Mia Schumacher ist seit über einem Jahr bei der Grünen Jugend. Ihre Herzensthemen: Queer- und Klimapolitik. Foto: Dijana Kolak

 

Zur „queeren Freiheitszone“ will Kultursenator Klaus Lederer (Linke) Berlin machen, so wie er auf dem Christopher Street Day (CSD) am Wochenende verkündete. Aber wie steht es um die Angebote für die Community in unserem Bezirk?

Am Mittwoch, den 21.07.2021 um 18 Uhr, fand eine Kundgebung der Grünen Jugend Steglitz-Zehlendorf, gemeinsam mit den Jungen Liberalen und den Jungsozialisten am Rathaus Zehlendorf statt. Mit dabei waren von den politische Jugendorganisationen Alena Jakobs (JuLis), Moritz Scholz (JuSos), Mia Schumacher (Grüne Jugend). „Wir brauchen mehr Angebote und Schutzräume für die queere Jugend“ – so lautet eine der zentralen Forderungen der Kundgebung der Grünen Jugend des Bezirks. Es fehlt dem Bezirk an Beratungs- und Anlaufstellen für queere Jugendliche, auch Schutzräume und Plattformen zum Austausch sind nicht vorhanden. Was es aber gibt: einen Stammtisch für Lesben und Schwule Ü60. Bei 300.000 Einwohner*innen in Steglitz-Zehlendorf bei dem rund 70.000 im Alter von sechs bis 30 sind, ist es offensichtlich, wie dürftig das Schutz- und Vernetzungsangebot für junge Menschen ist. ¹

Die 19-Jährige Mia Schumacher (Grüne Jugend) ist selbst Teil der LGBTQI*-Community und sieht den Mangel an Schutzräumen als Gefahr: „Als Minderjährige alleine nach Schöneberg, Kreuzberg oder Prenzlauer Berg zu fahren, um von den Angeboten Gebrauch zu machen, ist eine Zumutung. Es muss Angebote in unserer Nähe geben!“ Sie berichtet von ihrer – erfolglosen Suche, nach queeren Schutzräumen in Steglitz-Zehlendorf und ihre Enttäuschung darüber. Den Willen, dass sich das ändern muss, hat sie aber auch gleich gefasst.

„Ich bin queer und ungeduldig“ — so Yasmine Werder, eine der Vorständ*innen des Lesben und Schwulen Verbands Berlin-Brandenburg (LSVB). Die Aktivistin unterstreicht, dass es weiterhin Geduld brauche, bis es schließlich mehr Angebote für die LGBTQI*-Community gebe. Das bedeute aber gleichzeitig, weiterhin Druck auf die Bezirkspolitik auszuüben und den Bedarf dieser Angebote zu unterstreichen und zu fordern.

v.l.n.r.: Christopher Schreiber (LSVB) und Markus Löw (CSD e.V.), Foto: Dijana Kolak

 

Auch Christopher Schreiber (LSVD) betont die Hartnäckigkeit, die es braucht, um reale Veränderungen im Bezirk zu erzielen. „Klar ist: Auch vor der eigenen Haustür muss gekehrt werden.“

Nicht aus den Augen zu verlieren, ist die Städtepartnerschaft Steglitz-Zehlendorfs zu der polnischen Gemeinde Poniatowa, die sich als LGBTQI*-freie Zone deklariert hat.

Dass es keinen zufriedenstellenden Austausch bei Städte Partnerschaften gebe, kritisiert Markus Löw (CSD e.V.).

Das Bezirksamt sei auch für den Austausch zwischen den Städten verantwortlich, ein Brief, so wie ihn Bürgermeisterin Cerstin Richter-Kotowski im Sommer 2020 verfasste, reiche bei weitem nicht aus. Kernaussage dieses Briefes: Die Entscheidung, Poniatowa zur LBGT*-freien Zone zu machen, sollte zurückgenommen werden. Bis zum heutigen Tag gab es weder eine Antwort auf das Schreiben, noch wurde die Entscheidung zurückgenommen. Dass aber trotzdem ein Abbruch der Städtepartnerschaft die Spaltung weiter vorantreiben würde, da sind sich die Vortragenden der Veranstaltung einig.

