Radschnellweg: Kostenexplosion im Grunewald

Radschnellweg: Kostenexplosion im Grunewald

Foto: Daniela von Treuenfels

 

25 Millionen Euro, diese Kosten stehen bisher für den geplanten Radschnellweg von Charlottenburg nach Wannsee im Raum. Realistisch ist eine sehr viel höhere Summe.

Es klingt manchmal ein wenig dröge, wenn die Verwaltung spricht. Auf Vorlage von Senatorin Jarasch habe der Senat laut eigener Mitteilung „am 21. März 2023 die Grundsätze der Planung der Radschnellverbindung Königsweg-Kronprinzessinnenweg (RSV 3) zur Kenntnis genommen und schafft damit die Grundlagen für die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens“.

Dieser Planer-Sprech ist hilfreich um einzuordnen, in welcher Phase sich ein Bauprojekt befindet: Auf einem Zeitstrahl zwischen ersten Überlegungen und Fertigstellung ist das so ungefähr in der Mitte. Bisher hat die landeseigene infraVelo im Auftrag der Verkehrsverwaltung umfassende, gut dokumentierte und transparent veröffentlichte Voruntersuchungen durchgeführt. Von der Potentialanalyse über eine Machbarkeitsuntersuchung blieb am Ende eine am besten geeignete Route übrig, die sogenannte „Vorzugstrasse“.

Sie startet von Norden aus am Knotenpunkt Kurfürstendamm/Bornstedter Straße und führt in Richtung Süden über die Bornstedter Straße, den Trabener Steg, die Trabener Straße und die Auerbachstraße bis zum Königsweg. Weiter geht es auf dem Königsweg, parallel zur AVUS durch den Grunewald, dann auf dem Kronprinzessinnenweg durch Nikolassee und Wannsee. Die Vorzugstrasse endet am Knotenpunkt Kronprinzessinnenweg/Königsstraße. Die endgültige Routenführung wird erst mit dem Beschluss zur Planfeststellung feststehen, also voraussichtlich Ende 2025. Dieses Datum nennt der Senat in seiner Mitteilung, es ist entscheidend für die weitere Kostenkalkulation.

 

Foto: Daniela von Treuenfels

 

Die Schnellverbindung im Südwesten ist Teil eines gesamtstädtischen Konzepts. Das Berliner Mobilitätsgesetz sieht vor, dass bis 2030 mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen in Berlin errichtet werden sollen. Sie führen jeweils strahlenförmig von den Außenbezirken in Richtung Stadtzentrum und sollen das Radfahren auch auf längeren Strecken attraktiver machen.

Zurück zur Senatsmitteilung vom März. Wortreich erklären sich die verantwortlichen Politiker zu den drastisch steigenden Kosten – ohne konkrete Zahlen zu nennen:

„Im Verlauf der weiteren Planungen konnten die Annahmen und Vorgaben aus der Machbarkeitsuntersuchung weiterentwickelt werden. Dadurch ergaben sich Änderungen in der Routenführung und der Kostenermittlung. Denn mit vertiefender Planung lassen sich auch die Kosten detaillierter kalkulieren. Es gibt konkretere Planungsstände, die gegenüber der Kostenkalkulation zum Abschluss der Machbarkeitsuntersuchung noch nicht vorlagen. Wo zuvor nur grobe Berechnungen vorgenommen werden konnten, können nun detailliertere, fachliche Betrachtungen der Vorzugstrassen durchgeführt werden, zum Umbau von Knotenpunkten und den erforderlichen Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen. In den Machbarkeitsuntersuchungen wurden zudem lediglich die Baukosten – ohne Baunebenkosten – benannt.“

Die Mitteilung des Senates bezieht sich auf eine entsprechende Vorlage im Abgeordnetenhaus, die im März veröffentlicht wurde . Hier werden die Gesamtkosten mit 17,6 Millionen Euro angegeben. Das ist jedoch nicht der aktuelle Stand, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Politikers Felix Reifschneider (vom Januar!) hervorgeht: Demnach liegen die Kosten „mit der Einreichung der Vorplanungsunterlagen“ bei 25,2 Millionen Euro für rund 14 Kilometer Strecke.

