippten Buchthaler Fliesen zeichnen. Wie konnte an dieser zentralen Stelle in Zehlendorf ein Kiosk entstehen? Was ist ein Kiosk?

Das Wort Kiosk stammt aus dem Persischem und bedeutet Ecke oder auch Winkel. Später bezeichnet das Wort auch einen Pavillon oder ein Gartenhaus. Bereits im alten Ägypten sind Kioske nachgewiesen. Im Gegensatz zu der heutigen profanen Nutzung wohnten in ihnen Könige und gar Götter. Die deutlich größeren, teils pavillonartigen Gebäude waren Orte für Verehrung oder andere religiöse Handlungen.

Die Pavillons im islamischen Kulturkreis wurden im 16. Jahrhundert zur Entspannung in den fürstlichen Ländereien errichtet und sollten den privaten Reichtum des Adels demonstrieren. In Städten wie Kairo und Istanbul entstanden von reichen Familien gesponserte sogenannte Brunnenhäuschen. Diener, die ihren Platz im oder vor dem Häuschen hatten, schenkten an öffentlichen Plätzen frisches Wasser aus. Der Tempel mit einem umlaufendem Säulengang – Peripteros – ist das Vorbild für griechische Kioske. Erst im 19. Jahrhundert sind diese in Europa zu finden. Sie stehen im öffentlichen oder privaten Raum. Gartenlauben lässt das gehobene Bürgertum bauen – ob als Liebesnest oder Rückzugsort. In öffentlichen Anlagen etablieren sich ferner Musikpavillons, Aussichtspunkte oder Kunstobjekte.

Zum Ende des 19.Jahrhunderts kristallisiert sich die auch heute noch übliche Funktion des Kiosks heraus. An Straßen oder auf Plätzen wird das Verkaufshäuschen für jedermann zugänglich. Das ursprüngliche Erfrischungsangebot wurde auf andere Getränke und Genussmittel und letztlich um Zeitschriften ausgeweitet. So erklärt sich die Boulevardzeitung als Nachrichtenblatt der Pariser Kiosques an den großen Boulevards, die meist ausschließlich Zeitungen, Tabak oder Blumen verkauften. Vergleichbar sind in Deutschland die im Ruhrgebiet und Rheinland bekannten Büdchen. Das unter Denkmalschutz stehende Bundesbüdchen wurde 1957 gebaut und wartet eingelagert – es wurde wegen der baulichen Veränderungen im Bonner Regierungsviertel abgebaut –  auf seine Wiederaufstellung. Ebenso in den 1950er Jahren entstanden die Fliegenpilzkioske. Sie waren für den Verkauf von Milchprodukten konzipiert. Parallel zog es die jungen Leute in die Milchbars, um sich bei Bananenmilch zu treffen. Der Regensburger Milchpilz konnte durch die Listeneintragung als Denkmal vor einem Abbruch gerettet werden.

Beispiele der Architektur  Kurt Kurfiss‘:

Dem Zehlendorfer Kiosk droht kein Abbruch, auch er ist als Baudenkmal eingetragen und steht im Ortskern von Zehlendorf als eine Art Planungs-Relikt der 1950er Jahre. Für seinen Entwurf zum Wettbewerb Zehlendorf Zentrum erhielt Kurt Kurfiss 1953 den ersten Preis. Realisiert wurde nur der Kiosk. An vielen anderen Stellen in Zehlendorf ist aber zu sehen, dass und wie er sich als Architekt etablieren konnte. Ganz in der Nähe und annähernd zeitgleich gestaltete er den Ladenbereich am Teltower Damm 22 zum Deutschen Reisebüro, ebenfalls ein eleganter Entwurf, der auch heute noch überzeugt. Aus dieser Zeit stammen auch der Minigolfclub in der Fischerhüttenstraße 54 und das als Denkmal eingetragene Einfamilienhaus Im Dol 71. Für einen Spaziergang auf den Spuren von Kurfiss hier noch einige seiner Werketappen: das Einfamilienhaus in der Hochbaumstraße 77 (Baudenkmal), die Hilfswerksiedlung An den Hubertushäusern, die Atriumhaussiedlung Schlettstadter Straße 50/54, Siedlung Mörchinger Straße 123/129, die Mehrfamilienhäuser Teltower Damm 261, Beuckestraße 12/14, Mühlenstraße 46 und Milinowskistraße 26/28, das Blumenhaus Rothe Clayallee 282 und sein eigenes Haus Milinowskistraße 14/16. Das Gemeindezentrum in der Sundgauer Straße 47 wurde leider Ende der 1980er Jahr abgebrochen, was sehr zu bedauern ist, da dieser Entwurf sich besonders durch die Klarheit des Konzepts, Konsequenz und Bescheidenheit auszeichnet.

An den Bauten von Kurfiss ist ganz klar die Handschrift eines vielseitigen Architekten ablesbar. Seine Orientierung an Heinrich Tessenow ist deutlich, aber auch sein architekturästhetisches Verständnis für Einfachheit und vornehmene Zurückhaltung. Mit Tessenows These „Das Einfache ist nicht immer das Beste, aber das Beste ist immer einfach“ beginnt er das Buch über sein eigenes Werk. Den zum Leitbild erkorenen Satz ergänzt er: „Der Architekt sollte so bauen, dass er seine Bauten noch nach Jahren anschauen kann, ohne zu erröten.“ Die Frage ob Steildach oder Flachdach beantwortet er pragmatisch. Unsere Kulturlandschaft sei traditionell durch das Steildach geprägt. Das Steildach begünstige die Wirtschaftlichkeit eines Hauses und biete Ausbaumöglichkeiten. Das Flachdach hingegen sei in seiner Herstellung aber nicht unbedingt in der Unterhaltung kostengünstiger. Es könnte in den 1950er Jahren als modisch angesehen worden sein. Für Kurfiss ist die Wahl des Daches jedoch eine Stilfrage, die sich aus der Zweckmäßigkeit entwickelt. Wo ist der Standort des Hauses? Wie sieht die Umgebung aus? Wie stellen sich die Bedürfnisse der Bewohner dar?

Kurt Kurfiss war auch Maler und Zeichner, er hat Skulpturen und Plastiken gefertigt. Die Kunstobjekte finden Raum in seinen Häusern oder sie zieren die Fassaden. Reliefs aus unterschiedlichen Materialien nutzt er als Fassadengestaltung oder setzt sie als freistehende Elemente in den Naturraum.

Über den Künstler Kurt Kurfiss schließt sich der Kreis wieder zum Kulturkiosk. Ist der Kulturkiosk gefüllt mit Kultur oder ist er selbst ein Stück ebendieser? Der Name jedenfalls war die Idee des Zehlendorfer Kulturvereins, der hier über entsprechende Angebote im Südwesten Berlins informieren will. Zur Eröffnung des Kulturkioskes im November 1996 respektive des kleinen Pavillons mit Samowar und Programmen, wurde vieles auch „live“ geboten. Kiosk mit Kultur also!

 

Michaele Brunk, Denkmalschutzbehörde