„Wir müssen darauf eingehen, dass es auch hier Queerfeindlichkeit gibt“, meint Theresa von der Registerstelle in Steglitz-Zehlendorf, welche rechtsextreme Aktivitäten wie diskriminierende Vorfälle erfasst. Queerfeindlichkeit ist immer noch ein Motiv, nach dem Menschen aus der LGBTQI*-Community bewusst diskriminiert, bedroht und beleidigt werden, wie die Auswertung der Vorfälle für das Jahr 2020 zeigt. Bei Bedarf kann man sich an die Registerstelle per Mail wenden (sz@berliner.register.de), welche die Vorfälle anonym dokumentiert und beim weiteren Vorgehen berät. Eine Beratungsstelle, die auf die vielfältigen Bedürfnisse der LGBTQI*-Community zugeschnitten ist, gibt es im Bezirk nicht. Mehr Infrastruktur wird von den Beteiligten der Kundgebung gefordert, wie auch eine längerfristige Version der Politik für die Community.

 

Zuhörende auf der Demo mit der Regenbogenflagge. Foto: Dijana Kolak

 

Sören Grawert von der FDP Steglitz Zehlendorf betont mit aller Deutlichkeit das gemeinsame Ziel der drei Parteien: Eine Stadt gegen Homophobie und Transfeindlichkeit. Die anderen politischen Jugendorganisationen waren zwar auch zu dieser Veranstaltung eingeladen, sagten aber ab. So wurde auch die Junge Union Steglitz-Zehlendorfs informiert und um die Teilnahme gebeten, diese wollten aber bewusst nicht partizipieren. Auch ein klares politisches Zeichen.

Ruppert Stüwe (SPD) kandidiert für den Bundestag und betont, den elementaren Aspekt der Sicherheit für die queere Community. Schutzräume müssten geschaffen werden: „Das ist Aufgabe der öffentlichen Hand: des Bundes und des Amtes.“ stellt er klar.

Die Fraktionsvorsitzende Dr. Tonka Wojahn (Grünen) dankt den Jugendorganisationen der Parteien, welche zu dieser Kundgebung aufgerufen haben. Sie selbst kandidiert für das Abgeordnetenhaus Zweifelsfrei sei das ein Zeichen für mehr Sichtbarkeit. Gleichzeitig stellt sie die Forderung an die Politik, Kundgebungen wie diese als Selbstverständlichkeit zu sehen.

Außerdem wünscht sie mehr Mut von den politischen Akteur*innen und betont, wie abhängig das Erreichen der Ziele von dem persönlichen Einsatz der Amtsmitglieder ist.

Im weiteren Verlauf geht es um die Regenbogen-Flagge, welche in Steglitz-Zehlendorf am vergangenen Freitag gehisst wurde. 2015 wurde die Regenbogenflagge zum ersten Mal anlässlich des CSD am Rathaus Zehlendorf gehisst, dann wurde sie aber entwendet.

Alle Reden wurden gehalten, Pop-Musik spielt noch aus der Musik-Box und es bilden sich Gruppen, die sich angeregt unterhalten. Die Jugendorganisationen schwenken die Regenbogenflagge. Zwei Passantinnen bleiben stehen und fragen, für was demonstriert wurde. Die Regenbogenflagge als Symbol für die LGBTQI*-Community kennen sie nicht.

 

Auf dem Bezirksamt lastet nun der Druck auch zu handeln und die Forderungen umzusetzen. Foto: Dijana Kolak

 
¹Amt für Statistik (2020), Statistischer Bericht A I 5 – hj 1 / 20 – Einwohnerinnen und Einwohner im Land Berlin, in: Berlin.de, 30.06.2020, https://www.berlin.de/ba-steglitz-zehlendorf/ueber-den-bezirk/zahlen-und-fakten/statistische-daten/artikel.29789.php, letzter Zugriff: 25. Juli 2021, 10:54 Uhr

 

Dijana Kolak