Manche Kinder können nicht in ihrer Familie bleiben – dann brauchen sie Pflegeeltern. Foto: S. Hofschaeger/pixelio.de

„Liebe allein reicht“ – das sei die häufigste der falschen Vorstellungen, wenn sich Menschen für ein Pflegekind entscheiden, weiß Susanne Stieler von der Pflegekinderhilfe Steglitz-Zehlendorf. Zusammen mit ihren Kollegen betreut sie Pflegekinder und -eltern im Bezirk.

Manchmal liest man in der Zeitung von vernachlässigten, verwahrlosten oder geschlagenen Kindern. Doch auch weniger Dramatisches ist nötig, um ein Kind aus der Familie zu nehmen – manchmal vorübergehend, manchmal für immer. Für sie brauchen die Jugendämter Pflegefamilien. 700 Kinder hatten in Berlin 2012 das Glück, Pflegeeltern zu finden – fast genauso viele aber fanden keine und wurden in Heimen untergebracht.

Steglitz-Zehlendorf mit seiner gutbürgerlichen Einwohnerschaft ist ein Sonderfall unter den Berliner Bezirken, was die Aufnahme von Pflegekindern betrifft, erzählt Susanne Stieler – hier gebe es mehr Menschen, die bereit seien, Pflegeeltern zu werden als Pflegekinder, so dass auch Kinder aus anderen Bezirken vermittelt werden. Trotzdem sei nicht allen Interessenten bewusst, was es bedeutet, Pflegeeltern zu sein, das stellen die Berater immer wieder fest. Deshalb gibt es eine sechs- bis neunmonatige Vorbereitungszeit. Zuerst müssen Interessierte einen zentralen Informationsabend besuchen. Dann werden sie durchgecheckt, ob sie geeignet sind für diese Aufgabe. In mehreren Gesprächen wird über die eigenen Ressourcen gesprochen, über die eigenen Vorstellungen von Erziehung, auch mit der eigenen Biografie müssen sich die zukünftigen Pflegeeltern auseinandersetzen. Daraus wird ein Leistungsprofil für das Jugendamt erstellt, dass dann schließlich entscheidet, ob die Interessenten geeignet sind.

Infrage als Pflegeeltern kämen nicht nur Paare, erklären Barbara Stadler und Fabro Akagüç. Auch Alleinerziehende – egal ob homo- oder heterosexuell – haben die Möglichkeit, ein Pflegekind aufzunehmen. Die „typischen“ Pflegeeltern gibt es zwar nicht, meist jedoch würden sich Paare um die 40 Jahre bewerben, die keine eigenen Kinder haben, aber zu alt für die Adoption sind. Aber auch Familien, die Kinder haben und Alleinstehende ohne Partner, die sich aber ein Kind wünschen, bewerben sich.

Pädagogische Vorerfahrung wird von ihnen nicht verlangt. Allerdings seien Pflegeeltern keine pädagogischen Laien mehr, betont Judith Kautz. Während des Überprüfungsprozesses müssen sie sich qualifizieren. Sie lernen, wie sich ein Kind entwickelt, erfahren, wie Hilfepläne erstellt und zusammen mit dem Berater Entwicklungsziele formuliert werden. Sie seien dann „Semi-Professionelle“, sagt Michael Kröger.

Die zweite falsche Vorstellung, die Interessenten mitbringen, sei, dass sie ein Wunschkind bekommen, das zu ihrer Familie passt. Den Besonderheiten dieser Kinder werde nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Auch wenn die Kinder noch jung sind – die meisten Paare bevorzugten Kinder bis drei Jahre – sie hätten oft schon einiges durchgemacht in der Herkunftsfamilie, manche seien traumatisiert. Das mache vor allem die Anfangsphase kompliziert. Gerade im ersten Jahr gebe es viele Schwierigkeiten, gelegentlich wird das Pflegeverhältnis auch abgebrochen, berichten die Berater. Dass Kinder in ihre Familien zurückkehren, passiere in drei bis fünf Prozent der Fälle. Der Kontakt zu der Herkunftsfamilie muss aber gepflegt werden, denn anders als bei einer Adoption bleibt das Pflegekind Teil seiner Familie. Das Verhältnis von Pflege- zu leiblichen Eltern sei oft problematisch und mit Emotionen belastet. „Man darf die Eltern nicht abwerten. Das wertet das Kind ab“, sagt Ina Lambert. Und vor allem erschwere es die ohnehin komplizierte Dreiecksbeziehung zusätzlich. Die Leidtragenden in solchen Auseinandersetzungen seien dann die Kinder

Für ihre Betreuungsarbeit erhalten Pflegeeltern Geld. Leicht wird da der Vorwurf laut, dass manche Paare sich nur bewerben, um daran zu verdienen. Doch da winkt Susanne Stieler ab. So ein Fall sei ihr noch nie untergekommen. „Es ist nicht viel Geld für das, was die Pflegeeltern leisten“, betont sie. Zudem werde die wirtschaftliche Situation der Bewerber vorher geprüft. Vielmehr könne sie von Fällen berichten, wo – vor allem alleinerziehende – Pflegeeltern sogar Kredite aufgenommen hätten oder zurück zu den Eltern gezogen seien, um sich das Pflegekind leisten zu können. „Alleinerziehende zahlen drauf“, da ist sich Susanne Stieler sicher.

 (go)