Der Aufruf zur Mobilmachung im Zehlendorfer Anzeiger. Archiv Heimatverein Zehlendorf

Am 1. August vor 100 Jahren gab es der Zehlendorfer Anzeiger per Extrablatt bekannt: Am Sonntag, 2. August 1914, beginnt die Mobilmachung. Wie viel junge Männer aus Zehlendorf in den Ersten Weltkrieg zogen, kann Klaus-Peter Laschinsky, der Vorsitzende des Heimatvereins Zehlendorf, zwar nicht sagen, aber aus einem zeitgenössischen Bericht weiß er, dass sich hunderte von jungen Leuten vor dem Landratsamt drängten, um sich freiwillig zum Krieg zu melden. Die Südschule wurde zur Kaserne für das Ersatzbataillon des Reserve-Regiments I.

Viel gebe es nicht zu erzählen, über den Ersten Weltkrieg in Zehlendorf, da es hier keine Kampfhandlungen gab, so Laschinsky. „Aber Zehlendorf hat gelitten unter den Kriegswirren“, sagt er. Die beschreibt der Hobby-Historiker auch im demnächst erscheinenden Heimatbrief des Vereins.

So war Zehlendorf ein Schwerpunkt der ärztlichen Versorgung von Invaliden, berichtet er. Verwundete sowohl von der Ost- als auch von der Westfront trafen im Ortsteil ein. Das Haus Schönow wurde eine Lazarett mit 200 Betten, das Oskar-Helene-Heim behandelte als Speziallazarett Hand- und Armverletzungen. In der Kindererziehungsanstalt Am Urban, dem heutigen Helios-Klinikum Emil von Behring, richtete der Vaterländische Frauenverein ebenfalls ein Lazarett ein. Innerhalb von drei Jahren versorgte das Haus 4.145 Verwundete. In Wannsee stellt sogar ein Unternehmer, der Dahlemer Hermann Harkort, sein Hausboot für Rekonvaleszenten zur Verfügung. Die Gemeinde Zehlendorf beteiligt sich zudem an der Finanzierung eines „Lazarettzugs der Wannseebahnvororte“.

Das Zehlendorfer Reserve-Regiment marschiert den Teltower Damm entlang. Archiv Heimatverein Zehlendorf

Doch nicht nur Verwundete kamen nach Zehlendorf, sondern auch Flüchtlinge aus Ostpreußen. Mitte September waren es bereits 227.

Ein zweites, das man in Zehlendorf wie allerorten zu spüren bekam, war die knappe Versorgungslage. Es mangelte an Lebensmitteln, da die Landarbeiter, die sich um Felder und Tiere gekümmert hatten, nun an der Front kämpften. Es wurden Bewirtschaftungsregeln für die knappen Lebensmittel erlassen, erstmals überhaupt wurden Lebensmittelkarten ausgegeben, berichtet Laschinsky. Als eines der ersten Lebensmittel wurde Mehl kontingentiert und die Brotkarte eingeführt. Butter- und Milchkarten folgten. Auch Fleisch war Mangelware.

Da die Männer an der Front waren, verfügten deren Frauen über keinerlei Einkünfte mehr. Sie wurden von der Kriegsfürsorge unterstützt. „In den ersten drei Kriegsjahren sind den berechtigten Familien im Kreis Teltow insgesamt 56,5 Millionen Mark zugewendet worden“, schreibt Laschinsky in seinem Artikel.

Mit der Brotkarte wurden Brot und Mehl rationiert. Archiv Heimatverein Zehlendorf

Um den Krieg zu finanzieren, reichten die ausgegebenen Anleihen nicht aus. Kirchenglocken, Orgelpfeifen und bronzene Denkmäler wurden eingeschmolzen. Auch die auf dem Dorfanger aufgestellte Kaiser-Wilhelm-Büste wurde abgebaut und „dem Vaterlande als Kriegsopfer dargebracht“, zitiert Laschinsky aus dem Zehlendorfer Anzeiger vom 18. August 1918.

Nach Ende des Krieges würdigten die Zehlendorfer ihre Gefallenen mit Tafeln auf Friedhöfen und in Kirchen. Nur im Zehlendorfer Rathaus gibt es, anders als in zahlreichen anderen Rathäusern, keine Tafel mit den Namen der Gefallenen. Der Grund ist ganz einfach: Das Haus wurde erst 1926, also lange nach Ende des Krieges, erbaut, so Laschinsky.

Als Quellen für seinen Artikel dienten dem Heimatkundler der Zehlendorfer Anzeiger und das Teltower Kreisblatt. Dadurch wisse man gut Bescheid über jene Jahre. Für eine Ausstellung allerdings reiche es nicht, findet Laschinsky, dafür fehlten einfach interessante Objekte, die man zeigen könnte.

 (go)