Im Vergleich zu den ersten Schätzungen hätten sich die Kosten damit mehr als vervierfacht. Die Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2019 geht noch von Gesamtkosten von 5,4 Millionen Euro aus für eine rund 12 Kilometer lange Strecke.

Der Ergebnisbericht zur Machbarkeitsuntersuchung korrigiert den Preis auf 6,4 Millionen Euro und betont die Wirtschaftlichkeit des Projektes mit seinen günstigen 0,5 Millionen Euro pro Kilometer. Mit Blick auf den Radschnellweg Ruhr (1,8 Mio € / km) und die durchschnittlichen Kosten für innerörtliche Radwege (1,1 Mio € / km) seien die Kosten für den Radschnellweg Südwest „vergleichbar niedrig“.

Der Radschnellweg Ruhr ist als Referenzprojekt besonders interessant, weil die insgesamt 101 Kilometer lange Strecke Städte des Ruhrgebietes miteinander verbindet. Verdichtete Bereiche und Stadtrandgebiete wechseln einander ab, ähnlich wie auf den Routen zwischen der Berliner City und den Randgebieten. Allerdings sind zwischen Charlottenburg und Wannsee keine teuren Brückenneubauten vorgesehen.

Nun ist die gewählte Südwest-Vorzugstrasse knapp zwei Kilometer länger geworden und die Nebenkosten (15%) nicht enthalten. Die Baupreise steigen jährlich um 15 Prozent. Adam Riese rechnet und stellt fest, dass auf Basis des niedrigen Preises heute die doppelte Summe fällig wäre: Längere Strecke, Baupreiserhöhung von vier Jahren und Nebenkosten – macht rund 15 Millionen Euro.

 

Foto: Daniela von Treuenfels

 

Die 25 Millionen Euro, die dem Abgeordneten Reifschneider genannt wurden, ergeben sich, wenn man statt dem niedrigen Ansatz den Durchschnittspreis zugrunde legt, der 2020 bei 1,1 Mio € pro Kilometer lag. Auf heutige Preise umgerechnet müsste das Land Berlin für einen 14 Kilometer langen Radschnellweg derzeit demnach 23,4 Millionen Euro bezahlen (mit Nebenkosten: 27 Mio €).

Aber.
Die Planfeststellung soll Ende 2025 beendet sein. Vorher können keine Aufträge vergeben werden. Der Einfachheit halber nehmen wir den eher unwahrscheinlichen Fall an, dass 2026 alle Bauarbeiten ausgeschrieben und vergeben werden. Die Baupreisentwicklung von weiteren drei Jahren wäre also zu berücksichtigen. 2026 würde das Projekt Radschnellweg 35,6 Millionen Euro kosten, inklusive Nebenkosten rund 41 Millionen.

Und.
Wenn Berlin baut, sind Durchschnittspreise nicht unbedingt die Regel. Zu oft laufen die Kosten aus dem Ruder. Preise wie 1,8 Millionen Euro pro Kilometer wie für den Ruhr-Radschnellweg sind heutzutage auch nicht astronomisch hoch.

Der Radschnellweg Südwest führt über Brücken und diverse Knotenpunkte und außerdem mehrere Kilometer durch geschütztes Gebiet im Grunewald. Überdurchschnittliche Kosten wären daher sogar zu erwarten.

Nehmen wir also den Preis des Radschnellwegs Ruhr, der in der schon erwähnten Publikation von 2020 genannt wird und rechnen ihn hoch auf die Preise im Jahr 2026. Das wären Summa Summarum 58 Millionen Euro. Plus Nebenkosten: 67 Millionen Euro.

Die Fertigstellung des Radschnellweges Königsweg – Kronprinzessinnenweg ist für 2030 geplant. Was den derzeitigen Preis für das Projekt angeht, ist in jedem Fall noch Luft nach oben.

Infos zum Radschnellweg Königsweg – Kronprinzessinnenweg
https://www.infravelo.de/projekt/koenigsweg-kronprinzessinnenweg/

 

 

Daniela von Treuenfels

 

 

1 Kommentar

  1. Total peinlich. 90% des Weges sind doch schon heute (und übrigens auch schon die letzten 50 Jahre) ein gut funktionierender, asphaltierter Weg ohne Autoverkehr.

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