Foto: Stadtteilzentrum Steglitz e.V. – Die angespannte Verkehrssituation am Hindenburgdamm in Lichterfelde.

Sonntags, wenn die Kirchenglocken der Paulusgemeinde zum Gottesdienst rufen, kommen immer mehr Kirchgänger zum Dorfanger, um am Gottesdienst teilzunehmen. Dieser eigentlich friedliche Gang wurde jedoch bis Ende 2017 jäh unterbrochen. Die Kirche liegt auf einer Insel, die der Hindenburgdamm in beide Richtungen säumt. Tempo 50 wurde von vielen Autofahrern kaum eingehalten und so war es ein schwieriges Unterfangen zu Fuß einigermaßen sicher auf die andere Seite zu kommen. Diese Situation am Sonntag wurde unter der Woche nicht einfacher. Den Hindenburgdamm zu Fuß zu überqueren, war von der Bäke- bis Moltkestraße nicht ungefährlich. 

Diese gefährliche Verkehrssituation war jahrelang (seit 2012) ein Thema am Runden Tisches Lichterfelde-West, bei der Bürgerinitiative Tempo 30, in der Paulusgemeinde und bei vielen Nachbarn, Anwohnern und NutzerInnen des Straßenabschnitts. In diesem Bereich liegt nämlich nicht nur die Kirche, sondern auch drei Kindertagesstätten, der Schlosspark Lichterfelde und das Nachbarschaftshaus Gutshaus Lichterfelde, angrenzend das Klinikum Benjamin Franklin. Viele SchülerInnen, Gemeindemitglieder und Klienten des Klinikums sowie Nutzer des Naherholungsgebietes im Schlosspark und am Teltowkanal sind davon betroffen. Die Verkehrsberuhigung mittels zeitlich begrenztem Tempo 30, ein Zebrastreifen, eine Ampel – es gab viele Ideen, um die Situation sicherer für alle zu gestalten. Dieses Begehren wurde auch von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf intensiv unterstützt. Und dann, Ende 2017, wurde diesem Wunsch endlich entsprochen: Die Verkehrslenkung Berlin hatte die Anordnung für Tempo 30 von 7.00 – 18.00 Uhr im Bereich des alten Dorfangers am Hindenburgdamm erteilt.
Möglich machte dies eine Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): „So kann nun nach § 45 Abs. 9 Satz 1 in Verbindung mit Satz 4 Nr. 5 StVO im unmittelbaren Bereich von Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern, die an Straßen des überörtlichen Verkehrs oder auf weiteren Vorfahrtsstraßen liegen, eine streckenbezogene innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h angeordnet werden, auch ohne Nachweis einer besonderen, örtlich bedingten Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt“, heißt die offizielle Begründung. Kaum war die Ankündigung da, wurden auch schon die Schilder aufgestellt.

Tempo-30-Zone zu kurz geraten

Sehr schnell gewöhnten sich alle VerkehrsteilnehmerInnen an das Tempolimit 30 in der angegebenen Zeit. Etwas Wehmut stellte sich allerdings auf der Seite des Gutshauses Lichterfelde am Hindenburgdamm 28 ein: An der linken Hausecke, wenn man vor dem Gebäude steht, endet das Tempolimit. Das hat zur Folge, dass Autofahrer, sobald sie das Tempo 50 Schild sehen, wieder die Geschwindigkeit erhöhen. Somit war die erhoffte Sicherheit durch die neue Tempoeinschränkung für dieses Haus leider nicht gegeben.
Das Gutshaus Lichterfelde steht unter Trägerschaft des Stadtteilzentrum Steglitz e.V., einem gemeinnützigen Verein der sozialen Arbeit. Im Haus ist die Kita Schlosskobolde im 1. Stockwerk beheimatet. Das gesamte ebenerdige Stockwerk wird für die Nachbarschaftsarbeit genutzt, einschließlich Nachbarschaftscafé, Gruppenräume und Veranstaltungsräume. Das bedeutet, dass auch hier sehr viel Publikumsverkehr stattfindet. Ganz besonders zu den Öffnungs- und Schließzeiten der Kindertagesstätte ist die Straße vor dem Haus durch Eltern, die ihre Kinder bringen und abholen, sehr beansprucht. Es ist kaum ein Parkplatz zu bekommen und der normale Verkehr stockt.

Foto: Stadtteilzentrum Steglitz e.V.

Die ohnehin angespannte Verkehrssituation wird zudem seit einiger Zeit durch einen weiteren Faktor extrem erschwert: Vor Kurzem zog nämlich die Hauptpost, früher Ecke Hindenburgdamm/Königsbergerstraße ansässig, in den Hindenburgdamm 99 um. Die neue Postfiliale liegt also nun schräg gegenüber dem Gutshaus. Das bedeutet wiederum, dann nun nicht nur Kita-Eltern, sondern auch Postkunden hier einen Parkplatz suchen (müssen). Die Ballung, gerade in den Morgenstunden und gegen die Schließzeit der Post, ist belastend. Für Fußgänger kein sicheres Überqueren der Straße in diesem Bereich mehr möglich.

Runder Tisch setzt sich für die Verlängerung der Tempo-30-Zone ein

Wieder kamen Eltern, Nachbarn und engagierte Bürgen am Runden Tisch Lichterfelde-West zusammen und berieten über die aktuelle Situation. Am Ende wurde beschlossen, sich erneut an die Verkehrslenkung Berlin zu wenden. Man fragte an, ob es möglich wäre, die Tempo-30-Beschränkung bis zu Ampel Moltkestraße/Einfahrt Klinikum zu verlängern. Und dieses Mal kam die Antwort sehr schnell und auch die Taten ließ nicht lange auf sich warten: Der Runde Tisch bekam die Zusage, dass das Schild Tempo 50 vor dem Gutshaus versetzt werden würde und kaum eine Woche später stand dieser bereits etwa 50 Meter weiter in Richtung Stadtmitte!

Ein Beispiel dafür, dass man Missstände nicht einfach hinnehmen muss

Natürlich ist die Verkehrssituation auf diesem Stück des Hindenburgdamms noch immer nicht optimal, doch es wurde schon sehr viel erreicht. „Bezüglich der Parksituation vor der Kita und vor der Filiale der Deutschen Post“ verweist die Verkehrslenkung auf die „sich dort befindlichen Ladezonen, die entsprechend der StVO von Kunden, Paketlieferanten und Eltern genutzt werden können. Sollten diese Ladezonen zeitlich und/oder vom Platz nicht ausreichend sein, kann beim Bezirk Steglitz-Zehlendorf eine entsprechende Ausweitung beantragt werden.“ Die Aufgaben und Anliegen des Runden Tisches gehen also nicht aus. Dennoch ist dies ein sehr schönes Beispiel dafür, dass man Missstände nicht einfach hinnehmen muss.
Am Runden Tisch lassen sich die Anliegen der Menschen in der Umgebung besprechen, Lösungen und die richtigen Ansprechpartner werden gesucht, und schließlich werden diese Anliegen an die richtigen Stellen im Bezirk getragen.
Die Sonntagsglocken der Paulusgemeinde läuten weiterhin, ob Tempo 50 oder 30, aber vielleicht bekommen wir doch endlich einmal den Segen, diesen Straßenabschnitt für alle NutzerInnen in sicherere Bahnen zu lenken.
(as)