Bildnachweis: Ute Scheub

Der weltweite Klimastreik, ausgerufen von der 16-jährigen Greta Thunberg, zeigt: Die Jugendlichen sind heute die eigentlichen Erwachsenen. Sie verlangen: „Macht endlich eure Hausaufgaben!“ Viele Erwachsene aber, vor allem die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, verleugnen weiter in kindischer Manier den Ernst der Lage.

Auf der Berliner Klimademonstration mit ihren rund 270.000 Teilnehmenden waren so viele junge Stimmen zu hören wie nie zuvor. Ein Achtjähriger feuerte die Leute um ihn herum mit Parolen an: „Kohlekonzerne baggern in der Ferne, verschmutzen die Welt für bloß ’nen Batzen Geld.“ Eine Zwölfjährige trägt ein Schild mit der selbstgemalten Forderung: „Kurzstreckenflüge nur noch für Insekten!“ Und ein anderer hält ein Plakat hoch: „Ich bin 10 und habe verstanden. Dann werdet ihr das wohl auch schaffen.“

Der „Nachbarschaftsverein Papageiensiedlung“, angesiedelt in der Zehlendorfer Onkel-Tom-Siedlung, möchte auf die berechtigte Kritik der Jugendlichen mit konkreten Maßnahmen und Aktionen antworten. Anfang 2019 hat er das Projekt „Klimafreundliche Papageiensiedlung (KliP) – CO2neutral bis 2030“ ausgerufen. Deshalb ist er auch mit einem eigenen Block auf der Berliner Klimademonstration präsent. Die etwa 50-köpfige Gruppe, die sich vormittags auf dem U-Bahnhof Onkel Toms Hütte zur gemeinsamen U-Bahnfahrt zum Brandenburger Tor trifft, besteht aus Kindern und Jugendlichen, Eltern und Großeltern sowie kinderlosen Erwachsenen.

Gefragt, warum sie mitdemonstriere, antwortet die Grafikerin und Mutter Inge Tomann: „Wenn nicht jetzt, wann sonst?“ Und der Musiker Matthias Schwalbe: „Unsere Generation hat den Planeten leergefressen. Ich frage mich, ob unsere Enkelkinder noch eine Chance haben.“ Seine Frau Susanne Hermann, die das Schild „Grandparents for Future“ trägt, ergänzt: „Es muss unbedingt was passieren. Schluss mit Pillepalle!“ Die Wasserbauingenieurin Gabriele Schulze sieht sich als „Berufsgrüne“ und findet: „Local goes global.“ Die Physiotherapeutin Isabell Gosebruch meint: „Wir müssen Verantwortung spüren und Zeichen setzen.“ Und der Architekt und achtfache Großvater Thies Boye erzählt, dass er zu den Solarpionieren in der Siedlung gehöre.

Bildnachweis: Ute Scheub

Apropos Solaranlagen: Die Flachdächer der Papageiensiedlung mit Solarmodulen auszustatten, das ist eines der Unterprojekte von KliP. Die Hoffnung: Wenn einige Nachbarn anfangen, machen es andere nach. Vielleicht weist die Siedlung dann irgendwann 1.000 Solardächer auf. Am Denkmalschutz jedenfalls, so viel ist schon geklärt, wird es nicht scheitern – die vergleichsweise flachen Solarmodule sind von der Straße aus nicht zu sehen.

Diese und weitere Informationen sind am Abend des Klimastreiks zu hören, als der Verein Papageiensiedlung zu einer mit 80 Personen gut besuchten Bürgerversammlung in den EMA-Gemeindesaal einlädt. Dort stellen die vier autonom und ehrenamtlich arbeitenden „Fokusgruppen“ ihre Zwischenergebnisse und die weiteren Schritte vor. Der große Vorteil der Siedlung: Die von Bruno Taut und weiteren Architekten gebauten Reihenhäuser sind weitgehend baugleich, bauliche Lösungen können von allen Interessierten übernommen werden.

Die „Dachgruppe“, so ist zu hören, plant neben Solardächern in den nächsten Monaten auch, die Wärmedämmung der Häuser von innen zu verstärken. Die „Fokusgruppe Mobilität“ will Menschen bewegen, ihr Auto mit anderen zu teilen oder ganz darauf zu verzichten. Zwei Familien in der Siedlung machen es vor, dass der Alltag auch mit vier kleinen Kindern autolos mit Lastenrädern zu bewältigen ist und dabei auch noch Spaß macht. Die „Fokusgruppe Gesundes und altersgerechtes Wohnen“ möchte ins Bewusstsein rücken, dass das Heizen mit holzbefeuerten Kaminöfen im Winter viel Feinstaub freisetzt. Und die „Fokusgruppe Grün“ kümmert sich um den Erhalt der Artenvielfalt in dieser waldnahen Siedlung und um die Kompostierung von Küchen- und Gartenabfällen nach der klimafreundlichen Terra-Preta-Technik. Das spart pro Kilo Pflanzenkohle, die in den Kompost eingestreut wird, mehr als drei Kilo CO2 ein. Und schafft obendrein eine der fruchtbarsten Erden der Welt, auf der selbst in den Kleingärten dieser Waldsiedlung eigenes Gemüse gezogen werden kann.

Mehr Informationen auf: www.papageiensiedlung.de

(Ute Scheub)